CMDh bestätigt die PRAC-Empfehlung zum Ruhen der Zulassungen von Hydroxyethylstärke (HES)-haltigen Arzneimitteln
Datum 26.01.2018
Wirkstoff Hydroxyethylstärke
26.01.2018 – Standpunkt der CMDh
Die Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentrale Verfahren (CMDh) bestätigt die Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), die Zulassungen HES-haltiger Arzneimittel zur Infusion in Europa ruhen zu lassen. Diese Produkte werden als Plasma-Volumenersatzmittel nach akutem (plötzlichem) Blutverlust eingesetzt, sofern eine Behandlung mit Kristalloiden als nicht ausreichend angesehen wird.
Das Ruhen der Zulassungen erfolgt, da diese Arzneimittel trotz der in 2013 eingeführten Anwendungsbeschränkungen zur Reduzierung der Risiken von Nierenproblemen und tödlichen Verläufen weiterhin bei kritisch kranken Patienten und Patienten mit Sepsis (Blutvergiftung) angewendet werden.
Die Bewertung HES-haltiger Arzneimittel zur Infusion wurde vom PRAC durchgeführt, der die Ergebnisse von Studien zur Arzneimittelanwendung (sog. Drug Utilisation Studies) zusammen mit den derzeit verfügbaren Daten zum Nutzen und Risiko aus klinischen und nicht-interventionellen Studien sowie Rückmeldungen von Interessensvertretern und Experten bewertet hat. Der PRAC hat aus dieser Bewertung gefolgert, dass die in 2013 eingeführten Beschränkungen nicht ausreichend effektiv sind.
Der PRAC hat auch die Möglichkeit der Einführung zusätzlicher Maßnahmen zum Schutz der dem Risiko ausgesetzten Patienten untersucht, ist aber zu dem Schluss gekommen, dass solche Maßnahmen ineffektiv bzw. unzureichend wären.
Die CMDh hat nun der PRAC-Empfehlung zugestimmt, dass im Hinblick auf die schwerwiegenden Risiken, denen bestimmte Patienten ausgesetzt sind, die Zulassungen HES-haltiger Arzneimittel ruhen sollen. Alternative Behandlungsoptionen sind verfügbar.
Da die CMDh-Position per Mehrheitsentscheid angenommen wurde, wird die CMDh-Position nun zur Europäischen Kommission übersandt, die eine EU-weite rechtsverbindliche Entscheidung treffen wird.
Informationen für Patienten
- HES-haltige Infusionslösungen sind Ersatzlösungen, die an Patienten verabreicht werden, die Blut nach einer Verletzung oder einer Operation verloren haben.
- Die Zulassungen dieser Produkte sollen EU-weit ruhen, da Studien gezeigt haben, dass gewisse Patienten (zum Beispiel solche die kritisch krank sind oder eine Blutvergiftung haben) dem Risiko von Nierenproblemen und tödlichen Verläufen ausgesetzt sind. Es sind andere Behandlungsoptionen für die Therapie des Blutverlustes in der EU verfügbar.
- Das Ruhen der Zulassungen betrifft nicht die Anwendung von HES in klinischen Prüfungen, in denen die Auswahl der Patienten streng kontrolliert ist. Mitgliedstaaten, in denen derzeit Studien mit HES-haltigen Infusionslösungen durchgeführt werden, mögen die Art der Durchführung dieser Studien mit Blick auf die Ergebnisse dieser Bewertung überprüfen.
- Sollten Sie in eine klinische Studie mit HES-halten Arzneimitteln eingeschlossen sein und Fragen oder Bedenken hinsichtlich dieser Produkte haben, sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt, der Ihnen dieses Arzneimittel verabreicht.
Informationen für Angehörige der Heilberufe
- Die Zulassungen für HES-haltige Lösungen zur Infusion werden in der EU aufgrund des Risikos von Nierenschäden und tödlichen Verläufen bei bestimmten Patientenpopulationen, einschließlich kritisch kranker Patienten oder Patienten mit Sepsis, ruhen. Trotz Kontraindikationen, die 2013 eingeführt wurden, zeigen Studien zur Arzneimittelanwendung (sog. Drug Utilisation Studies), dass HES-haltige Infusionslösungen weiterhin bei diesen Patienten angewendet werden.
