Mehrwert aus dem Internet für psychisch Erkrankte? Studienübersicht ermittelt Erfahrungen der letzten Jahre
Original Titel:
Blending Face-to-Face and Internet-Based Interventions for the Treatment of Mental Disorders in Adults: Systematic Review.
Es ist eine Binsenweisheit, dass psychisch Erkrankte mehr benötigen als nur Medikamente. Menschlicher Zuspruch, ein Ansprechpartner, jemand der auch einmal nachhakt oder zuhört, und dies alles möglichst jederzeit – all dies und mehr sollte gegeben sein. Eine Möglichkeit, dies umzusetzen, ist mit mobilen oder internetbasierten Angeboten gegeben. Neuere Ansätze bilden auch Mischformen der Interventionen, in denen Patienten sowohl online als auch direkt, von Angesicht zu Angesicht, behandelt werden. Wissenschaftler aus Köln und Amsterdam um Dr. Ebert, Experte für internetbasierte Gesundheitsinterventionen an der Universität Erlangen, untersuchten nun in einer Übersichtsstudie, ob solche gemischten Internet- und Direktkontaktinterventionen bei psychischen Erkrankungen messbar wirksam sind.
Ziel der Studie war es daher, einen Überblick über die verschiedenen Formate speziell der Mischbehandlungen erwachsener psychisch Erkrankter zu geben, aber auch zu untersuchen, in welcher Behandlungsphase diese Methoden angewandt wurden. Auch wollten die Forscher die jeweilige Zielsetzung der Ansätze herausarbeiten und ihre Wirksamkeit überprüfen.
Studien gemischter Internet- und Direktkontaktbehandlungen wurden mittels systematischer Suchen in den Datenbanken Medline, Psycinfo, Cochrane und Pubmed anhand von Suchbegriffen, die auf direkten Kontakt deuteten (inpatient, outpatient, face-to-face, residential treatment), identifiziert. Dies wurde mit Begriffen kombiniert, die auf eine internetbasierte Behandlung schließen ließen (internet, online, web). Weiter wurde die Suche auf die drei häufigsten psychischen Erkrankungen hin fokussiert: Depression, Angsterkrankungen und Drogen-/Substanzmissbrauch (mental health, depression, anxiety, substance abuse).
Die Forscher fanden 64 Publikationen über 44 individuelle Studien. 27 davon waren randomisiert und kontrolliert durchgeführt worden, Patienten waren also zufallsverteilt entweder einer Behandlung oder einer Scheinbehandlung zugeordnet worden. Die Ergebnisse der Studien zeigten, dass gemischte Internet- und Direktkontaktbehandlungen im Vergleich zu reinen Direktkontaktbehandlungen mehrere Effekte haben konnten: sie sparten den Klinikern Zeit, führten seltener zum Behandlungsabbruch beziehungsweise, bei Substanzmissbrauch, mehr Patienten blieben abstinent, oder sie unterstützten langfristig vorher psychotherapeutisch erarbeitete Veränderungen. Allerdings mangelte es an Studien, die einen Vergleich zwischen gemischten Behandlungen und reinen Direktkontakten suchten. Zudem bieten bisherige Studien keine Einschätzung der optimalen Zusammensetzung von Internet- und Direktkontaktbehandlungseinheiten.
Zusammenfassend bietet die moderne Technologie eine vielversprechende Möglichkeit, psychisch erkrankte Patienten umfassender zu behandeln. Für Depressionen, Angsterkrankungen und Substanzmissbrauch ist gerade eine Mischung aus internetbasierten Behandlungen und Direktkontakten effektiver als nicht zu behandeln. Ob diese Ansätze jedoch tatsächlich Zeit und Geld sparen und wirksamer als reine Direktkontakte oder reine Internetbehandlungen sind, bleibt für zukünftige Studien offen.
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