Neue Methode zur Netzhautuntersuchung kann Hinweise auf Krankheitsaktivität geben
Original Titel:
Retinal layer segmentation in multiple sclerosis: a systematic review and meta-analysis
Sehstörungen kommen bei Multipler Sklerose häufiger vor. Sie entstehen dann, wenn der Sehnerv oder Nervenbahnen, die für die Steuerung der Augenmuskulatur zuständig sind, von den entzündlichen Vorgängen der Erkrankung betroffen sind. Der Sehnerv besteht auf Millionen Nervenfasern, die optische Reize an das Gehirn melden, wo diese zu Bildern zusammengesetzt werden. Diese Millionen Nervenfasern gehören zu den einzelnen Lichtrezeptoren der Netzhaut und werden dort, wo der Sehnerv aus der Netzhaut austritt, gebündelt (Papel). Kommt es zu einer Entzündung des Sehnervs, spricht man von einer optischen Neuritis. Die Unterbrechung der Übertragung zum Gehirn kann sogar zu einer vorübergehenden Blindheit führen. Es gibt aber auch andere Auslöser für eine optische Neuritis wie Infektionen oder wenn der Nerv, z. B. durch einen Tumor eingeklemmt wird. In jedem Fall sollten Sehstörungen von einem Arzt abgeklärt werden.
Eine Art Ultraschall fürs Auge
Dazu gibt es inzwischen eine Methode, mit der berührungslos Aufnahmen von den unterschiedlichen Schichten der Netzhaut gemacht werden können, um so Veränderungen und Erkrankungen festzustellen. Die Methode heißt optische Kohärenztomographie (OCT, von engl. Optical Coherence Tomography). Sie funktioniert grob betrachtet ähnlich wie eine Ultraschalluntersuchung, nur mit Licht statt mit Schallwellen. In der Augenheilkunde findet die OCT bereits häufig Anwendung.
Die Untersuchung der Struktur der einzelnen Schichten der Netzhaut kann Aufschlüsse zu Entzündungen und Nervendegeneration bei MS geben. Das ist wichtig für eine frühe Erkennung und Überwachung. Mit einer speziellen Weiterentwicklung der OCT, der Spektral-Domänen optische Kohärenztomographie (SD-OCT), können Aufnahmen von der Netzhaut noch schneller und vor allem in höherer Auflösung angefertigt werden. Eine Gruppe von internationalen Forschern hat sich nun angeschaut, welche Netzhautschichten geeignet sein könnten, um mit SD-OCT Hinweise auf Entzündungsvorgänge an Netzhaut und Sehnerv bei MS-Patienten festzustellen.
Wo sollte man hinsehen?
Dazu schauten sie sich die Literatur an und suchten Studien heraus, bei denen die Methode eingesetzt wurde, um die Netzhaut von MS-Patienten mit oder ohne optische Neuritis zu untersuchen. Die Studien wurden zwischen 1991 und 2016 durchgeführt. Die Daten aus 40 passenden Studien wurden dann ausgewertet hinsichtlich der Dicke der Netzhautschichten. Insgesamt gab es Daten zu 5776 Augen von Patienten mit MS die untersucht worden, 1667 mit optischer Neuritis und 4109 ohne optische Neuritis. Als Vergleich dienten die Daten von 1697 Augen von gesunden Probanden aus den Studien.
Im Vergleich zu den Augen der Kontrollgruppe zeigte die Nervenfaserschicht der Netzhaut, die den austretenden Sehnerv umgibt, eine Ausdünnung bei den Augen von MS Patienten sowohl mit als auch ohne optische Neuritis. Dort wo die meisten Fotorezeptoren auf der Netzhaut liegen, dem Gelben Fleck oder auch Macula genannt, zeigten die Daten eine durchschnittliche Ausdünnung der Nervenfaser der Netzhaut rund um die Austrittsstelle des Sehnervs von –6,18 µm bei Augen von MS-Patienten mit optischer Neuritis und von –2,15 µm bei Augen von MS-Patienten ohne optische Neuritis im Vergleich zu den Augen von gesunden Teilnehmern. Die Forscher stellten in den Daten außerdem eine leichte Verdickung der inneren Körnerschicht fest bei Augen von MS-Patienten mit optischer Neuritis im Vergleich zu den Daten aus der Kontrollgruppe.
Körnerschicht könnte Hinweise auf Entzündungen geben
Die Forscher fanden keinen statistisch nachweisbaren Unterschied in der Dicke der gesamten äußeren Körnerschicht und der äußeren plexiformen Netzhautschicht, wenn sie Augen von MS-Patienten mit oder ohne optische Neuritis mit denen von gesunden Teilnehmern verglichen. Aber sie fanden einen kleinen Anteil an Verdickungen der gesamten äußeren Körnerschicht, wenn sie Augen von MS-Patienten mit optischer Neuritis mit denen ohne eine optische Neuritis verglichen.
Die größten und robustesten Unterschiede zwischen den Augen von Menschen mit MS und der Kontrollgruppe fanden die Forscher in der Nervenfaserschicht der Netzhaut um die Papille herum und in der Nervenfaserschicht der Netzhaut am Gelben Fleck sowie der inneren plexiformen Nervenfaserschicht. Eine entzündliche Erkrankungsaktivität könnte möglicherweise durch Veränderungen an der inneren Körnerschicht festgestellt werden. Aufgrund der gewonnen Daten aus ihrer Studie empfehlen die Forscher die Einbeziehung der Nervenfaserschicht rund um die Papille und die Schicht der Nervenzellen am gelben Fleck (Ganglienzellschicht) und der inneren plexiformen Netzhautschicht für die Diagnose, Überwachung und Erforschung von Entzündungen des Sehnervs bei MS.
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