Neue Leitlinie für die Diagnose und Behandlung von Asthma
Original Titel:
S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma.
Asthma gilt als Volkskrankheit, denn mit etwa sechs Millionen Patienten in Deutschland ist Asthma eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in der Bundesrepublik. Die deutsche Leitlinie, welche auf wissenschaftlichen Ergebnissen basiert, legt fest, wie die Erkrankung festgestellt und behandelt werden sollte. Diese Leitlinie wurde nun im Dezember 2017, nach über zehn Jahren, aktualisiert und enthält daher auch neue, evidenzbasierte Entwicklungen.
Mehr Spielraum für individuelle Behandlung
Die neue Leitlinie greift die Vielseitigkeit von Asthma auf. Bei jedem äußert sich die Erkrankung etwas anders. Daher bietet die neue Leitlinie einen gewissen Spielraum, um die Behandlung besser individuell auf den Patienten abzustimmen. Üblicherweise unterschied man bisher vor allem zwischen zwei Asthma-Typen: dem nicht allergischen und dem allergischen Asthma. Dabei spielt das Vorhandensein von Immunglobulin E eine wichtige Rolle. Dieser Antikörper ist an der Vermittlung von allergischen Reaktionen beteiligt. Die neue Leitlinie weist darauf hin, dass noch nicht ganz klar sei, ob dabei die Stoffe, auf die ein Patient allergisch reagiert, die Asthma-Erkrankung auslösen oder verschlimmern. Außerdem bedeute es nicht, dass wenn sich kein Immunglobulin E nachweisen lässt, auch keine allergische Reaktion am Asthma beteiligt ist.
Inzwischen werden außerdem weitere klinisch relevante Untergruppen diskutiert, die sich durch die Konzentration bestimmter Botenstoffe und Immunzellen, die Zytokine und Eosinophile, auszuzeichnen scheinen. Sowohl Zytokine als auch Eosinophile spielen eine wichtige Rolle bei den dauerhaften Entzündungen der Atemwege, die dem Asthma unterliegen.
Fokus auf Asthmakontrolle statt Schweregrad
Neu ist auch, dass die Behandlung mit Medikamenten sich nun nicht mehr am klassischen Schweregrad des Asthmas orientiert, sondern an der Asthmakontrolle. Auch damit soll die Behandlung besser auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten eingehen. Die Einstufung in die klassischen Schweregrade erfolgt heute nur noch vor Beginn der Behandlung, wenn das Asthma neu diagnostiziert wurde. Aber auch dann ist die Schwere der Erkrankung nicht in Stein gemeißelt, betont die Leitlinie. Man unterscheidet nun zwischen kontrolliertem, teilweise kontrolliertem und unkontrolliertem Asthma. Dabei ist ausschlaggebend, wie oft Patienten Beschwerden haben oder ihre Bedarfsmedikamente benötigen bzw. im Alltag durch ihr Asthma eingeschränkt werden. Kommt es häufiger zu Asthmaanfällen, muss das also nicht gleich bedeuten, dass man schweres Asthma hat. In der Leitlinie wird darauf hingewiesen, dass dies auch bei einer fehlenden oder nicht ausreichenden Asthmatherapie, nicht konsequenter Anwendung der Basistherapie oder einem ständigen Kontakt zu Allergenen oder anderen Auslösern der Fall sein könne.
Hauptziel: Mit möglich wenig Medikamenten das Asthma kontrollieren
Die Behandlung mit Medikamenten ist weiterhin sowohl für Kinder als auch Erwachsene in einen Stufenplan mit jeweils fünf Stufen gegliedert. Das Ziel ist es dabei, dass der Patient so gut eingestellt ist, dass er mit so wenig Medikamenten wie möglich in möglichst niedriger Dosierung sein Asthma unter Kontrolle hat.
Für den Beginn einer Asthma-Therapie gibt es für Erwachsene zwei Optionen in der Leitlinie: „Step up“ oder „Step down“, also entweder mit einer niedrigeren Therapiestufe beginnen und die Medikation, wenn nötig, nach oben korrigieren, oder aber mit einer höheren Therapiestufe zu beginnen, als der vermutete Schweregrad vorgibt. So soll möglichst schnell eine Asthma-Kontrolle erreicht werden und auf Nummer sicher gegangen werden. Von da aus kann dann die Medikation so weit runterdosiert werden, wie noch nötig ist für eine gute Asthmakontrolle.
Bei Kindern soll laut der Leitlinie grundsätzlich im Step-up-Verfahren vorgegangen werden. Gerade inhalatives Kortison sollte am Anfang einer Asthmatherapie in niedrigen Dosierungen angewendet werden.
Bei dem inhalativen Kortison handelt es sich um Wirkstoffe aus der Gruppe der Glukokortikoide. Sie helfen gegen die Entzündungen der Atemwege und verringern so die übersteigerte Empfindlichkeit und die Verengung der Atemwege. Wird die Entzündung in den Atemwegen nicht oder nicht ausreichend behandelt, kann es passieren, dass die Verengung der Atemwege dauerhaft bestehen bleibt und mit ihr auch die Symptome. Auch ist dann ein schnellerer Funktionsverlust der Lunge möglich. In der Leitlinie heißt es weiter, dass die Abnahme der Todesfälle durch Asthma in Deutschland vor allem auf die Anwendung von diesen Glukokortikoiden in der Asthmatherapie zurückzuführen ist.
