Welche Faktoren helfen gegen Depressionen bei Endometriose?
Original Titel:
Mental health in women with endometriosis: Searching for predictors of psychological distress
Wer erkrankt an Depressionen? Normalerweise ist diese Frage kaum zu beantworten. Viel zu viele verschiedene Auslöser von Depressionserkrankungen sind bekannt. Betrachtet man aber eine spezifische Erkrankung, bei der häufig auch Depressionen als Folgeerkankung auftreten, ist die Frage sinnvoll zu untersuchen. Beispielsweise ist bei der Endometrioseerkrankung ein deutlicher Zusammenhang mit Depressionen und Ängsten bekannt. Gerade chronische Schmerzen in der Beckenregion, ein typisches Symptom der Endometriose wurden immer wieder als wesentliche Auslöser für psychische Symptome gewertet. Allerdings ist die Endometriose als Erkrankung komplex und beeinflusst unterschiedlichste Aspekte des Lebens: beispielsweise können Schmerzen soziale Aktivitäten einschränken und dadurch stark belasten. Auch ist Unfruchtbarkeit ein häufiges Symptom der Endometriose und für sich genommen ein verständlicher Auslöser für depressive Episoden. Wie ein Mensch mit solchen Belastungen umgeht, wird zusätzlich aber auch womöglich von Faktoren wie dem Selbstwertgefühl oder der Zufriedenheit mit dem eigenen Körper beeinflusst.
Die Psychologin Dr. Facchin von der katholischen Universität von Milan in Italien untersuchte nun mit ihren Kollegen, welche Faktoren einen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Patientinnen mit Endometriose haben.
In dieser Querschnittsstudie wurden zwischen 2015 und 2017 in einer italienischen Forschungseinrichtung mit Schwerpunkt Gynäkologie 210 Endometriosepatientinnen untersucht.
Die betroffenen Frauen waren im Mittel 36 Jahre alt. Erfasst wurden demographische Informationen (Alter, Beziehungsstatus und Ähnliches) sowie Angaben zur Endometriose. Individuelle Unterschiede wurden mit Blick auf Selbstwertgefühl, Wertschätzung des eigenen Körpers und emotionale Selbstwirksamkeit hin analysiert. Unter Selbstwirksamkeit versteht man die Einschätzung, eine Handlung durchführen zu können – emotionale Selbstwirksamkeit bedeutet demnach, dass man beispielsweise überzeugt ist, sich bei schlechter Laune wieder selbständig in bessere Laune versetzen zu können. Mit Hilfe der HADS-Bewertung (hospital anxiety and depression scale) sowie der RRS-Bewertung (ruminative response scale), letztere mit Fokus auf depressivem Grübeln, wurden psychische Symptome wie Depressionen oder Ängste bei den Patientinnen ermittelt.
Basierend auf der Studienliteratur konnten drei Faktoren vordefiniert werden, die wahrscheinlich die psychische Gesundheit der Endometriosepatientinnen beeinflussten: demographische Faktoren (Beziehungsstatus), Endometriose-Faktoren (chronische Schmerzen) und Persönlichkeitszüge. In der Analyse dieser verschiedenen Elemente zeigte sich, dass Patientinnen, die in einer stabilen Beziehung lebten, messbar weniger grübelten (RRS-Wert). Je neuer die Diagnose der Endometrioseerkrankung war, desto stärker litten die Frauen unter Ängsten (HADS-Wert). Sämtliche psychischen Symptome waren zudem von der Stärke der Beckenschmerzen und allgemein der übergeordneten Kategorie der individuellen Persönlichkeitszüge beeinflusst. Besonders hilfreich für betroffene Frauen waren ein höheres Selbstwertgefühl, höhere Wertschätzung des eigenen Körpers und emotionale Selbstwirksamkeit.
Diese Studie ist eingeschränkt aussagekräftig insofern, als verschiedene weitere Faktoren nicht betrachtet wurden, die aber bereits von anderen Studien als relevant gefunden worden waren. Dazu gehören die sexuelle Funktionalität (also eventuelles Vorliegen von störenden Faktoren infolge der Endometriose), Schwangerschaft versus Unfruchtbarkeit, kulturelle Unterschiede und Ähnliches. Auch erschwerend ist das Format der Querschnittsstudie – eine längerfristige Studie, die den Verlauf von Symptomen in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren überprüft, könnte stärker den förderlichen oder schadenden Einfluss der Faktoren beurteilen.
Trotzdem zeigt diese Studie in Form einer Momentaufnahme aus dem Leben betroffener Frauen deutlich, dass nicht nur chronische Beckenschmerzen die psychischen Folge- und Begleiterkrankungen der Endometriose beeinflussen. Auch Persönlichkeitszüge, die gefördert werden können, tragen wesentlich zur psychischen Gesundheit bei. Daher sollten auch bei der Endometriose gezielter vielfältige, multidisziplinäre Interventionen, inklusive Ermittlung und Förderung von Selbstwert und Selbstwirksamkeit, angeboten werden, um betroffenen Patientinnen auch mit ihren psychischen Symptomen besser zu helfen.
© Alle Rechte: HealthCom