Forscher sehen Daclizumab als effektiv für das gesamte Spektrum von schubförmiger MS
Original Titel:
Consistent efficacy of daclizumab beta across patient demographic and disease activity subgroups in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis.
Der Wirkstoff Daclizumab wurde für die Behandlung von schubförmiger Multipler Sklerose (MS) 2016 zugelassen. Es ist ein Antikörper, der bestimmte Zellen des Immunsystems, die T-Zellen, bindet und so deren Zerstörung einleitet. So wird die Anzahl von T-Zellen verringert, die die Nervenzellen angreifen und zu einem Fortschreiten der chronisch-entzündlichen Autoimmunkrankheit beitragen. Durch diese Wirkungsweise ist der Wirkstoff jedoch auch immunsuppressiv, d. h. er schwächt das Immunsystem der damit behandelten Patienten.
Daclizumab wurde, um zugelassen werden zu können, in klinischen Studien erprobt. Dabei wurden in der Studie bei 1 % der Teilnehmer Leberschädigungen festgestellt. Daher sollten die Leberwerte von Patienten, die mit Daclizumab behandelt werden, vor Beginn, während und nach Beendigung der Behandlung engmaschig kontrolliert werden. Zuletzt wurde bekannt, dass es trotzdem zu einem Todesfall aufgrund von Leberversagen während der Behandlung und gleichzeitiger Einnahme von weiteren Medikamenten in Deutschland gekommen ist. Außerdem wurde über weitere Fälle von schweren Leberschädigungen nach der Zulassung berichtet. Daher wurde der Wirkstoff von der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im letzten Jahr erneut überprüft. Daclizumab soll nun nur noch zur Behandlung von schubförmiger MS bei Erwachsenen Patienten angewendet werden, wenn die Behandlung mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie nicht erfolgreich war oder es sich um eine rasch fortschreitende, schwere schubförmige MS handelt, für die andere krankheitsmodifizierende Therapien nicht geeignet sind. Von krankheitsmodifizierenden Therapien spricht man bei Behandlungen, die langfristig dem Fortschreiten einer Erkrankung entgegenwirken sollen. Bei der MS ist das vor allem die Vermeidung von neuen Entzündungsherden. Medikamente dafür werden dauerhaft und regelmäßig angewendet, im Gegensatz zu solchen, die die Symptome von akuten Schüben behandeln sollen.
Bei Menschen mit vorbestehender Lebererkrankung oder Leberfunktionsstörung soll Daclizumab möglichst nicht angewendet werden. Die EMA empfiehlt außerdem die Behandlung nicht für Menschen, die neben MS an einer weiteren Autoimmunerkrankung leiden. Bei Patienten, die aktuell mit Daclizumab behandelt werden, soll laut EMA überprüft werden, ob es nicht eine andere Therapieoption gibt. Patienten, die mit Daclizumab behandelt werden, sollen Anzeichen oder Symptome für Leberprobleme umgehend ihrem Arzt melden. Dazu gehören ungeklärte Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Appetitverlust, Gelbfärbung von Haut und Augen und dunkler Urin. Außerdem sollten Patienten ihrem Arzt von allen Medikamenten, auch solchen, die nicht verschreibungspflichtig sind, und pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln etc. aus Drogerie oder Reformhaus die eingenommen werden, berichten, da diese eventuell auch auf die Leber wirken könnten.
Die in zwei klinischen Studien gesammelten Daten zu dem Wirkstoff wurden außerdem nun nochmals vergleichend von Forschern ausgewertet. In einer Studie wurde das Medikament mit einem Placebo verglichen, in einer weiteren Studie mit der Behandlung mit Interferon beta-1a. Der Wirkstoff Interferon beta-1a soll die Häufigkeit und Schwere der Krankheitsschübe bei schubförmig verlaufender MS verringern. Es handelt sich um einen körpereigenen Botenstoff (Interferon), der auf das Immunsystem wirkt. Wie genau es die MS hemmt, ist noch nicht klar.
Die Forscher gruppierten in den Studien die Teilnehmer in verschiedenen Untergruppen. Gruppiert wurde dabei nach Geschlecht, Alter, Anzahl der Schübe im Jahr vor der Studie, Erkrankungsdauer, die grundlegende Behinderung nach EDSS (Expanded Disability Status Scale, Skala zur Beurteilung der Behinderung von MS-Patienten), das Vorhandensein von frischen Läsionen und der Bestimmung der Ausdehnung von Läsionen auf Magnet-Resonanz-Tomographie-Aufnahmen (MRT-Aufnahmen) sowie ob zuvor mit Interferon beta-1a behandelt wurde. Bei der Studie, die die Daclizumab-Behandlung mit einer Placebobehandlung verglich, waren die Daten nicht für alle Patientengruppen eindeutig. Für Patienten, die älter als 35 Jahre waren, und solche, mit einer Krankheitsdauer von mehr als 10 Jahren, konnten die Forscher keine Aussage machen. Für alle anderen Untergruppen zeigten sich in den beiden Studien ähnliche Ergebnisse. Die mit Daclizumab behandelten Patienten hatten in den Studien eine geringere jährliche Schubrate verglichen zu solchen, die mit einem Placebo oder Interferon Beta-1a als Injektion in den Muskel behandelt wurden. Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den Befunden der MRT-Untersuchungen der Teilnehmer wieder. Patienten, die mit Daclizumab behandelt wurden, zeigten auf den MRT-Bildern weniger aktiven Entzündungsherden (Läsionsaktivität).
Daraus schlussfolgerten die Forscher, dass die Behandlung mit Daclizumab effektiv sei und die Ergebnisse das Potenzial des Wirkstoffs als brauchbare Therapieoption für das gesamte Spektrum von schubförmiger MS unterstreichen. Die Empfehlungen der EMA sollten aber trotzdem beachtet werden und in jedem Fall genau geprüft werden, ob die Behandlung mit Daclizumab infrage kommt.
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