Gerichtsmedizin Innsbruck untersucht Drogen im Abwasser
- Wissenschaftliche Studie zeigt: Innsbruck liegt beim Drogenkonsum im hinteren europäischen Mittelfeld
- Einjähriges Monitoring liefert Hinweis auf Anstieg bei Kokain und stabilen Verlauf bei Amphetamin, MDMA und Methamphetamin.
- Konsum von Stimulantien erfolgt bevorzugt an Wochenenden und vor Feiertagen
Das Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) ist Teil des europaweiten Netzwerkes SCORE, das in Zusammenarbeit mit der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht jährlich die Mengen der vier verbotenen Substanzen Kokain, MDMA (Ecstasy), Amphetamin und Methamphetamin in den Abwässern europäischer Städte untersucht. Nun liegen die Ergebnisse vor. Die Entwicklung in Innsbruck folgt dem europäischen Trend: Die nachgewiesene Menge an Kokain im Abwasser ist im Steigen.
Innsbruck, 07.03.2018: Das Wichtigste vorweg: Innsbruck zählt nicht zu den europäischen Drogenhauptstädten. Diese Rangliste wird zum wiederholten Mal von Antwerpen, Zürich und Barcelona angeführt. Innsbruck ist im Hinblick auf die im Abwasser nachgewiesenen Mengen von Kokain, Amphetamin, MDMA und Methamphetamin bestenfalls im Mittelfeld der 56 untersuchten Städte zu finden.
Dass in Innsbruck als bislang einziger Stadt Österreichs ein Abwasserdrogenmonitoring durchgeführt wird und damit Österreich in internationalen Berichten repräsentiert, liegt vorrangig an der Expertise der örtlichen Gerichtsmedizin. „Teilnehmende Labore müssen mit hoher Zuverlässigkeit geringste Spuren an Drogen im Abwasser nachweisen können. Es gelten entsprechend hohe Qualitätsstandards, die jährlich in einem eigenen Ringversuch übergeprüft werden“, erklärt Herbert Oberacher, Leiter des forensisch-toxikologischen Forschungslabors an der von Richard Scheithauer geführten Innsbrucker Gerichtsmedizin. An insgesamt 150 Tagen zwischen März 2016 und Jänner 2018 wurde in Innsbrucks Abwasser der Gehalt an Drogen bestimmt. Mengenmäßig am meisten wurde dabei Kokain, gefolgt von MDMA und Amphetamin sowie Methamphetamin gefunden. Besonders erfreulich ist der Umstand, dass das als besonders gefährlich geltende Methamphetamin nur in sehr geringen Mengen vorhanden ist.
Mehr und reineres Kokain
Tirols Landeshauptstadt folgt dem generellen europäischen Trend, wonach die Menge des im Abwasser nachgewiesenen Kokains im Steigen begriffen ist. Für den beobachteten Anstieg dürfte ausschlaggebend sein, dass nicht nur mehr, sondern auch reineres Kokain am Markt vorhanden ist. Letztere Information basiert auf der statistischen Auswertung der Zusammensetzung von 190 Kokainproben, die im Rahmen eines vom Land Tirol geförderten und in Kooperation mit MDA basecamp durchgeführten Drug Checking Programms in den letzten drei Jahren zur chemischen Analyse an die GMI gebracht wurden. „Untermauert wird diese These auch durch Berichte des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, wonach in Kolumbien seit 2013 die Anbauflächen des Kokastrauchs und damit die Produktionsmengen an Kokain jährlich um rund 30 Prozent steigen“, weiß der Leiter der Innsbrucker Gerichtsmedizin, Richard Scheithauer.
Die im Untersuchungszeitraum nachgewiesenen Mengen an Amphetamin, MDMA und Methamphetamin zeigen einen stabilen Verlauf. Auffällig ist, dass vor allem MDMA bevorzugt an Wochenenden und vor Feiertagen konsumiert werden.
Laut Michael Willis, vormals Suchtexperte an der Universitätsklinik für Psychiatrie I und seit Jänner 2018 Leiter des Vorarlberger Kompetenz- und Behandlungszentrums für Suchterkrankungen Maria Ebene in Frastanz unterstreichen diese Ergebnisse die Validität der Untersuchungen: „Ecstasy ist eine Partydroge und wird primär an Wochenenden konsumiert, wogegen Amphetamin und Kokain einerseits im Rahmen einer Abhängigkeit täglich, andererseits aufgrund ihrer leistungssteigernden Wirkung auch im Berufsleben und damit auch an Arbeitstagen unter der Woche konsumiert werden“.
Mehrwert für gezielte Drogenpolitik
„Durch kontinuierliches Monitoring des Abwassers lassen sich einfach, kostengünstig, schnell, zeitnah und mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung Trends und Entwicklungen am Drogenmarkt erkennen“, fasst Herbert Oberacher die Vorteile der Abwasseranalyse zusammen. Durch ein umfangreiches und langfristiges Monitoring kann ein Überblick über die Drogensituation in einer Stadt, einer Region, einem Land oder einem ganzen Kontinent geliefert werden, der politischen Entscheidungsträgern als Grundlage für entsprechende Maßnahmen in der Drogenpolitik dienen kann. „Die Erfahrungen, die wir mit dem Monitoring in Innsbruck gesammelt haben, zeigen, welch großes Potenzial in der Methode steckt. Daher hoffen wir, das Monitoring auch auf andere österreichische Städte ausweiten zu können. Erste vielversprechende Gespräche dazu haben bereits stattgefunden“, so Oberacher.
Aktuelle Ergebnisse im Detail: http://www.emcdda.europa.eu/activities/wastewater-analysis
Pressebild zum Herunterladen: https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2018/17.html
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.400* MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
*vollzeitäquivalent