Studie zur Krebsprävention: Verwandte von Krebspatienten wollen gesünder leben
Viele Krebserkrankungen – wie auch andere chronische Erkrankungen – sind die Folge eines ungesunden Lebensstils und somit vermeidbar. Doch aus einer jahrelangen Routine auszubrechen und das Verhalten auch langfristig zu ändern, stellt eine enorme Herausforderung dar. Eine Änderungsbereitschaft ergibt sich oftmals erst dann, wenn bestimmte Ereignisse eintreten, die zum Nachdenken über die eigene Gesundheit anregen. Auch das Auftreten von Krebserkrankungen in der Familie könnte so ein Ereignis darstellen – und damit zur Krebsprävention genutzt werden. Dies legen die Ergebnisse einer Studie nahe, die unter der Leitung von Ulrike Haug, Professorin für Klinische Epidemiologie und Pharmakoepidemiologie an der Universität Bremen und Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS, durchgeführt wurde.
„Verwandte von Krebspatienten zeigten sich besonders motiviert, mit dem Rauchen aufzuhören, mehr Sport zu treiben, mehr Obst und Gemüse zu essen und weniger Alkohol zu trinken – vor allem diejenigen, die sich ihres erhöhten Krebsrisikos bewusst waren“, sagt Ulrike Haug. „Daraus ergibt sich ein großes Potenzial für die Präventionsberatung, das zum Beispiel durch Ärzte genutzt werden kann, um diesen Personen zu einem gesünderen Lebensstil zu verhelfen. Gerade bei nahen Verwandten von Krebspatienten ist Krebsprävention besonders wichtig, da unter anderem aufgrund genetischer Faktoren ihr Risiko erhöht ist, selbst an Krebs zu erkranken.“
Im Rahmen der Studie wurden rund 1.000 Personen aus Deutschland online befragt, darunter 700 Personen mit einem oder mehreren erstgradigen Verwandten (Kinder, Geschwister, Eltern), die an Krebs erkrankt sind, und – als Kontrollen – 300 Personen ohne derartige Erkrankungen im nahen Familienumfeld. Die in der Studie berücksichtigten Krebsarten waren Darm-, Lungen-, Prostata-, Brust-, Magen-, Gebärmutter- und Gebärmutterhalskrebs.
Abgefragt wurden unter anderem Informationen zum persönlichen Lebensstil (Rauchen, körperliche Aktivität, Alkoholkonsum, Fleisch- und Obstkonsum). Darüber hinaus sollten die Teilnehmer anhand einer mehrstufigen Skala angeben, wie sie ihr eigenes Krebsrisiko einschätzen sowie für jeden Lebensstilfaktor ihre Bereitschaft beschreiben, etwas daran zu verändern.
„In der Auswertung zeigten sich deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung des eigenen Krebsrisikos zwischen beiden Gruppen“, sagt Ulrike Haug. So schätzten lediglich 4 % der Befragten ohne Krebsfall in der näheren Verwandtschaft ihr Krebsrisiko als erhöht ein, während es bei den Personen mit Krebs in der Familie 22 % waren. Zudem gab es bei der Risikoeinschätzung je nach Krebsart deutliche Unterschiede. So gingen bei Darmkrebs in der Familie 18 % und bei Magenkrebs sogar 30 % der Befragten von einem erhöhten eigenen Risiko aus.
Personen mit einer erhöhten Risikowahrnehmung zeigten darüber hinaus eine deutlich höhere Bereitschaft, bestimmte Lebensstilfaktoren zu ändern. So waren 64 % der befragten Raucher mit erhöhter Risikowahrnehmung bereit, das Rauchen aufzugeben – gegenüber 46 % bei Rauchern, die ihr Krebsrisiko als niedrig einschätzten. Ähnliche Verhältnisse zeigten sich bei der Motivation, mehr Sport zu treiben (65 vs. 50 %), mehr Obst und Gemüse zu essen (77 vs. 56 %) und weniger Alkohol zu konsumieren (44 vs. 26 %).
Das Fazit von Ulrike Haug ist eindeutig. „Das Potenzial, Maßnahmen zur Krebsprävention bei Verwandten von Krebspatienten wirksam umzusetzen, sollte ausgeschöpft und weiter erforscht werden. Die Grundlage einer effektiven und erfolgreichen Krebsprävention ist die Risikowahrnehmung. Sie ist die Keimzelle für die Bereitschaft auch tatsächlich etwas am eigenen Risikoverhalten ändern zu wollen. Beides ist bei Menschen mit an Krebs erkrankten nahen Verwandten deutlich stärker gegeben als bei Personen, denen dieses Schicksal bislang erspart geblieben ist. Angesichts der Tatsache, dass bei den Betroffenen auch aus medizinischer Sicht ein tatsächliches erhöhtes Krebsrisiko besteht, sollten neben allgemeinen Angeboten auch Präventionsprogramme ganz speziell für diese Gruppe entwickelt und auf diese abgestimmt werden. Denn die Betroffenen – so zeigt es unsere Studie – sind absolut offen dafür.“
Die Originalpublikation „First-degree relatives of cancer patients: A target group for primary prevention? A cross-sectional study” ist erschienen in: British Journal of Cancer (2018 Mar 21; doi: 10.1038/s41416-018-0057-2).
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