Neue Methode zur Messung funktioneller Antigen-spezifischer T-Zellen
Tübinger und Lübecker Wissenschaftler forschen zu Plastizität und Schlaf
T- und B-Lymphozyten sind die Spezialisten in der Abwehr von Infektionen und Tumoren. Beide Zelltypen gehören zum erworbenen Immunsystem. Sie erkennen spezifische Muster, sogenannte Antigene auf infizierten oder entarteten Zellen und können diese dann gezielt beseitigen. Zytotoxische T-Zellen erkennen dabei das Antigen über ihren T-Zellrezeptor und attackieren ihre Zielzelle durch die Freisetzung bestimmter Effektormoleküle.
Zurzeit gibt es zwei gängige Verfahren zur Erfassung Antigen-spezifischer zytotoxischer T-Zellen im Blut. Zum einen kann ihre Häufigkeit im Durchflusszytometer mit Hilfe von Komplexen die Teile des Antigens enthalten gemessen werden (Peptid-MHC Multimere, pMHC). Dies ist jedoch ein aufwändiges Verfahren mit recht teuren Reagenzien. Zum anderen kann ihre Funktion erfasst werden, indem nach Stimulation mit dem Antigen Effektormoleküle wie Zytokine oder zytotoxische Proteine bestimmt werden. Dies aber dauert einige Stunden und manchmal werden dabei im Verlauf auch andere, nicht-spezifische Zellen aktiviert.
Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregios SFB/TR 654 ‚Plasticity and Sleep‘ der Universitäten Tübingen und Lübeck wurde nun ein neues Verfahren zur Messung Antigen-spezifischer zytotoxischer T-Zellen entwickelt, das sowohl die Häufigkeit als auch die Funktion dieser Zellen innerhalb von Minuten erfasst. Es detektiert die Aktivierung von Beta2-Integrinen. Dies sind Adhäsionsmoleküle auf der Oberfläche von zytotoxischen T-Zellen, die sich entfalten sobald der T-Zellrezeptor durch ein passendes Antigen stimuliert wird. Im Gegensatz zur Produktion von Effektormolekülen ist dabei keine Neubildung von Proteinen notwendig, sondern lediglich eine Konformationsänderung des Integrins, die extrem schnell geht. Im Körper (in vivo) binden aktivierte beta2-Integrine ihren Liganden, das intercellular adhesion molecule (ICAM)-1 auf der Zielzelle. Die zytotoxische T-Zelle tritt so in engen Kontakt mit der Zielzelle und kann über Ausschüttung von Effektormolekülen den sogenannten Todeskuss verabreichen. Im Reagenzglas (in vitro) kann diese Situation nach Abnahme einer Blutprobe nachgestellt werden, um die Funktion der zytotoxischen T-Zellen zu erfassen.
„Ziel unseres Teilprojektes im SFB/TR 654 war es zu untersuchen, wie der Schlaf die Antigen-spezifische Immunabwehr beeinflusst“ erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Tanja Lange aus der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie und eine der Letztautoren der Studie. „Wir hatten Hinweise darauf, dass Schlaf aufgrund seiner besonderen neuroendokrinen Konstellation die Adhäsion zytotoxischer T-Zellen unterstützt, dass Schlaf diese Zellen sozusagen klebriger und damit effizienter macht. Mein Kollege Stoyan Dimitrov vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen hatte dann die geniale Idee ICAM-1 Multimere im Durchflusszytometer einzusetzen und wir waren begeistert, wie schnell, genau und robust dieser Assay nicht nur die Adhäsionsfähigkeit sondern generell die Funktion zytotoxischer T-Zellen erfasst.“
Zunächst wurden Cytomegalovirus (CMV)-spezifische zytotoxische T-Zellen mit der neuen Methode gemessen. Die Stimulierung des T-Zellrezeptors erfolgte durch pMHC oder durch überlappende Peptide. Alle ICAM-1 positiven Zellen waren auch durch pMHC, dem bisherigen Goldstandard, als CMV-spezifisch detektiert worden und fast alle pMHC positiven Zellen waren auch ICAM-1 positiv. ICAM-1 war nach pMHC Stimulation bereits nach 4 Minuten, nach Peptidstimulation nach 32 Minuten nachweisbar. Die ICAM-1 positiven Zellen zeigten nach längerer Inkubation eine gute Produktion von Zytokinen und zytotoxischen Proteinen und die Zellen mit der stärksten ICAM-1 Expression zeigten die höchsten Werte dieser Effektormoleküle.
