Früherkennung und Behandlung der Alzheimer-Erkrankung: wo kommen die besten Risikogruppen her?
Original Titel:
Detecting At-Risk Alzheimer's Disease Cases.
Woher rekrutieren Alzheimerstudien ihre Teilnehmer, und sind dies wirklich die Patienten, die von frühen Behandlungen profitieren könnten? Welche Rekrutierungsprozeduren eingesetzt werden, kann die Zusammensetzung der untersuchten Patientengruppe möglicherweise stark beeinflussen, und entsprechend sowohl die Früherkennungsquote als auch die Möglichkeiten zu folgenden Interventionen limitieren. Die sogenannte Amyloid-Pathologie gilt als erstes oder frühes Zeichen der Erkrankung: Der Eiweißstoff Beta-Amyloid (Aβ42 oder pAβ) ist dann in zu großen Mengen in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (GRF) nachweisbar. Ist das der Fall, sind weitere Schritte (sekundäre Interventionen) zur Schadensbegrenzung geboten. Der genetische Risikofaktor APOEɛ4 dagegen kann auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Alzheimer-Erkrankung hinweisen. Für sich allein genommen stellt er einen guten Marker für primäre Interventionen zur Krankheitsprävention dar.
Wer nimmt an Studien teil: Menschen mit frühen Krankheitszeichen oder mit erhöhter Krankheitswahrscheinlichkeit wegen speziellem Gen?
In einer Multizentrenstudie in Norwegen untersuchten nun Fladby und Kollegen (2017) verschiedene Rekrutierungsprozeduren und ihr Potential, passende Riskiopatienten für Interventionsstudien zu finden. 490 Teilnehmer zwischen 40 und 80 Jahren wurden mit Hilfe von Medienaufrufen, Werbeanzeigen sowie Überweisungen von Gedächtnisambulanzen rekrutiert. Gesunde Kontrollen (n = 164) wurden nach Untergruppen klassifiziert: Kontrollen ohne Demenzerkrankungen der Eltern oder Kinder (NC), Kontrollen mit Demenzerkrankten in der engsten Familie (NCFD), und Kontrollen, die in kognitiven Tests außerhalb der Norm lagen. Die Patienten (n = 301) wurden abhängig davon eingruppiert, ob sie subjektiv ihren kognitiven Abbau wahrnahmen, oder messbar leicht kognitiv beeinträchtigt waren.
Wege der Rekrutierung von Teilnehmern: Medienaufrufe, Werbeanzeigen oder Überweisungen von Gedächtnisambulanzen
Die Teilnehmer unterzogen sich standardisierten klinischen und kognitiven Tests und wurden zusätzlich mit bildgebenden Verfahren (Kernspintomographie) untersucht. Biochemische Anzeichen für eine mögliche Alzheimer-Erkrankung im GRF wurden bei 411, der APOE-Genotyp bei 445 Teilnehmern ermittelt. Bei dem Genotyp ist auch die APOE-Frequenz relevant, also ob die riskante Genvariante mehrfach vorliegt. Die Patienten zeigten erhöhte Werte von Beta-Amyloid und APOE im Vergleich zu Kontrollen ohne familiäre Erkrankungen. Dies galt sowohl für Patienten, die auf eigene Initiative an der Studie teilnahmen (n = 180), als auch für von einer Klinik weitergeleitete (n = 87). Kontrollpersonen mit Erkrankungen in der Familie hatten höhere APOE-Frequenzen, allerdings keine erhöhte pAβ, im Vergleich zu Kontrollen ohne Demenzfälle in der Familie. Des Weiteren hatten Patienten, die von Gedächtnisambulanzen weitergeleitet worden waren, größere Mengen von Amyloid-Ablagerungen und eine erhöhte APOE-Frequenz, als solche die selbständig auf Werbeaufrufe reagiert hatten.
Teilnehmer aus Gedächtnisambulanzen zeigen oft erste Symptome (Betaamyloid), andere Teilnehmer eher genetisches Risiko
Die Studie deutet darauf hin, dass Patienten, die von Gedächtnisambulanzen an Studien überwiesen wurden, höhere pAβ-Werte zeigen können, also erste Symptome einer Alzheimererkrankung. Extern gefundene Patienten dagegen sowie Kontrollen, in deren Familien Alzheimer-Erkrankungen vorliegen, zeigen zwar geringere pAβ -Werte, dafür aber ein genetisch erhöhtes Risiko (APOE-positiv) und sind damit sinnvolle Ziele für präventive, primäre Interventionen. Ergebnisse von Studien können demnach auch durch die Methode der Teilnehmersuche beeinflusst werden. Gleichzeitig wäre auch mehr bevölkerungsweite Aufklärung über familiäre Risiken für Demenzerkrankungen wesentlich, um Risikoteilnehmer für Studien zu gewinnen und früheste Therapien zu entwickeln.
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