Auftakt für weltweit einzigartiges Präventionsprogramm: Ein erhöhtes Typ-1-Diabetes-Risiko früh erkennen und vorbeugend handeln

Das Helmholtz Zentrum München hat heute gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und weiteren Kooperationspartnern ein weltweit einzigartiges Präventionsprogramm für Typ-1-Diabetes vorgestellt. Zum ersten Mal behandeln Wissenschaftler und Ärzte dabei vorbeugend gesunde Kleinkinder mit einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes, um die Entwicklung der Krankheit möglicherweise zu verhindern.

Die Kinder erhalten im Rahmen der randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie POInT (Primary Oral Insulin Trial) bis zum dritten Geburtstag täglich eine kleine Menge Insulinpulver beziehungsweise ein Scheinmedikament mit einer Mahlzeit. Ziel ist, das Immunsystem zu trainieren, körpereigenes Insulin zu tolerieren. Eine fehlgeleitete Immunreaktion gegen Insulin steht in der Regel am Beginn der Entwicklung von Typ-1-Diabetes. An der POInT-Studie können Kinder mit einem im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt mindestens 25-fach erhöhtem Risiko für Typ-1-Diabetes teilnehmen. Ob so ein erhöhtes Risiko vorliegt, lässt sich mit einer Blutuntersuchung im Rahmen der Freder1k-Studie feststellen. Diesen Test können alle Eltern in Bayern, Niedersachsen und Sachsen bei ihren Neugeborenen direkt in der Geburtsklinik oder bei einem der ersten Besuche beim Kinderarzt kostenlos durchführen lassen.

„Mit dem Start von POInT treiben wir die Prävention von Typ-1-Diabetes entscheidend voran“, sagt Studienleiterin Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München und Lehrstuhl für Diabetes und Gestationsdiabetes am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. „Zum ersten Mal weltweit versuchen wir, in dem jungen Alter, wo die Weichen für das Immunsystem gestellt werden, dieses präventiv zu beeinflussen, und zwar mit einer nachweislich sicheren und immunwirksamen Behandlung.“

Die Schirmherrschaft für das Projekt übernimmt die bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml: „Mein Ziel ist es, Eltern stärker für die Zuckerkrankheit bei Kindern zu sensibilisieren. Diabetes Typ-1 ist bislang nicht heilbar. Bayernweit sind rund 3.500 Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre von der chronischen Stoffwechselerkrankung betroffen. Durch Früherkennung und die rechtzeitige Behandlung können jedoch schwerwiegende Folgeerkrankungen wie etwa Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen verhindert werden. Gerne habe ich deswegen die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen.“

Das Helmholtz Zentrum München forscht an neuen Ansätzen für Prävention, Diagnose und Therapie großer Volkskrankheiten. „Vor allem das Forschungsfeld Diabetes mellitus haben wir in den letzten Jahren massiv gestärkt und zählen auf diesem Gebiet mittlerweile zu einem der wichtigsten Forschungsstandorte weltweit“, sagt Prof. Dr. Günther Wess, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz Zentrums München. „Wir sind sehr froh, dass wir mit Freder1k und POInT Programme auf den Weg gebracht haben, die das Zusammenspiel von Umweltfaktoren, Lebensstil und individueller genetischer Disposition berücksichtigen und im nächsten Schritt auch darauf abzielen, individuell der Erkrankung an Typ-1-Diabetes vorzubeugen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zur personalisierten Medizin bei Diabetes mellitus.“

Das Helmholtz Zentrum München führt die Studien in Bayern in Kooperation mit der Technischen Universität München sowie zahlreichen Geburtskliniken und niedergelassenen Kinderärzten durch. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. Landesverband Bayern, die Bayerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde und die Deutsche Diabeteshilfe unterstützen das Projekt. Zu weiteren Partnern im Rahmen der Globalen Plattform für Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) zählen Krankenhäuser und Forschungsinstitute in Niedersachsen, Sachsen, Belgien, Großbritannien, Polen und Schweden.

Weitere Informationen
Ausführliche Informationen zur Freder1k- und zur POInT-Studie: https://www.gppad.org/de/

Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Das immunologische Geschehen, das der Stoffwechselstörung zu Grunde liegt, basiert auf einer genetischen Veranlagung und wird durch Umweltfaktoren beeinflusst. Etwa 30 von 1.000 Kindern haben Risiko-Gene für Typ-1-Diabetes. In Deutschland sind etwa 21.000 bis 24.000 Kinder und Jugendliche an Typ-1-Diabetes erkrankt, die Rate der Neuerkrankungen steigt derzeit jährlich um drei bis fünf Prozent. Die Krankheit bleibt oft viele Jahre unerkannt, bis sie sich schlagartig in oftmals lebensbedrohlichen Symptomen äußert. Patienten müssen ihrem Körper lebenslang Insulin zuführen. Zu möglichen Spätfolgen zählen Augen- und Nierenschäden sowie Probleme mit Herz und Gefäßen.

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz-Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V.  www.helmholtz-muenchen.de

Die Globale Plattform zur Prävention des autoimmunen Diabetes (GPPAD) wurde 2015 gegründet. GPPAD hat sich zum Ziel gesetzt, eine internationale Infrastruktur für Studien zur Primärprävention von Typ-1-Diabetes zu etablieren. Die Studien zur primären Prävention von Typ-1-Diabetes sollen die Inzidenz der Betazell-Autoimmunität reduzieren und dadurch Typ-1-Diabetes verhindern. Voraussetzung dafür sind Screening-Programme, welche diejenigen Kinder erkennen, die auf Grund einer genetischen Prädisposition ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Zu den Mitgliedern von GPPAD zählen das Helmholtz Zentrum München, die Technische Universität München (TUM), das DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien und Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, die Hannoversche Kinderheilanstalt (Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT), die Universitäten von Oxford (Großbritannien), Lund (Schweden), Leuven (Belgien) sowie Instytut Matki i Dziecka und Medizinische Universität Warschau (beiden Polen). www.gppad.org

Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München widmet sich mit rund 5.500 Mitarbeitern der Krankenversorgung, der Forschung und der Lehre. Jährlich profitieren rund 60.000 Patienten von der stationären und rund 250.000 Patienten von der ambulanten Betreuung auf höchstem medizinischem Niveau. Das Klinikum ist ein Haus der Supra-Maximalversorgung, das das gesamte Spektrum moderner Medizin abdeckt. Durch die enge Kooperation von Krankenversorgung und Forschung kommen neue Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien frühzeitig dem Patienten zugute. Seit 2003 ist das Klinikum rechts der Isar eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaats Bayern. www.mri.tum.de