Künstliche Zellkompartimente als molekulare Werkstatt

Vielseitige Nanokugeln

Wie verleiht man Zellen neue Eigenschaften ohne ihren Stoffwechsel zu behindern? Ein Team des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München (TUM) hat Zellen so verändert, dass sie künstliche Kompartimente bildeten, in denen räumlich abgesondert Reaktionen ablaufen konnten. Diese machten die Zellen tief im Gewebe sichtbar und mittels magnetischer Felder manipulierbar, wie das Team in ‚Nature Communications’ berichtet.

Prof. Gil Westmeyer, mit seiner Arbeitsgruppe sowohl an das Helmholtz Zentrum München als auch an die TUM angebunden, und sein Team haben dies erreicht, indem sie die genetische Information zur Herstellung von Bakterienproteinen – so genannten Enkapsuline –  in menschliche Zellen einbrachten. Diese Proteine können sich selbständig zu Nanokugeln zusammenbauen. Die Forscherinnen und Forscher waren so in der Lage, kleine abgeschlossene Räume, künstliche Zellkompartimente, im Zellinneren zu erzeugen.

Geschütze Räume mit neuen Eigenschaften

Die große Stärke der kleinen Kugeln: sie sind für die Zelle ungiftig und in ihrem Inneren können eigene Reaktionen ablaufen, ohne den Stoffwechsel der Zelle zu stören. „Ein entscheidender Vorteil des Systems ist, dass wir genetisch kontrollieren können, welche Proteine, zum Beispiel Fluoreszenzproteine oder Enzyme, in das Innere der Nanokugeln eingebaut werden.“, so Felix Sigmund, Erstautor der Studie. „So können wir mehrschrittige Prozesse räumlich abtrennen und den Zellen neue Eigenschaften geben.“

Doch die Nanokugeln besitzen auch eine natürliche Eigenschaft, die für das Team um Westmeyer besonders interessant ist: Sie können Eisenatome aufnehmen und so verarbeiten, dass sie in ihrem Inneren bleiben und die Prozesse der Zelle nicht stören. Die Kugeln und auch die Zellen werden dadurch magnetisch. „Eines unserer Langzeitforschungsziele ist es, Zellen unter genetischer Kontrolle magnetisch zu machen. So werden sie sichtbar und kontrollierbar. Die neuen Nanokompartimente bringen uns hier einen großen Schritt weiter.“ erklärt Westmeyer.

Magnetisch, praktisch, gut

Vor allem die Beobachtung der Zellen mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren wird so leichter: Magnetische Zellen lassen sich auch in tiefen Schichten mit Techniken beobachten, bei denen das Gewebe nicht beschädigt wird, wie zum Beispiel der Magnetresonanzbildgebung (MRT). Zudem konnte das Team in Zusammenarbeit mit Dr. Philipp Erdmann und Prof. Jürgen Plitzko vom Max-Planck Institut für Biochemie zeigen, dass die Nanokugeln auch im hochauflösenden Cryoelektronenmikroskop sichtbar sind. Als sogenannten ‚Genreporter‘ können sie so die Identität oder den Zustand von Zellen direkt unter dem Elektronenmikroskop anzeigen. Mit Hilfe von Fluorenzenzproteinen ist das in der Lichtmikroskopie schon lange möglich. Und es gibt noch weitere Vorteile: Zellen, die magnetisch sind, können mit Hilfe von magnetischen Feldern gezielt gelenkt und somit sortiert und von anderen Zellen getrennt werden.

Einsatz bei Zelltherapie denkbar

Ein mögliches zukünftiges Einsatzgebiet der künstlichen Zellkompartimente wäre zum Beispiel die Immunozelltherapie. Dabei werden Immunzellen genetisch so verändert, dass sie Krebszellen des Patienten gezielt zerstören können. Mit Hilfe der neuen Nanokompartimente in ihrem Inneren, könnten die manipulierten Zellen mit bildgebenden Verfahren leichter im Körper auffindbar sein. „Mit den modular bestückbaren Nanokugeln könnten wir den Immunzellen eventuell auch noch neue Stoffwechselwege geben, die sie effizienter und robuster machen.“ erklärt Westmeyer und ergänzt: „Dies ist natürlich noch Zukunftsmusik und es gibt hier noch vielen Hürden in präklinischen Modellen zu überwinden. Aber die neue Fähigkeit, kleine abgetrennte Reaktionsgefäße in Säugetierzellen genetisch zu kontrollieren, könnte für diese Ansätze sehr hilfreich sein.“

Weitere Informationen

Original-Publikation:
Sigmund, F. et al. (2018): Bacterial encapsulins as orthogonal compartments for mammalian cell engineering. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-018-04227-3

Hintergrund:
Prof. Gil Gregor Westmeyer ist Mitglied der Munich School of Bioengineering. Die Studie wurde gefördert durch den ERC Starting Grant „MagnetoGenetics“.

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