Auch Epstein-Barr-Virus (EBV)-, Influenzavirus- und HIV-spezifische zytotoxische T-Zellen ließen sich mit der ICAM-1 Methode nachweisen, ebenso wie Gelbfiebervirus-spezifische zytotoxische T-Zellen nach Impfung von Probanden oder Prostatakrebs-spezifische zytotoxische T-Zellen bei Tumorpatienten. Interessanterweise war ein bestimmter Anteil der EBV-, Influenzavirus- und Gelbfiebervirus-spezifischen zytotoxischen T-Zellen ICAM-1 negativ. Diese Zellen waren dann meist nicht funktionell, das heißt auch nach längerer Stimulation zeigten sie keine Produktion von Effektormolekülen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die ICAM-1 Methode mit anderen Verfahren der Durchflusszytometrie zur Phänotypisierung der Zellen kombiniert werden kann und dass sie sich auch zur Isolierung von Antigen-spezifischen zytotoxischen T-Zellen eignet. Die Zellisolierung erfüllt die Kriterien der good manufacturing practice (GMP) und könnte somit auch im Rahmen von T-Zellimmuntherapien beispielsweise bei Krebspatienten eingesetzt werden.
Dr. Lange sieht viele weitere klinische Nutzungsmöglichkeiten des neuen Assays. „Bisher erfassen wir in der Klinik die spezifische Immunabwehr fast ausschließlich dadurch, dass wir anhand von Antikörpern die B-Zellantwort messen. Die T-Zellantwort auf eine Infektion oder einen Tumor ist jedoch genauso wichtig, zum Teil sogar noch wichtiger und bisher messen wir diese routinemäßig nur zum Ausschluss einer Tuberkuloseinfektion. Ein schneller, günstiger, robuster Assay könnte diese Situation ändern. Der ICAM-1 Assay bietet all diese Vorteile und sagt einem innerhalb kürzester Zeit wie viele funktionelle zytotoxische T-Zellen vorhanden sind.“ In einer aktuellen Studie untersucht Dr. Lange CMV-spezifische zytotoxische T-Zellen bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen und in Tübingen wird der Assay derzeit weiterentwickelt, um damit in Zukunft auch Antigen-spezifische T-Helferzellen messen zu können.
Die eigentliche Frage, ob Schlaf die zytotoxische T-Zellabwehr unterstützt konnte, mit dem neuen Verfahren mit „Ja“ beantwortet werden. Schlaf im Vergleich zu nächtlicher Wachheit erhöht die ICAM-1 Expression CMV- und EBV-spezifischer zytotoxischer T-Zellen. Das entsprechende Manuskript wurde kürzlich eingereicht und mögliche neuroendokrine Vermittler dieses Effektes sollen in zukünftigen Studien weiter getestet werden. Dr. Lange findet die Kombination aus Grundlagenforschung und klinischer Forschung sehr sinnvoll. Die Interdisziplinarität des SFB/TR 654 und die Zusammenarbeit mit den Tübinger Immunologen Prof. Rammensee und Dr. Gouttefangeas hat ihr viel Spaß gemacht. Sie hofft, dass sie in Zukunft neben ihrer Ausbildung zur Rheumatologin ihre Forschungsrichtung weiter verfolgen kann und dass sich eine Möglichkeit finden wird klinische Tätigkeit und fundierte Forschung langfristig zu kombinieren.
Veröffentlichung:
Stoyan Dimitrov, Cécile Gouttefangeas, Luciana Besedovsky, Anja T.R. Jensen, P. Anoop Chandran, Elisa Rusch, Ramona Businger, Michael Schindler, Tanja Lange*, Jan Born*, and Hans-Georg Rammensee*: Activated integrins identify functional antigen-specific CD8+ T cells within minutes after antigen stimulation. PNAS 2018; DOI ### *contributed equally