Brustkrebs: Mikroprotein essentiell für Krebswachstum

Für die Entwicklung neuer Therapien gegen Brustkrebs ist es erforderlich, genau zu verstehen, wie die Tumorzellen funktionieren. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung haben nun Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum gemacht: In Tumorgewebe von Brustkrebspatientinnen entdeckten sie ein winziges Protein, das für die Vermehrung der Krebszellen essentiell ist. Wird das Gen für dieses Mikroprotein ausgeschaltet, können die Brustkrebszellen nicht mehr wachsen.

Nr. 33c 30. Mai 2018 (Eck)

Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung. Eine von acht Frauen erkrankt in ihrem Leben an einem bösartigen Tumor in der Brust. Für Prognose und Therapie entscheidend ist die Art der Brustkrebserkrankung. Abhängig von bestimmten Rezeptoren auf der Oberfläche der Krebszellen werden die Tumoren in zwei Gruppen eingeteilt: den hormonrezeptorpositiven und den hormonrezeptornegativen Brustkrebs. Die meisten Tumoren der Brust sind hormonrezeptorpositiv, die Krebszellen tragen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für die Sexualhormone Östrogen und Progesteron.

„Die Gruppe der hormonrezeptorpositiven Tumoren hat zwar eine bessere Prognose als andere Brustkrebserkrankungen, dennoch sind sie schon alleine aufgrund ihrer Häufigkeit für viele Todesfälle verantwortlich“, erklärt Sven Diederichs vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Um neue Verfahren zur Behandlung von Brustkrebs zu finden, müssen wir erst einmal genau verstehen, wie die Tumorzellen funktionieren. Bisher reicht unser Wissen über die Entstehung und das Fortschreiten der Erkrankung noch nicht aus, um sie optimal zu behandeln“, betont er.

Diederichs und sein Team verglichen Brustkrebszellen mit Zellen aus dem Brustgewebe von gesunden Frauen. Dabei stellten sie fest, dass ein bestimmtes Mikroprotein in den Brustkrebszellen viel häufiger war als in den gesunden Zellen.

Mikroproteine sind noch nicht lange bekannt. Um sie zu produzieren, liest die Zelle Erbgutstücke ab, von denen man lange dachte, dass sie keinerlei Bauanleitung für Proteine enthalten. „In molekularbiologischen Datenbanken wimmelt es von diesen angeblich nicht-kodierenden RNA-Molekülen, die aber mitunter sehr wohl zur Herstellung kleiner Proteine genutzt werden“, so Diederichs.

In den vergangenen Jahren wurden Mikroproteine gefunden, die eine Rolle bei der Muskelentwicklung und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen. Das von den DKFZ-Forschern entdeckte Mikroprotein CASIMO1 aus gerade einmal 83 Aminosäuren ist das erste, für das eine Funktion bei einer Krebserkrankung gezeigt wurde.

Das Mikroprotein CASIMO1 liegt in Brustkrebszellen, speziell von hormonrezeptorpositiven Tumoren, in hoher Konzentration vor. Das zugrunde liegende Gen wird übermäßig stark zur Proteinherstellung genutzt. In Experimenten an Zellkulturen schalteten die Wissenschaftler um Diederichs das CASIMO1-Gen aus. Dies zeigte, wie wichtig CASIMO1 für das Überleben der Brustkrebszellen ist: Der Mangel an dem Mikroprotein unterbrach den Zellzyklus der Brustkrebszellen und hemmte so deren Wachstum.

Als nächstes wollen die DKFZ-Wissenschaftler weitere Mikroproteine untersuchen, die sie bereits bei Patienten mit Brustkrebs oder Lungenkrebs gefunden haben. „Die langfristige Hoffnung ist, diese kleinen Proteine einmal als therapeutische Angriffspunkte nutzen zu können, indem man sie mit Medikamenten hemmt“, so Diederichs.

Maria Polycarpou-Schwarz, Matthias Groß, Pieter Mestdagh, Johanna Schott, Stefanie E. Grund, Catherina Hildenbrand, Joachim Rom, Sebastian Aulmann, Hans-Peter Sinn, Jo Vandesompele, Sven Diederichs. The cancer-associated microprotein CASIMO1 controls cell proliferation and interacts with squalene epoxidase modulating lipid droplet formation. Oncogene,2018, DOI: 10.1038/s41388-018-0281-5

Ein Bild zur Meldung steht zum Download bereit unter:
https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/bilder/merged-ORF-scalebar…

BU: Die Brustkrebs-Zelllinie MCF7 produziert das Mikroprotein CASIMO1 (grün). Rot dargestellt ist das Zellskelett-Protein Aktin, blau die Zellkerne.

Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen
Die Nutzung ist kostenlos. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung bzw. über das DKFZ allgemein. Bitte geben Sie als Bildnachweis an: „Quelle: M. Polycarpou-Schwarz; S. Diederichs, DKFZ“.
Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.