Der Ton macht die Musik – Eine Umformulierung der Frage nach der Therapietreue erleichtert den Patienten, von dieser zu berichten
Original Titel:
Re-phrasing the question: A simple tool for evaluation of adherence to therapy in patients with inflammatory bowel disease.
Da es sich bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa um chronische Erkrankungen handelt, müssen die Betroffenen ständig Medikamente einnehmen. Dies ist wichtig, um die Symptome zu reduzieren und erneute Krankheitsschübe hinauszuzögern oder sogar zu verhindern. Viele Patienten mit chronischen Darmentzündungen halten sich jedoch nicht an den Therapieplan und nehmen ihre Medikamente nicht wie empfohlen ein. Dies kann den Krankheitsverlauf drastisch verschlechtern. Oft wird dieses Problem jedoch übersehen oder nicht genug Bedeutung beigemessen. Viele Patienten machen diesbezüglich auch falsche Angaben, was nicht unbedingt willentlich geschieht, sondern einfach der Tatsache geschuldet ist, dass sie sich nicht bewusst sind, dass sie die Medikamente falsch einnehmen oder es schlicht vergessen haben, dass es zu Einnahmefehlern gekommen ist.
Ein Forscherteam der Universität in Tel Aviv (Israel) suchte nach einer Möglichkeit, wie mehr Patienten, die sich nicht an den Therapieplan halten, identifiziert werden können, damit die Möglichkeit besteht, diesen Einnahmefehlern entgegenzuwirken. Ein einfacher Ansatzpunkt war dabei, die Frage, die der Arzt seinem Patienten bezüglich seiner Therapietreue standardmäßig stellt, umzuformulieren. Die Frage „nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig wie vorgeschrieben ein“ sollte hierbei zu „wie oft passiert es, dass Sie eine Medikamentendosis auslassen“ geändert werden. Um zu testen, ob die Formulierung der Frage tatsächlich einen Einfluss auf die Identifikation von Patienten, die sich nicht an den Therapieplan halten, hat, wurde 165 Patienten mit chronischen Darmentzündungen (29,7 % litten an Colitis ulcerosa, 62,4 % an Morbus Crohn und 7,9 % konnten nicht klassifiziert werden) ein Fragebogen vorgelegt. Dieser enthielt detaillierte Fragen über ihren Krankheitsverlauf, über deren Behandlung und darüber, wie sie ihre Erkrankung wahrnehmen. Außerdem wurden die Patienten in dem Fragebogen an zwei verschiedenen Stellen zu ihrer Therapietreue befragt. Einmal durch die Standardfrage „nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig wie vorgeschrieben ein“ und einmal mit den Worten „wie oft passiert es, dass Sie eine Medikamentendosis auslassen“. Interessanterweise antworteten viele Patienten auf diese beiden Fragen unterschiedlich. So berichteten sie häufiger (30,3 %) von ihrer Therapieuntreue (definiert als Einnahme von weniger als 80 % der vorgeschriebenen Medikamentendosis) im vergangenen Monat, wenn sie mit der umformulierten, verständnisvolleren Frage konfrontiert wurden, als wenn sie die direkte Standardfrage gestellt bekommen haben (6,1 %). Das bedeutet, dass durch die Standardfrage nur 20 % der Leute identifiziert wurden, die sich nicht an den Therapieplan hielten. Das Forscherteam untersuchte zusätzlich die Gründe, die dazu führten, dass die Patienten ihre Medikamente nicht wie vom Arzt empfohlen einnahmen. Sie fanden heraus, dass der Hauptgrund (20,5 %) war, dass die Patienten skeptisch waren, ob die Medikamenten überhaupt wirksam und sicher waren. Ein weiterer wichtiger Grund, den 15 % der Patienten, die nicht therapietreu waren, angaben, waren Wochenenden und Ferien. 13,5 % der Patienten gaben an, dass sie Probleme mit dem Rezept oder der Apotheke hatten, was dazu führte, dass sie die Medikamente nicht vorschriftsmäßig einnahmen. Außerdem gaben 10 % der Patienten an, dass sie die Medikamenteneinnahme schlicht und ergreifend ab und zu vergessen hatten. Einzelne soziale und klinische Faktoren oder spezielle Lebensumstände, die mit der Therapieuntreue in Verbindung stehen, konnten nicht gefunden werden. Jedoch gab es einen Zusammenhang zwischen der Therapietreue und den verschriebenen Medikamenten. Patienten, die Biologika (Infliximab, Adalimumab, Vedolizumab) bekamen, und die, die mehrere Medikamente kombinierten (Biologika und Immunmodulatoren), hatten ein größeres Risiko, therapieuntreu zu werden. Besonders deutlich war das erhöhte Risiko mit 66 % bei Infliximab. Die Anwendung von Komplementärmedizin, wie Akupunktur oder Nahrungsergänzung durch Curcumin, führte hingegen nicht dazu, dass die Patienten die Medikamenteneinnahme vernachlässigten.
Patienten halten sich viel häufiger nicht an den Therapieplan als sie angeben. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Wenn Patienten mit einer chronischen Darmentzündung durch den Arzt auf eine andere Weise gefragt werden, nämlich indem sie danach gefragt werden, wie häufig es vorkommt, dass sie ihre Medikamente nicht nehmen, anstatt, ob sie diese so einnehmen wie sie sollten, berichten sie häufiger davon, dass sie ihre Medikamente nicht richtig einnehmen. Dies ist wichtig, um ihre Erkrankung optimal behandeln zu können. Patienten sollten keine Scheu haben, ihrem Arzt zu erzählen, dass sie nicht wie vorgeschrieben ihre Medikamente nehmen, denn nur wenn der Arzt Bescheid weiß, kann er angemessen auf ihre Symptome eingehen, sie beraten und einen optimalen Therapieplan erstellen.
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