Auch das angeborene Immunsystem kann trainiert werden
Forscher der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden zeigen, dass Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen trainiert werden können.
Das „Training“ von Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen führt zu einer anhaltenden positiven Reaktion des blutbildenden Systems. Ein Effekt, der helfen könnte, dass sich die Bildung von weißen Blutkörperchen wieder beschleunigen lässt – denn während der Chemotherapie wird dieser Prozess ausgebremst. In einer jetzt im angesehenen Fachjournal Cell erschienen Publikation beschreiben die Wissenschaftler Dr. Ioannis Mitroulis und Prof. Triantafyllos Chavakis vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der TU Dresden mit internationalen Kollegen diesen Trainings-Effekt auf das angeborene Immunsystem. Er könnte künftig dazu genutzt werden, spezifische Nebenwirkungen der Chemotherapie zu verhindern.
Zwei Hauptsysteme schützen uns vor Infektionen, die angeborene und die erworbene Immunität. Erstere ist quasi die schnelle körperliche Antwort auf Infektionen, um Zeit zu gewinnen, bis die erworbene oder auch adaptive Immunität aktiviert wird und die begonnene Arbeit fortführt. Die adaptive Immunität identifiziert und bekämpft den Erreger auf sehr spezifische Weise und baut ein immunologisches Gedächtnis auf. So „erinnert“ sich der Organismus an die früheren Herausforderungen und reagiert schneller und stärker, wenn in Zukunft die gleichen Erreger ins Spiel kommen.
Obwohl das immunologische Gedächtnis als eine ausschließliche Eigenschaft der adaptiven Immunität angesehen wurde, wurde diese Lehrmeinung kürzlich von mehreren Forschungsgruppen, darunter das Labor von Prof. Mihai Netea (Nijmegen, Niederlande), in Frage gestellt. Insbesondere fördern bestimmte mikrobielle Infektionen oder Impfstoffe eine verstärkte Reaktion von weißen Blutkörperchen auf eine spätere Infektion mit den gleichen oder sogar unterschiedlichen Pathogenen.
Dieser Prozess des angeborenen immunologischen Gedächtnisses wurde als trainierte angeborene Immunität bezeichnet, da weiße Blutzellen mit geeigneten Reizen (wie beta-Glucan, das sich in den Zellwänden von Pilzen und Pflanzen befindet) „trainiert“ werden können, um schneller und stärker gegen zukünftige Infektionen reagieren zu können. Die trainierte angeborene Immunität hat beeindruckende Langzeitwirkungen, bis zu mehreren Monaten, die überraschend sind, da weiße Blutkörperchen in aller Regel nur eine relativ kurze Lebensdauer im Blutkreislauf haben. Dieses Paradox wurde nun durch eine Studie des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Dresden gelöst. Diese Studie hat zum ersten Mal gezeigt, dass eine trainierte angeborene Immunität auf die Vorläufer der zirkulierenden weißen Blutkörperchen im Knochenmark wirkt, die als hämatopoetische Stamm- und Vorläuferzellen (HSVZ) bekannt sind. Da HSVZ viele Generationen von weißen Blutkörperchen hervorbringen können, könnte die Studie die langfristigen Auswirkungen der trainierten angeborenen Immunität erklären.
Das Forschungsteam von Prof. Triantafyllos Chavakis, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Dresden, fand gemeinsam mit der Gruppe von Prof. George Hajishengallis (Universität von Pennsylvania, Philadelphia, PA, USA) und Prof. Mihai Netea (Radboud Universität, Nijmegen, Niederlande) heraus, dass das Immuntraining von HSVZ durch beta-Glucan zu einer anhaltenden positiven Reaktion des blutbildenden Systems führte.
Ein Effekt, der helfen könnte, dass sich die Bildung von weißen Blutkörperchen wieder beschleunigen lässt – denn während der Chemotherapie wird dieser Prozess ausgebremst. „Wir denken, dass das Prinzip der trainierten Immunität dazu genutzt werden könnte, solche Nebenwirkungen der Chemotherapie zu verhindern“, sagt Dr. Ioannis Mitroulis vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Dresden und Erstautor der aktuellen Publikation. Er wurde kürzlich am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden zum Junior-Gruppenleiter ernannt. „Es ist auch denkbar, dass dieses Prinzip bei Blutkrebs eine therapeutische Anwendung findet“, fügte Prof. Chavakis hinzu.
Die Arbeit wurde von der Europäischen Forschungskommission (Grant DEMETINL), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Zuschüsse CH279 / 5-1, TR-SFB127, SFB854 / B26N) und den National Institutes of Health (DE024716 und DE026152) unterstützt.
Publikation:
Modulation of Myelopoiesis Progenitors Is an Integral Component of Trained Immunity
Mitroulis et al., 2018, Cell, January 11, 2018
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2017.11.034
Foto: Dr. Ioannis Mitroulis (rechts) und Prof. Triantafyllos Chavakis diskutieren die Ergebnisse der in Cell publizierten Forschungsarbeit (Quelle: Stephan Wiegand, TU Dresden).
Kontakt:
Prof. Dr. T. Chavakis
Direktor, Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Universitätsklinikum Dresden an der TU Dresden
Fetscherstrasse 74, 01307 Dresden
https://www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/kliniken-polikliniken-institute/ikl
Dr. I. Mitroulis
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Universitätsklinikum Dresden an der TU Dresden
Fetscherstrasse 74, 01307 Dresden
und
Nachwuchsgruppenleiter am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden
Dipl.-Psych. Kim-Astrid Magister
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