Stammzell-Transplantation an Patienten mit X-chromosomaler Adrenoleukodystrophie am UKL erfolgreich
Bundesweit erstes Behandlungszentrum für Erwachsene mit Leukodystrophien geplant
Leipzig. Sie gehört zu den so genannten Seltenen Erkrankungen, was sie aber nicht weniger heimtückisch macht: X-ALD oder in der Langform X-chromosomale Adrenoleukodystrophie. Es handelt sich um eine lebensbedrohliche genetische Erkrankung mit schweren neurologischen Symptomen wie Lähmungen oder Gefühlsausfällen. Geschätzte 2000 oder 3000 Menschen in Deutschland leiden daran, genaue Zahlen gibt es nicht. Sie gilt als unheilbar. Am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) haben Spezialisten kürzlich bei einem Patienten mit X-ALD erstmals eine Stammzell-Transplantation durchgeführt. Ohne diese wäre der Mann aus Baden-Württemberg wahrscheinlich bald gestorben. Jetzt kann er auf eine bedeutend längere Überlebenszeit mit einer guten Lebensqualität hoffen. Ein halbes Jahr nach der Transplantation geht es ihm gut. Solche Transplantationen bei Erwachsenen mit X-ALD werden momentan einzig am UKL durchgeführt. Langfristig soll hier das bundesweit erste Interdisziplinäre Behandlungszentrum für Erwachsene mit Leukodystrophien entstehen.
X-ALD ist eine Erbkrankheit aus der Gruppe der Leukodystrophien. Ein Gendefekt führt bei vielen männlichen Merkmalsträgern zur Zerstörung der „weißen Gehirnsubstanz“, des Myelins. Meist tritt sie im Kindesalter auf, mit schnellem, oft tödlichem Verlauf. „Mittlerweile wissen wir, dass Erwachsene ebenfalls betroffen sein können“, erläutert Oberarzt Wolfgang Köhler von der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig. Er behandelt René Rehwagen, den nun erfolgreich transplantierten Patienten, bereits seit Jahren. „Bei Erwachsenen verläuft die Krankheit oft viel langsamer. Das gibt uns die Gelegenheit, unter sorgfältiger Abwägung der Risiken zum richtigen Zeitpunkt einzugreifen und damit den Krankheitsverlauf wesentlich zu beeinflussen. Denn eine vollständige Heilung ist nicht möglich“, betont er. Durch die Stammzelltransplantation konnte die Entzündung des Gehirns inzwischen gestoppt werden. Es bestehe Hoffnung, so Köhler, dass damit die weitere Zerstörung von Hirngewebe verhindert werden könne.
Nachdem kein passender Spender gefunden wurde, bekam der 43-jährige Rehwagen im Dezember des vergangenen Jahres Stammzellen eines nur teilweise passenden Spenders. Die Transplantation erfolgte durch den UKL-Spezialisten Prof. Dietger Niederwieser, Leiter der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie, auf der José- Carreras-Transplantationsstation. Dabei wurde eine spezielle Technik zur Beseitigung der schädlichen Killerzellen, die das Transplantat von nur partiell passenden Spendern zur Abstoßung bringen können, angewandt. Nachdem die Stammzellen angewachsen waren, konnte der Patient die Klinik im Januar verlassen. Seit kurzem darf sich Rehwagen einen lang gehegten Wunsch wieder erfüllen und mit seinem Hund Linus spazieren gehen.
Transplantationen werden nur am UKL durchgeführt
Bereits an seiner früheren Wirkungsstätte in Wermsdorf behandelte Köhler Patienten mit dieser genetischen Erkrankung. „Ich bin sehr froh, dass die Transplantation trotz der vielen Risiken so gut geklappt hat, auch dank der großen Erfahrung der Transplanteure“, betont er.
Dr. Jörn-Sven Kühl, Leiter der zukünftigen pädiatrischen Stammzelltransplantation, wendet die Methode bereits seit vielen Jahren bei schwer erkrankten Kindern mit X-ALD an. An seiner früheren Arbeitsstätte, der Charité in Berlin, war er auch an der Transplantation der ersten 15 erwachsenen Patienten mit dieser Erkrankung beteiligt. Seit diesem Jahr bringen nun beide Experten ihre große Erfahrung am UKL ein. „Das Leipziger Universitätsklinikum ist somit das einzige in Deutschland, in dem derartige Transplantationen für Erwachsene in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit von Neurologie und Transplantationsmedizin durchgeführt werden können“, erklärt Dr. Kühl.
Am Leipziger José-Carreras-Zentrum konnten bereits seit längerem vereinzelte Erfahrungen mit der Transplantation ähnlicher neurometabolischer Erkrankungen gemacht werden. Allerdings gibt es bundesweit bisher noch keine spezialisierte Anlaufstelle für die Behandlung von jungen Erwachsenen mit X-ALD. Oberarzt Köhler sieht am UKL beste Voraussetzungen für die Einrichtung eines auf die Behandlung von Leukodystrophien spezialisierten Zentrums. Dort könnten alle bislang bekannten 20 Leukodystrophien des Erwachsenenalters, darunter die X-ALD, multi-professionell diagnostiziert und behandelt werden. Organisatorisch träfe es auf beste Strukturen, würde das neue Zentrum doch Teil des bereits am UKL bestehenden Universitären Zentrums für Seltene Erkrankungen (UZSEL) werden.