- Erfahrungen aus der klinischen Praxis deuten darauf hin, dass es schwierig ist eindeutig zwischen Patienten, die mit HES–haltigen Infusionslösungen behandelt werden können und denen, die nicht damit behandelt werden sollten zu unterscheiden. Darüber hinaus können einige Patienten während der Verabreichung des Produktes kritisch krank oder septisch werden.
- Da es unwahrscheinlich ist, dass weitere Maßnahmen zur Minimierung der Risiken ausreichend wirksam sind, werden die Zulassungen für HES-haltige Infusionslösungen ruhen, um die Gesundheit der Patienten zu schützen.
- Alternative therapeutische Optionen sind für die routinemäßige klinische Praxis verfügbar und sollten entsprechend den relevanten klinischen Richtlinien ausgewählt werden.
- Das Ruhen der Zulassung betrifft die Verwendung von HES-haltigen Lösungen zur Infusion in der klinischen Routine, wo festgestellt wurde, dass das Arzneimittel bei kontraindizierten Populationen verwendet wurde; es gilt nicht für ihre Verwendung in klinischen Studien, bei denen die Patientenauswahl streng kontrolliert wird. Mitgliedstaaten, in denen derzeit Studien mit HES-haltigen Infusionslösungen durchgeführt werden, mögen die Art der Durchführung dieser Studien mit Blick auf die Ergebnisse dieser Bewertung überprüfen.
- Derzeit laufen mehrere klinische Studien mit HES-haltigen Infusionslösungen. Dazu gehören zwei Studien, die zuvor vom PRAC bei Patienten mit Trauma und bei elektiven Operationen angeordnet wurden, bei denen es sich um Populationen handelt, für die die Produkte derzeit indiziert sind.
- Voraussetzung für eine Aufhebung des Ruhens der Zulassungen ist, dass die Zulassungsinhaber verlässliche und überzeugende Evidenzen für ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis in einer klar definierten Population mit realisierbaren und wirksamen Maßnahmen vorlegen, um die Exposition von Patienten mit einem erhöhten Risiko für schwere Schäden angemessen zu minimieren.
- Angehörige der Heilberufe werden schriftlich über das Ergebnis der Bewertung und das Ruhen der Zulassungen von HES-haltigen Infusionslösungen informiert.
Mehr über die Arzneimittel
HES-haltige Arzneimittel zur Infusion werden als Volumenersatzmittel eingesetzt und gehören zur Arzneimittelklasse der Kolloide. Es gibt zwei Hauptarten von Arzneimitteln, die als Volumenersatzmittel eingesetzt werden: Kristalloide und Kolloide. Kolloide enthalten große Moleküle wie Stärke, wohingegen Kristalloide wie Salzlösungen oder Ringerlösung kleinere Moleküle enthalten.
In der EU sind HES-haltige Arzneimittel zur Infusion im Rahmen nationaler Verfahren zugelassen worden und sind in den Mitgliedsstaaten unter verschiedenen Arzneimittelbezeichnungen verfügbar.
Mehr über das Verfahren
Die Bewertung HES-haltiger Arzneimittel wurde am 17. Oktober 2017 auf Ersuchen der schwedischen Arzneimittelbehörde als Art. 107i Verfahren der RL 2001/83/EG initiiert.
Die Bewertung wird vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC), der für die Bewertung sicherheitsrelevanter Angelegenheiten für Humanarzneimittel verantwortlich ist, durchgeführt und dieser wird einen Empfehlungskatalog abgeben. Da HES-haltige Arzneimittel alle national zugelassen sind, wird der PRAC die Empfehlungen an die Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentrale Verfahren (CMDh) weiterleiten, die eine Position verabschieden wird. Die CMDh ist eine Institution, die alle EU-Mitgliedsstaaten einschließlich Island, Lichtenstein und Norwegen repräsentiert. Sie ist verantwortlich für die Sicherstellung einheitlicher Sicherheitsstandards für alle Arzneimittel, die im Rahmen nationaler Verfahren in Europa zugelassen sind.
Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) abgerufen werden:
EMA starts new review of hydroxyethyl-starch containing medicines