Daher wird inhalatives Kortison sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern bereits ab der ersten Therapiestufe vorgeschlagen, hier besteht aber noch die Möglichkeit, auf inhalatives Kortison zu verzichten. Bei der zweiten Therapiestufe ist inhalatives Kortison dann bereits Pflicht. Bei beiden Stufen können Patienten akute Atemnot mit einem Bedarfsmedikament lindern, dass einen Wirkstoff aus der Gruppe der schnellwirksamen Beta-2-Sympatomimetika (SABA) enthält. Diese Reliver erleichtern das Atmen.
Antikörper bei schwerem Asthma
Für Erwachsene kommt ab Stufe vier zusätzlich die Anwendung von Tiotropium in Frage. Der Wirkstoff soll auch bei Stufe fünf zusätzlich eingesetzt werden, außerdem sollte die Behandlung mit Biologika in Erwägung gezogen werden. Dabei handelt es sich um Antikörper, die sich gegen bestimmte Botenstoffe oder das Immunglobulin E richten und die Mechanismen der Entzündungsreaktion der Atemwege so blockieren, dass die Entzündung gemildert wird. Hier gibt es inzwischen mehrere Wirkstoffe, die in Frage kommen. Ist der Einsatz von Biologika nicht möglich oder spricht der Patient nicht darauf an, kann auch Kortison als systemische Therapie zum Einsatz kommen. Aufgrund der Gefahr von schweren Nebenwirkungen, wenn das Kortison systemisch angewandt wird, sollten alle anderen Therapiemöglichkeiten zunächst ausgeschöpft werden. Der Wirkstoff Theophyllin ist im Stufenplan der neuen Leitlinie nicht mehr enthalten.
Bei Erwachsenen sollte die Therapie angepasst werden, wenn zweimal pro Woche Beschwerden auftraten oder das Bedarfsmedikament zweimal benötigt wurde. Auch Einschränkungen im Alltag oder Beschwerden, die nachts auftreten, sind Gründe für eine Intensivierung der Behandlung. Daher sind regelmäßige Kontrollen, bei denen der Gesundheitszustand und die Symptomkontrolle überprüft werden, wichtig. Bei guter Asthmakontrolle, die über mindestens drei Monate hin stabil ist, kommt in Betracht, die Medikamente zu reduzieren.
Korrekte Anwendung ist das A und O
Ebenfalls sollte die richtige Inhalationstechnik regelmäßig überprüft werden. Häufig ist bei unkontrolliertem Asthma die richtige Anwendung der Medikamente ein Problem. Deswegen geht die neue Leitlinie ausführlich darauf ein. Ärzte und Apotheker sollen den Patienten genau erklären und zeigen, wie Inhalatoren angewendet werden. Auch die richtige Inhalationstechnik sollen sie demonstrieren und sich davon überzeugen, dass der Patient die richtige Anwendung beherrscht. Bei einem Wechsel des Inhalationssystems ist auch eine neue Einweisung in die Handhabung nötig.
Nichtmedikamentöse Therapie genauso wichtig
Eine Maßnahme, die dabei helfen kann, ist auch die Teilnahme an einer Patientenschulung. Die neue Asthma-Leitlinie betont auch die Wichtigkeit von solchen nicht medikamentösen Therapien. Dazu gehören auch Physiotherapie und Rehabilitation sowie der Umgang mit Begleiterkrankungen von Asthma wie Allergien oder Schlafstörungen. Außerdem enthält sie Empfehlungen zur Behandlung von beruflich bedingtem Asthma und dem Krankheitsmanagement in der Schwangerschaft.
Bei Patienten, die unter allergischem Asthma leiden, kommt gegebenfalls auch eine spezifische Immuntherapie infrage, die als Tablette oder Spritze verabreicht werden kann, je nach Allergen. Sie ist eine weitere Therapieoption, die aber eine entsprechende Asthmatherapie und die Vermeidung des allergieauslösenden Stoffes nicht ersetzen könne, betont die Leitlinie.
Die neuen Asthmaleitlinie greift also die wissenschaftliche Entwicklung der letzten Jahre auf und gibt mehr Spielraum, um die Asthma-Therapie mit Medikamenten besser an die Symptome und Bedürfnisse der Patienten anzupassen. Daher richtet sich die Therapie nun auch stärker nach der Symptomkontrolle als nach dem diagnostizierten Schweregrad. Der Wirkstoff Theophyllin wird nicht mehr empfohlen. Auch die Bedeutung von nichtmedikamentösen Asthma-Therapien mit nachweislichem Effekt betont die aktuelle Leitlinie. Die Patientenleitlinie, die speziell für Patienten verfasst ist, befindet sich aktuell ebenfalls in der Überarbeitung, um die neuen Erkenntnisse und Vorgaben aufzugreifen. Die bisherige Version zur Orientierung sowie eine Übersicht zum Thema „Asthmatherapie“ finden Sie bei uns im Portal.
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Referenz:
Buhl R et al. S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma. Pneumologie 2017; 71: 849–919 Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 3 2018 „Neue Asthma-Leitlinie – Stufenplan mit Spielraum“ Pressetext zur Pressekonferenz der Deutschen Atemwegsliga vom 15. März 2018 im rahmen des 59. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Dresden