Demenzvorbeugung: Unflexibilität der Blutgefäße spiegelt sich in der Denkleistung wieder
Original Titel:
Arterial stiffness and cognitive impairment.
Die Alterung bei uns Menschen ist eine Medaille mit zwei Seiten. Einerseits profitieren wir von jahrzehntelanger Erfahrung und in vielen Fällen auch von zunehmender Gelassenheit. Andererseits plagen einen mehr und mehr alterstypische Einschränkungen bis hin zum Verlust unserer kostbaren Erinnerungsfähigkeit. Das Validationsverfahren aus der Demenzpflege dreht sich darum, demente Personen so anzunehmen, wie sie sind, auf sie einzugehen und sie nicht in unsere Wahrnehmungs- und Denkwelt hineinzwingen zu wollen. Manche Verfechter dieses Verfahrens wollen die Methode weitergehend so verstanden wissen, dass man Demenzsymptome als altersgegeben hinnehmen sollte – Demenz nicht als Krankheit, sondern als Alterserscheinung betrachten, die nicht behandelt werden soll. Zwar ist es sicher sinnvoll, Demenzsymptome auch zu akzeptieren. Manche Symptome der Demenz, wie Aggression und Agitation, werden ja auch messbar besser, wenn die Patienten sich angenommen und persönlich angesprochen fühlen.
Jedoch gibt es nunmal auch Erkrankungen, die eine Demenz zur Folge haben oder sie verstärken können. Zu den Faktoren, die zu einer Demenzerkrankung führen können, gehört eventuell die Steifigkeit der Arterien. Generell weist eine veränderte Steifigkeit der Arterien auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch auf Störungen in der Gehirndurchblutung hin. Eine Anzahl von Studien hat einen Zusammenhang zwischen arterieller Gefäßsteifigkeit und Einschränkungen in der Denkleistung untersucht. Dr. Lyu vom Hebei General Hospital in China führte nun mit seinen Kollegen aus der Neurologie eine vergleichende Übersichtsstudie durch, um zu ermitteln, wie spezifische Eigenschaften der arteriellen Steife mit möglichen Denkleistungsstörungen zusammenhängen. Wäre es möglich, auf die Gefäßsteife einzuwirken und damit eine spätere Störung der Denkleistung zu verhindern?
Die Wissenschaftler durchsuchten die Forschungsdatenbank Pubmed nach Studien, die zum Thema arterielle Steife und Denkleistungsstörungen zwischen 2000 und 2017 veröffentlicht wurden. Dabei wurden Studien berücksichtigt, in denen Menschen über 30 Jahren untersucht wurden. Studien, die sich mit weiteren Erkrankungen wie Nierenschäden, Diabetes oder Herzerkrankungen beschäftigten, wurden aus der Analyse ausgeschlossen. Bei den Teilnehmern der Studien wurde neben dem einfachen Blutdruck auch das Verhältnis zwischen dem Blutdruck jeweils am Unterschenkel und am Oberarm, der Knöchel-Arm-Index, gemessen. Der sogenannte CAVI-Wert (cardio-ankle vascular index) wurde zusätzlich auf ähnliche Weise bestimmt, beinhaltet dabei aber noch weitere Messwerte und stellt eine vom Blutdruck unabhängige Messmethode für Arteriensteifigkeit dar. Die Studien maßen auch die sogenannte Pulswellengeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit der Druckwelle der Arterien, nicht der Blutströmung selbst. Weitere spezielle Messungen, die auf die Flexibilität der Arterienwände rückschließen lassen, sind der Augmentationsindex (wie stark der Blutdruck in den Arterien zu einem bestimmten Zeitpunkt ansteigt), die Arterienwanddicke der Halsschlagader (die mittels Ultraschall bestimmte Karotis-Intima-Media-Dicke) und der sogenannte arterielle Steifigkeitsindex.
Die Übersicht zeigte, dass Arteriensteifigkeit tatsächlich mit Störungen der Denkleistung zusammenhing. Speziell Werte in der Pulswellengeschwindigkeit, dem CAVI, dem Augmentationsindex, der Karotis-Intima-Media-Dicke und dem arteriellen Steifigkeitsindex waren dabei deutlich erhöht, wenn die Patienten auch in ihrer Denkleistung beeinträchtigt waren. Niedrige Werte im Knöchel-Arm-Index und der Blutfluss-vermittelten Gefäßausweitung (Vasodilatation) unterstützten diese Diagnose ebenso. Der Blutdruck dagegen schien nicht eindeutig Aussagen zur Denkleistung zu ermöglichen.
Wie kann sich der Mangel an Flexibilität bei Gefäßwänden auf die Gehirnleistung auswirken? Ein möglicher Mechanismus könnte die Stärke des Pulsierens der Arterie sein – je ausgeprägter die Arterien mit jedem Herzschlag pulsieren, desto eher können kleinste Blutgefäße im Gehirn beschädigt werden.
Wie kann man nun einer Arteriensteife begegnen? Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Lebensstiländerungen, die die Wissenschaftler als vorteilhaft für die Gefäße vorschlagen. Dazu gehören regelmäßiger Sport, eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Fisch (Omega-3) und ein gesundes Gewicht zu erreichen. Auch sollte auf wichtige Elemente wie Calcium und Vitamin D geachtet werden. Auch Rauchen schadet natürlich der Gefäßwandstruktur. Der Blutdruck sollte selbstverständlich gut eingestellt sein. Je besser der Arteriensteife vorgebeugt wird, desto eher könnten dadurch verursachte Beeinträchtigungen in der Denkleistung vermieden werden.
Arteriensteife kann also zur Vorhersage der Entwicklung einer Denkleistungsbeeinträchtigung herangezogen werden. Dieses Maß könnte damit auch klinisch verwendet werden, um frühzeitig erhöhte Risiken für eine Demenzerkrankung zu erkennen und durch Verbesserung von Lebensstil und Medikation abzumildern, eventuell abzuwenden oder auch den weiteren Krankheitsverlauf aufzuhalten. Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Störungen in der Gefäßflexibilität sind also durchaus anzuraten. Glücklicherweise tut sich also in der Demenz- und Alterungsforschung viel Neues. Wir müssen daher nicht auf das Erkennen behandelbarer Erkrankungen verzichten und unsere Alterung einfach so hinnehmen, wie sie kommt. Im Gegenteil, wir können sogar frühe Formen dieser Erkrankungen erahnen und ihnen manchmal gezielt vorbeugen.
Um zur zweiseitigen Medaille des Alterns zurückzukehren: nur ungern geben wir uns damit ab, dass eine Seite allmählich stumpf wird. Wenn dies aber nun mal geschieht, sind Akzeptanz und sich an den neuen Normalzustand anzupassen sicherlich der richtige Weg. Solange es aber möglich ist, darf die Medaille aber ruhig von beiden Seiten, so gut es eben geht, auf Glanz poliert werden.
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