Hirnblutungen schneller erkennen
Für seine Forschung zum Schlaganfall erhielt Prof. Christian Förch den mit 5.000 Euro dotierten Hans Georg Mertens-Preis 2018. Die neue diagnostische Methode könnte die Zeit bis zur Therapie künftig deutlich verkürzen.
Der Leitende Oberarzt der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Frankfurt hat einen Biomarker entdeckt, mit dessen Hilfe künftig schnell und einfach über eine Blutanalyse zwischen den zwei Hauptformen des Schlaganfalls unterschieden werden könnte: einer Hirnblutung und einem Hirninfarkt. Die beiden Erkrankungen rufen ähnliche klinische Symptome hervor, müssen aber unterschiedlich behandelt werden. Je früher man sie unterscheiden kann, desto eher kann man die richtigen Maßnahmen einleiten – wertvolle Zeit, um die Funktionsfähigkeit des Gehirns oder sogar das Leben des Patienten zu retten. Bisher ist die Unterscheidung nur mittels CT-Bildgebung nach Einlieferung des Patienten in ein Krankenhaus möglich, nicht jedoch im Notarztwagen.
„Herr Prof. Förch hat diesen Forschungspreis absolut verdient, weil die Erforschung dieses Biomarkers ganz wesentlich auf seiner Arbeit beruht – von der Entdeckung bis zur Validierung im Rahmen von Multicenter-Studien. Dieser Ansatz hat in der Diagnostik großes Potenzial“, erklärt Prof. Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Frankfurt.
Die Auszeichnung wurde auf der Arbeitstagung NeuroIntensivmedizin (ANIM) in Würzburg von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI) für innovative, therapierelevante Forschung in der Neurologischen Intensivmedizin und der Allgemeinen Neurologie vergeben.
Von der Entdeckung bis zur klinischen Entwicklung
Sowohl Hirnblutungen als auch Hirninfarkte können gravierende Folgen für das Gehirn haben. Allerdings müssen sie ganz unterschiedlich behandelt werden. Bei Hirninfarkten geht es darum, so schnell wie möglich festzustellen, wo genau im Gehirn der Schlaganfall entstanden ist, damit das verstopfte Blutgefäß möglichst rasch wieder eröffnet werden kann. Bei Patienten mit Hirnblutungen wiederum ist zu prüfen, ob der Blutdruck gesenkt werden muss oder ob Gerinnungs-stabilisierende Medikamente gegeben werden müssen. Doch wie lassen sich die beiden Diagnosen sicher unterscheiden? Mit dieser Frage hat sich Prof. Förch bereits als junger Assistenzarzt beschäftigt. Dabei hat er unter anderem GFAP (Abkürzung für glial fibrillary acidic protein) im Blut von Patienten mit Hirnblutungen und Hirninfarkten gemessen. GFAP ist ein Protein, das vor allem im Zentralnervensystem vorkommt. Es besitzt im Nervengewebe eine wichtige Funktion bei der Ausbildung des Zytoskeletts, einer Art Gerüst zur Stabilisierung der Zellarchitektur.
Bei seinen Messungen hat Prof. Förch festgestellt, dass der GFAP-Spiegel im Blut bei Patienten mit Hirnblutungen bereits in der Frühphase deutlich erhöht ist, während hohe Konzentrationen des Proteins bei Patienten mit Hirninfarkten erst später auftreten. Verantwortlich hierfür ist der unterschiedliche Ablauf der Zellschädigung. Bei der sich ins Gewebe vorwühlenden Hirnblutung werden Zellen rasch zerstört, sodass große Mengen an GFAP in kurzer Zeit freigesetzt werden. Die Zellschädigung beim Hirninfarkt hingegen beruht auf einer Mangeldurchblutung, die erst mit zeitlicher Verzögerung zum Zelltod mit nachfolgender GFAP-Freisetzung führt.
Prof. Förch hat diesen Zusammenhang erkannt und die Entdeckung patentieren lassen. Danach hat der Wissenschaftler in mehreren Multicenter-Studien nachgewiesen, dass sich dieser Biomarker zuverlässig für die Unterscheidung von Hirnblutungen und Hirninfarkten einsetzen lässt.
Schnelltest kann Leben retten
Damit diese Erkenntnis wirklich gewinnbringend für die Medizin eingesetzt werden kann, wird ein GFAP-Schnelltest im Blut benötigt. Der befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. „Der nächste Schritt ist nun die Evaluation des GFAP-Schnelltests in Bezug auf die Unterscheidung von Hirnblutung und Hirninfarkt. Diese ist bislang nur mit Hilfe von bildgebenden Verfahren im Krankenhaus möglich. Ein Blutschnelltest könnte erste Therapiemaßnahmen ermöglichen, noch bevor man im Krankhaus ankommt – kostbare Minuten für die Gesundheit unserer Patienten“, erläutert Prof. Förch.