Leukämie-Patienten profitieren bei Transplantation von weniger intensiver Vorbehandlung
Stammzelltransplantation: Über zehn Jahre angelegte Nachbeobachtung von schonendem Therapieschema bestätigt Effektivität von geringer dosierter Vorbehandlung
Erwachsene Patienten mit akuter myeloischer Leukämie – der häufigsten akuten Blutkrebsart – profitieren von einem federführend vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden sowie dem Uniklinikum Münster entwickelten schonenden Behandlungsschema zur Vorbereitung der Stammzelltransplantation: Die dazu erforderliche Ganzkörperbestrahlung und Chemotherapie werden niedriger dosiert. Dank der geringeren Intensität treten bei gleicher Wirksamkeit weniger bedrohliche Nebenwirkungen auf, so dass nur halb so viele Patienten innerhalb des – bislang besonders kritischen – ersten Jahres an Therapiefolgen sterben. Auch das Risiko, einen Rückfall zu erleiden, erhöht sich bei diesem Behandlungsschema nicht. Nachdem eine erste multizentrische Studie zu diesem Schema 2012 publiziert wurde, folgte im Anschluss eine Langzeitanalyse der in diese Studie eingeschlossenen Patienten. Die dabei gewonnenen Daten belegen die Effektivität der geringer dosierten Vorbehandlung: Sie ist langfristig effektiv und führt zu keinem erhöhten Anstieg von Leukämierückfällen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben die Wissenschaftler in der online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „‚Lancet Haematology“ veröffentlicht (doi.org/10.1016/S2352-3026(18)30022-X).
Die Transplantation von Blutstammzellen ist in manchen Fällen die einzige Behandlungsmethode zur Heilung von Patienten mit akuter Leukämie (Blutkrebs). In der ersten Studie weltweit konnte das Team um Prof. Martin Bornhäuser, Prof. Gerhard Ehninger und Prof. Johannes Schetelig aus der Medizinischen Klinik I des Dresdner Uniklinikums bereits 2012 zeigen, dass sich Nebenwirkungen und Frühsterblichkeit nach Transplantation durch eine optimierte Vorbehandlung mit weniger intensiver Chemo- sowie Strahlentherapie deutlich reduziert lässt. In einer Langzeitanalyse dieser multizentrischen Studie konnte Dr. Frederick Fasslrinner nun belegen, dass auch nach zehn Jahren nachweisbar ist, dass die Effektivität der geringer dosierten Vorbehandlung auch langfristig bestehen bleibt. Im Beobachtungszeitraum von 10 Jahren ließ sich keine erhöhte Zahl an Leukämierückfällen feststellen. – Demnach scheint das Immunsystem des Spenders langfristig in der Lage zu sein, die Leukämiezellen zu verdrängen. Diese für Patienten und Behandler sehr wichtige Beobachtung konnte vom Team der Medizinischen Klinik I gemeinsam mit mehreren deutschen Behandlungszentren in der renommierten Fachzeitschrift ‚Lancet Haematology‘ veröffentlicht werden. „Diese Arbeit stellt einen wichtigen Meilenstein in der Verbesserung der Behandlungsergebnisse nach Stammzelltransplantation dar“, sagen die beiden Direktoren der Medizinischen Klinik I des Dresdner Uniklinikums, Prof. Bornhäuser und Prof. Ehninger.
