Größte Sammlung von Inselzellen enthüllt neue Diabetes-Gene
Diabetesforschung
04.12.2017
Eine aktuelle Studie im Fachmagazin ‚Diabetologia‘ hat ein neuartiges Cluster von fehlregulierten Genen in den Pankreasinseln von Patienten mit Typ-2-Diabetes identifiziert. An der Arbeit waren Dresdner Forscherinnen und Forscher des Helmholtz Zentrum München, Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, beteiligt. Die Arbeit entstand im Rahmen des EU-Innovative Medicine Initiative (IMI) Forschungskonsortiums IMIDIA.
Eine Hauptaufgabe des IMIDIA* (Innovative Medicines Initiative for Diabetes)-Konsortiums bestand darin, herauszufinden, welche Gene in Inselzellen von Menschen mit Diabetes abnormal aktiv sind, verglichen mit jenen von gesunden Menschen. Denn diese Veränderungen könnten für das Versagen der Insulin produzierenden Zellen bei Diabetes verantwortlich sein.
Um diese Gene zu finden, zog das Team um Prof. Dr. Michele Solimena Inselzellen von diabetischen und gesunden Patienten heran und verglich die Ergebnisse zusätzlich mit denen von Patienten, die sich einer Bauchspeicheldrüsenoperation unterziehen mussten. „Für die letztgenannten Patienten lagen eingehende medizinische Informationen vor und der Diabetes-Status konnte ebenfalls unmittelbar vor der Operation genau beurteilt werden“, erklärt Studienleiter Michele Solimena, Direktor des Instituts für die Erforschung Pankreatischer Inselzellen (IPI) am Helmholtz Zentrum München sowie Professor für Molekulare Diabetologie an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden.
19 Gene in Inselzellen verändert
Dieser Ansatz ermöglichte es den Wissenschaftlern, die größte Sammlung von Inselzellen aus nicht-diabetischen und diabetischen, aber auch aus prädiabetischen Personen zu erstellen. Mit Hilfe dieser Proben identifizierten die Forscher 19 Gene, deren Aktivität sowohl in den Inselzellen der diabetischen Organspender als auch in denen der diabetischen chirurgischen Patienten im Vergleich zu denen nicht-diabetischer Spender und Patienten verändert war.
Neun dieser 19 Gene waren bisher noch nie in diabetischen Inselzellen als fehlreguliert beschrieben. Allerdings konnte die Studie keinen Beweis dafür finden, dass eines dieser Gene in Inselzellen von prädiabetischen Probanden fehlreguliert vorlag. Das könnte darauf hindeuten, dass ihre geänderte Aktivität eher eine Konsequenz als die Ursache des Inselzellausfalls im Diabetes ist.
Zukünftige Studien sollen daher untersuchen, welche Gene vor dem Absterben der Betazellen fehlreguliert sind. Dazu müssen aber mehr Inselzellen von prädiabetischen Probanden gesammelt werden, und genau das ist eine der Hauptaufgaben des kürzlich ins Leben gerufenen EU-IMI-Konsortiums RHAPSODY, dem alle vier Teams angehören, die als Partner die vorliegende IMIDIA-Studie leiteten.
„Wir glauben, dass unsere Daten neue molekulare Erkenntnisse darüber liefern, was in diabetischen Inselzellen schiefläuft. Damit setzen wir neue Maßstäbe, wie Studien auf diesem Gebiet in Zukunft durchgeführt werden sollten“, so Michele Solimena. „Wir sind zuversichtlich, dass unsere Studie neue Einblicke liefert, wie die Nährstoffüberlastung über längere Zeit die Funktion der Inselzellen verschleißt und damit deren Fähigkeit beeinträchtigt, den übermäßigen Bedarf an Insulin zur Aufrechterhaltung der metabolischen Homöostase zu decken.“
Weitere Informationen
* IMIDIA (Innovative Medicines Initiative for Diabetes) ist ein öffentlich-privates Konsortium, das von der Initiative Innovative Medicines Initiative (IMI) finanziert und von Sanofi, Servier und der Universität Lausanne geleitet wird. Führende europäische Betazell-Experten aus 14 akademischen Institutionen, acht Pharma-Forschungseinrichtungen sowie eines Biotechunternehmens haben sich dabei offiziell im Rahmen des IMIDIA-Projekts zur Diabetesbekämpfung zusammengeschlossen. IMIDIA arbeitet an der Entwicklung neuartiger, patientenorientierter Werkzeuge, Biomarkern und grundlegendem Wissen über die Organisation von Betazellen, um den Weg zu einem verbesserten Diabetesmanagement zu ebnen. Es handelt sich um eine einzigartige Zusammenarbeit führender europäischer Forschungsgruppen, die sich auf die notwendigen Innovationen konzentriert, diese eng an die Anwendung koppelt und evaluiert, um dadurch neue Diagnostika, Prognosen und Therapeutika zu entwickeln. Rund 100 Forscher beschäftigen sich in sechs verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitspaketen mit neuartigen Ansätzen, wie z.B. bildgebenden Biomarkern, Systembiologie und Signalweganalysen. Alle mit dem Ziel, patientenrelevante in vitro und in vivo Krankheitsmodelle sowie Biomarker zur Überwachung des Krankheitsverlaufs und der Therapie zu entwickeln. Das Ziel des IMIDIA-Konsortiums, das von Februar 2010 bis September 2016 insgesamt 14 europäische akademische Institutionen, große Pharmaunternehmen und Biotech-Unternehmen umfasste, war die Identifizierung neuer Wege zur Regeneration, Erhaltung und zum Schutz von insulinproduzierenden pankreatischen Betazellen als Mittel zur Beschleunigung der Entdeckung von effektiveren Strategien zur Prävention und Behandlung von Typ-2-Diabetes.
Hintergrund:
Ebenfalls maßgeblich für den Erfolg der Arbeit war die Zusammenarbeit mit Dr. Anke M Schulte von Sanofi in Frankfurt, Dr. Mark Ibberson vom Schweizer Institut für Bioinformatik (Lausanne) und Prof. Piero Marchetti von der Universität Pisa.
Original-Publikation:
Solimena, M. et al. (2017): Systems biology of the IMIDIA biobank from organ donors and pancreatectomised patients defines a novel transcriptomic signature of islets from subjects with type 2 diabetes. Diabetologia, DOI: doi.org/10.1007/s00125-017-4500-3
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.
Das Institut für die Erforschung Pankreatischer Inselzellen (IPI) erforscht die Krankheitsursachen des Diabetes mellitus Typ 1, Typ 2 sowie des Schwangerschaftsdiabetes. Dabei sorgen zerstörte oder in ihrer Funktion eingeschränkte Betazellen für einen erhöhten Blutzuckerspiegel. Die Wissenschaftler des IPI/PLID arbeiten daran die Mechanismen zu entschlüsseln, die die Zerstörung und/oder Funktionseinschränkung der Betazellen bedingen und versuchen darüber hinaus neue Ansätze zu entwickeln um die geschädigten bzw. zerstörten Betazellen zu ersetzen.
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.
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