Migräne
Das große Gähnen: ein Vorbote, der speziell bei Migräne mit Übelkeit und Aura früh den Behandlungsbedarf anzeigt
Original Titel:
Migraine and Yawning
Manchen Migränepatienten ist das Gähnen als häufiges, auch frühes Anzeichen eines Migräneanfalls bekannt. Gibt es aber spezielle Gruppen von Migränen, bei denen das Gähnen häufiger zu finden ist, und kann es als Vorbote verlässlich genutzt werden? Neurologen des Ankara Dışkapı Yıldırım Beyazıt Training und Forschungshospitals in Ankara in der Türkei gingen diesen Fragen nun in einer Querschnittsstudie nach. Dazu evaluierten sie mit Hilfe von Tagebüchern und Fragebögen die Symptome von Migräneattacken bei Patienten mit und ohne Aura, und untersuchten die Häufigkeit des Symptoms Gähnen vor und während der Kopfschmerzphase der Migräne.
339 Patienten wurden für diese Studie untersucht. 154 der Migränepatienten, also fast die Hälfte der Betroffenen, berichteten häufiges Gähnen während der Migräneanfälle. Jeder 10. der Patienten gähnte bereits bevor die Kopfschmerzen einsetzten, jeder 4. während der Kopfschmerzen, und einer von 10 Patienten gähnte sowohl vor als auch während der Kopfschmerzphase der Migräneattacke. Fast die Hälfte der gähnenden Patienten erlebten eine Migräneaura, von den nicht gähnenden Patienten dagegen nur jeder 3. Wer gähnte, litt auch etwas häufiger unter Übelkeit (90 % der gähnenden Patienten versus 75 % der übrigen Patienten) und musste sich eher übergeben (die Hälfte der Gähner, gegenüber nur 4 von 10 Nicht-Gähnern). Patienten, die gähnen mussten, waren auch häufiger von Geruchsempfindlichkeit und gesteigertem Berührungsschmerz, der sogenannten Allodynie, betroffen. Das Gähnen geht auf die Aktivität des sogenannten dopaminergen Systems vor allem im Gehirnteil Hypothalamus zurück: in diesem Gehirnteil werden verschiedene Nervenbotenstoffe freigesetzt, von denen speziell das Dopamin auf die Empfindlichkeit der Verarbeitung in anderen Gehirnabschnitten einwirkt. Sinkt der Dopaminspiegel, werden manche Systeme stärker sensibilisiert und durch sonst normale Reize bis zur Schmerzhaftigkeit überreizt. Dass der Dopaminspiegel während der Migräne auffällig schwankt und schließlich stark absinkt, wurde in einer früheren Studie gezeigt (DaSilva et al., 2017 in der Fachzeitschrift Neurology erschienen). Wandelt sich der Dopaminspiegel durch eine veränderte Aktivität des Hypothalamus, treten verschiedene Symptome wie das Gähnen auf, die eben auch bei Migränepatienten beobachtet werden können. So zeigten sich auch weitere dopaminerge Vorbotensymptome deutlich öfter bei den gähnenden Patienten (42 % versus 27 % der übrigen Patienten). Besonders war jeder 5. Patient ungewöhnlich schläfrig. Dagegen trat die Schläfrigkeit bei nur jedem 20. Patienten ohne Gähnen auf. Doppelt so viele der gähnenden Migränepatienten waren vor der Attacke reizbar oder ängstlich (jeder 5.), litten unter Übelkeit (jeder 10.) oder bemerkten deutliche Veränderungen im Appetit (jeder 5.). Zusammengenommen und nach Ausschluss anderer Erklärungen führten damit besonders Migränen mit Übelkeit und Aura am häufigsten zum verstärkten Gähnen.
Das Gähnen als ein häufig berichtetes Symptom der Migräne ist damit ein verlässlicher Vorbote speziell der Patientengruppe mit Aura und Übelkeit und lässt auf die veränderte Aktivität des Hypothalamus und das dopaminerge System schließen. Dieses System steht nun auch vermehrt im Fokus für die Entwicklung einer Therapie, die noch vor der Kopfschmerzphase eingreifen können soll. Schon jetzt kann aber das Gähnen oft frühzeitig signalisieren, dass eine Migräne beginnt. Gerade bei Übelkeit, die gerade gähnende Patienten häufiger betrifft, ist eine frühe Akutbehandlung sinnvoll – die Medikamente wirken schlechter bei Übelkeit und können teilweise auch nur noch schwer eingenommen werden. Die Daten zeigen aber, dass Migränepatienten sich durchaus auf ihren Vorboten verlassen können und somit eventuell früher und effektiver mit ihrer Akutmedikation die Migräne stoppen können.
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