Angriffsstellen für neue Wirkstoffe anders suchen: ERC Starting Grant für Anna Hirsch
HIPS-Wissenschaftlerin Anna Hirsch erhält ERC Starting Grant über 1,5 Millionen Euro, um innovative Methoden zur Identifikation von Zielstrukturen für Wirkstoffe zu etablieren
Die Medizinalchemikerin Prof. Anna Hirsch erhält einen ERC Starting Grant der Europäischen Union. Mit dieser Fördermaßnahme unterstützt der Europäische Forschungsrat (ERC) jedes Jahr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa. Hirsch und ihr Team untersuchen am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), Leitstrukturen für die Entwicklung neuer Anti-Infektiva und Antibiotika. Die Förderung für ihr Projekt „Identification and optimisation of novel anti-infective agents using multiple hit-identification strategies“ beläuft sich auf 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre. Die Forschungsarbeiten für das Projekt starteten Anfang Februar 2018 und könnten den Entwicklungsprozess neuer Wirkstoffe beschleunigen.
Viele bakterielle Infektionen sind mittlerweile schwer zu bekämpfen, weil die Keime Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben. Wirken diese wichtigen Arzneimittel nicht mehr, drohen lebensgefährliche Komplikationen. Ein wichtiges Ziel der Wirkstoffforschung ist es deshalb, neue Antibiotika zu entwickeln, gegen die die Bakterien noch keine Resistenzen besitzen. Durch die Sequenzierung ganzer Genome und die Analyse der dazugehörigen biologischen Information hat sich ein moderner Ansatz für die Arzneimittelforschung etabliert. Ausgangspunkt der Entwicklung eines neuen Wirkstoffs ist die Identifizierung eines Zielproteins – eines sogenannten „Drug Targets“, das eine Schlüsselfunktion in einer Krankheit einnimmt. Dann versuchen die Forscher, Substanzen zu identifizieren, die das Zielprotein so beeinflussen, dass die entsprechende Krankheit gelindert oder geheilt wird. Ein klassisches Beispiel ist die gezielte Hemmung eines Enzyms durch eine chemische Verbindung.
In diesem lebenswichtigen Spannungsfeld ist die Forschung der Medizinalchemikerin Anna Hirsch angesiedelt. Einer ihrer Schwerpunkte ist es, neue Leitstrukturen für kleine Moleküle zu entwickeln, die Krankheitserregern eine Infektion erschweren oder diese sogar unmöglich machen. Dabei steht immer ein strukturbasiertes Design der Moleküle für neue Medikamente im Vordergrund. Gelungen ist ihr dies schon für vielversprechende Hemmstoffe als Startpunkt für die Entwicklung neuer Anti-Infektiva, insbesondere Antimalariamittel und Antibiotika.
Immer wichtiger wird es, neuartige effektive Methoden zu entwickeln, um neue Leitstrukturen zu finden. Dafür erhält Hirsch jetzt eine fünfjährige Forschungsförderung über einen ERC Starting Grant von 1,5 Millionen Euro. „Wir werden uns besonders auf bisher wenig charakterisierte Angriffsstellen von Proteinen multiresistenter Bakterien – sogenannte unterexplorierte Targets – konzentrieren“, sagt Anna Hirsch. Dafür wird sie mit ihrem Team aus 18 Mitarbeitern bereits bestehende, aber auch innovative Techniken anders als üblich anwenden. Ziel ist es, neue Strukturklassen für die Entwicklung neuartiger Antibiotika gegen gramnegative Bakterien wie den Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa oder gegen grampositive Bakterien wie Mycobacterium tuberculosis oder Staphylococcus aureus zu entdecken.
Eine dieser innovativen Methoden ist die dynamisch-kombinatorische Chemie. „Neu daran ist, dass die Wirkstoffe nicht mehr als Ganzes, sondern als einzelne Bausteine synthetisiert werden und erst in situ, also im Reagenzglas, miteinander reagieren“, sagt Hirsch. Das Drug Target könne sich so den besten Hemmstoff aussuchen. Die Forscherin sieht in diesem neuen Ansatz viel Potenzial, um den Prozess der Wirkstoffentwicklung zu beschleunigen. Zudem dürfte er in den unterschiedlichsten medizinalchemischen Projekten Anwendung finden.
ERC Starting Grant:
Die ERC Starting Grants fördern vielversprechende Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen am Beginn einer unabhängigen Karriere, die eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen möchten. Mehr dazu unter: https://erc.europa.eu/funding/starting-grants
Über die Preisträgerin:
Anna Hirsch studierte Naturwissenschaften an der Universität von Cambridge (England) mit einem Schwerpunkt in Chemie. Sie promovierte zum Thema „A Novel Approach towards Antimalarials: Design and Synthesis of Inhibitors of the Kinase IspE“ unter Leitung von François Diederich an der ETH Zürich (Schweiz). Nach einem Aufenthalt als Postdoc in Strasbourg (Frankreich) unter der Leitung von Jean-Marie Lehn übernahm Anna Hirsch 2010 eine Stelle als Assistant Professor und 2015 als Associate Professor für Strukturbasierte Wirkstoffentwicklung an der Universität von Groningen (Niederlande). Seit 2017 leitet sie am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) die Abteilung „Wirkstoffdesign und Optimierung“. An der Saar-Uni und am HIPS wird Hirsch die Medizinische Chemie weiter vorantreiben mit dem Ziel, die internationale Sichtbarkeit auf dem Gebiet der Entwicklung neuer Anti-Infektiva und Hitidentifikationsmethoden weiter zu erhöhen. Anna Hirsch wurde mit folgenden Preisen geehrt: Gratama Science Award (2014), SCT-Servier Prize für Medizinalchemie (2016) und Innovationspreis für Medizinalchemie der GdCh/DPhG (2017).
Die Pressemitteilung und Bildmaterial finden Sie auch auf unserer Webseite unter dem Link https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/ansicht/article/complete/angriffsstellen_fuer_neue_wirkstoffe_anders_suchen_erc_starting_grant_fuer_anna_hirsch/.
Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland:
Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). Das Institut wurde im August 2009 vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) Braunschweig und der Universität des Saarlandes gegründet, mit dem Ziel, zur Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapieoptionen gegen Infektionskrankheiten beizutragen. Die Forscher am HIPS suchen nach neuen Wirkstoffen und verbessern diese für die Anwendung am Menschen. Zudem untersuchen sie, wie der Wirkstoff an seinen Bestimmungsort gelangt. Das HIPS gehört zum Standort Hannover-Braunschweig des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). www.helmholtz-hzi.de/hips
Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. Das HZI ist Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). www.helmholtz-hzi.de