Depression
Altbekannt, aber immer noch effektiv: Johanniskraut kann bei der Behandlung milder und moderater Depressionen mit SSRI-Antidepressiva mithalten
Original Titel:
Clinical use of Hypericum perforatum (St John's wort) in depression: A meta-analysis
Johanniskraut (englisch: St. John’s wort) ist eine sehr beliebte pflanzliche Medizin, sowohl in Europa als auch in Asien. Beispielsweise wird es in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) zur Behandlung von Depressionen empfohlen. Schon im 8. Jahrhundert wurde die Pflanze im ältesten erhaltenen deutschen Klostermedizinbuch, dem „Lorscher Arzneibuch“, für die Behandlung der „Melancholie“ beschrieben. Die Pflanze wird inzwischen häufig und europaweit zur Behandlung von Depressionen verschrieben. Aufgrund seines großen medizinischen Potentials wurde das Johanniskraut vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde von der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2015 gewählt. Allerdings liegen sehr unterschiedliche Daten zur Wirksamkeit und den Risiken einer solchen Behandlung vor. Die letzte größere Übersichtsanalyse von Studien zur Nutzung von Johanniskraut wurde im Jahr 2008 publiziert. Eine Neubewertung der Studienlage ist also angebracht.
Wissenschaftler der Nationalen Universität von Singapur und der Universität von Nottingham in Großbritannien suchten nun in ihrer aktuellen vergleichenden Übersichtsstudie Publikationen zum Einsatz von Johanniskraut bei der Behandlung von Depressionen. Dabei berücksichtigten sie Studien, die entweder auf Englisch, Deutsch oder Chinesisch veröffentlicht waren. In den medizinwissenschaftlichen Datenbanken PubMed, Ovid und Cochrane (klinisches Studienregister und komplementäre Medizin) sowie in den entsprechenden chinesischen Datenbanken China National Knowledge Infrastructure und WanFang suchten die Forscher nach Artikeln mit Schlüsselbegriffen wie “Johanniskraut”, “Hypericin”, “Hyperforin” (zwei in der Pflanze enthaltenen Wirksubstanzen), “Hypericum perforatum” (der pflanzenwissenschaftliche Fachname der Pflanze) sowie krankheitsspezifische Begriffe wie “Depression”, “Antidepressiv” oder “SSRI”. Insgesamt fanden sie mit dieser Suche 5428 Artikel, die zwischen Januar 1960 und Mai 2016 publiziert worden waren.
Nach genauerer Auswahl der Arbeiten nach Relevanz und Qualität untersuchte die Gruppe 27 klinische Studien mit insgesamt 3808 Patienten. In diesen Studien wurde die Behandlung mit Johanniskraut mit einer Behandlung mit Antidepressiva des SSRI-Typs verglichen. Insgesamt zeigte die Johanniskraut-Therapie bei Patienten mit Depressionen vergleichbare Resultate zu der SSRI-Behandlung. Die pflanzlich behandelten Patienten erreichten ähnlich häufig Symptomfreiheit wie die konventionell behandelten. Gleichzeitig brachen allerdings deutlich weniger Patienten die alternative Behandlung ab als unter SSRI-Antidepressiva. Die klinische Wirksamkeit von Johanniskraut konnte dabei durch den reduzierten Schweregrad der Depressionen (gemessen mit der Hamilton Depressionsbewertungsskala, HAM-D) im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Behandlung festgestellt werden.
Johanniskraut war also bei der Behandlung milder bis mäßiger Depressionen ähnlich gut wie Antidepressiva des SSRI-Typs, wie der Vergleich mehrerer klinischer Studien zeigte. Die Patienten hatten aber eine höhere Behandlungstreue als mit den SSRI. Es ist nicht klar, ob dieser Unterschied mit den typischen Nebenwirkungen der SSRI zusammenhängt. Bei milderen Formen der Depressionserkrankung scheint also die Wirksamkeit des Pflanzenmittels auszureichen,
Die untersuchten Studien beobachteten die Patienten über eine Dauer von 4 bis 12 Wochen. Für relative kurze depressive Phasen kann das Mittel also durchaus eine sinnvolle Wahl darstellen, wenn keine anderen Medikamente genommen werden, mit denen das Johanniskraut wechselwirken könnte. Es ist allerdings unklar, ob die Wirkung des Johanniskrauts auch für längere depressive Phasen oder als langfristige Basistherapie wirksam eingesetzt werden kann. Auch konnten die Autoren nicht klären, ob Patienten mit schweren Depressionen oder erhöhtem Suizidrisiko von dem Mittel profitieren könnten. Entsprechende Studien müssen nun folgen.
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