In der 2012 publizierten Studie hatten die Mediziner eine bis dahin übliche intensive Vorbehandlung – Konditionierung – von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie auf die Knochenmarktransplantation einer weniger intensiven Vorbehandlung gegenübergestellt. Besonders für die älteren, an dieser speziellen Form von Blutkrebs erkrankten Patienten zeigte sich ein deutlicher Vorteil in der Frühphase der Therapie. „Dank der geringeren Nebenwirkungen versterben im ‚kritischen ersten Jahr‘ weniger als 10 Prozent der Patienten an Therapiefolgen – statt nahezu 20 Prozent nach der bisher üblichen intensiven Vorbehandlung“, betont Prof. Bornhäuser, der als Hämatologe auf Erkrankungen des blutbildenden Systems spezialisiert ist. Zusammen mit Prof. Matthias Stelljes aus Münster hatte er die Studie vom Universitätsklinikum Dresden aus koordiniert. Eines der wichtigsten Ergebnisse war bereits damals: „Die Langzeit-Rückfallrate – das heißt die Zahl der Patienten, bei denen die Leukämie trotz der Behandlung zurückkehrte – hat sich durch die schonende Konditionierung nicht erhöht.“ Dieses 2012 gezogene Resümee wird durch die jetzt im „‚Lancet Haematology“ veröffentlichte Nachbeobachtung bestätigt.
In Deutschland erkranken pro Jahr rund 10.000 Menschen an Leukämie – im Volksmund auch Blutkrebs genannt. Davon gibt es verschiedene Unterformen; gut ein Drittel der Patienten sind von der akuten myeloischen Leukämie betroffen. Sie gilt als häufigste Form des akuten Blutkrebses bei Erwachsenen. „Die Stammzellen des blutbildenden Systems arbeiten nicht mehr richtig. Sie überschwemmen das Blut mit unreifen und daher funktionsunfähigen weißen Blutkörperchen“, erläutert Prof. Bornhäuser. Die Betroffenen leiden zunächst unspezifisch unter ständiger Müdigkeit, sinkender Leistungsfähigkeit und häufigen schweren Infekten. Die überwiegende Anzahl ist älter als 60 Jahre, vereinzelt erkranken aber auch Kinder. „Seit der Einführung der Stammzelltherapie hat sich die Überlebenschance auch für ältere Patienten deutlich verbessert: Dabei werden gesunde Blut-Stammzellen von einem Spender auf den Patienten übertragen. Allerdings starben vergleichsweise viele Patienten in der Frühphase der Behandlung – offenbar eine Folge der hochdosierten Konditionierung“, so Prof. Bornhäuser weiter.
Denn ehe die Patienten die neuen Blutstammzellen erhalten, muss ihr eigenes blutbildendes System zunächst zerstört werden – meist durch eine Kombination von Chemo- und Strahlentherapie. „Die Experten gingen früher davon aus, dass die intensive Vorbehandlung erforderlich ist, um die bösartigen Blutstammzellen so weit als möglich abzutöten und somit eine gute Basis für eine dauerhafte Heilung zu schaffen. Wir hatten aber zunehmend Hinweise darauf gefunden, dass Menschen über 40 Jahre sehr viel empfindlicher auf diese intensive Therapie reagieren als Jüngere“, schildert Prof. Bornhäuser den Ausgangspunkt der 2012 publizierten Studie.
Neuer Therapiestandard verbessert Lebensqualität
Dies bestätigen die Studien der Dresdner Hämatologen jetzt eindrucksvoll bestätigt: „Bei der weniger intensiven Konditionierung starb kein einziger Patient während des ersten Krankenhausaufenthaltes – bei hoher Dosierung aber bereits fast jeder Zehnte“, schildert Prof. Bornhäuser. Ein Jahr nach Behandlungsbeginn waren nur 8 Prozent der Patienten im neuen Schema, aber 17 Prozent mit hochdosierter Vorbehandlung verstorben. „Dank der geringeren Nebenwirkungsrate reduziert das neue Behandlungsschema die frühe Sterblichkeit unserer Patienten und kann zusätzlich zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen – und das bei den gleichen Heilungschancen“, resümiert Prof. Bornhäuser. Das in Spezialkliniken vorgenommene, besser verträgliche Behandlungsverfahren hat sich auf Grund der Ergebnisse dieser weltweit ersten randomisierten Studie inzwischen als Standard für Patienten mit akuter myeloischer Leukämie etabliert.
Link zur online-Publikation http://www.thelancet.com/journals/lanhae/article/PIIS2352-3026(18)30022-X