Depression
Neue Option bei therapieresistenter Depression: abgewandeltes Ketamin kann über die Nase eingenommen auch über längere Zeit antidepressiv wirken
Original Titel:
Efficacy and safety of intranasal esketamine adjunctive to oral antidepressant therapy in treatment-resistant depression: A randomized clinical trial
In dieser ersten klinischen Studie mit intranasal angewandtem Esketamin zeigte sich eine schnelle antidepressive Wirkung bei Patienten mit behandlungsresistenter Depression. Die Wirkung war dosisabhängig und langanhaltend: mit reduzierter Anwendungshäufigkeit (einmal pro zwei Wochen) konnte die antidepressive Wirkung über 2 Monate aufrechterhalten werden. Esketamin stellt damit eine vielversprechende Behandlungsalternative bei Depressionen dar, die bisher nicht mit Antidepressiva behandelt werden können. Weitere Studien zu Langzeitwirkung und zur Wirksamkeit bei Suizidalität werden derzeit durchgeführt.
Ungefähr ein Drittel der unipolar depressiven Patienten, auf englisch major depression genannt, sprechen nicht auf die üblichen Antidepressiva an. Bisher steht für diese Patienten vor allem die Elektrokrampftherapien zur Verfügung. Seit einiger Zeit wächst aber auch die Bedeutung von Ketamin in diesen Fällen. Ketamin wird allerdings intravenös gegeben – ein limitierender Faktor bei der standardisierten Behandlung. In einer US-amerikanischen und belgischen Multizentrenstudie wurde nun eine neue, vereinfachte Anwendungsform von Ketamin bei behandlungsresistenter Depression untersucht..
Eine leicht veränderte Form von Ketamin, Esketamin genannt, wurde als nasal anzuwendendes Mittel entwickelt. Die Wirksamkeit und Sicherheit des Esketamin-Nasensprays wurde bei akut depressiven Patienten ermittelt. Zusätzlich wurden auch verschiedene Dosierungen des Esketamin untersucht.
Nasenspray gegen Depressionen?
In dieser klinischen Studie der Phase 2 wurden zwischen Januar 2014 und September 2015 Patienten verschiedener Behandlungszentren in vier Phasen behandelt und untersucht. Zu Beginn fand ein generelles Screening statt, das unter anderem sicherstellen sollte, dass die Patienten tatsächlich unter behandlungsresistenten Depressionen litten. Anschließend erhielten die Patienten zwei jeweils einwöchige Behandlungseinheiten. Welche Behandlung jeweils stattfand, war dabei allerdings weder den Patienten noch den behandelnden Ärzten bekannt (Doppelblindverfahren). In der dritten Phase konnten die Patienten nach Wunsch für 8 Wochen offen mit dem Esketamin-Nasenspray behandelt werden. Die vierte Studienphase war eine anschließende Nachbeobachtung über 2 Monate.
Behandlung therapieresistenter Depression für 2-10 Wochen
126 Patienten, deren Depressionen bisher mit mindestens zwei verschiedenen Antidepressiva unzureichend behandelt worden waren, wurden zu Beginn untersucht. Von diesen wurde 67 Patienten zufällig einer Behandlung zugeordnet. 60 Patienten führten die Studie bis zum Ende der ersten zwei Behandlungswochen durch. Bisherige Antidepressiva-Therapien wurden begleitend zu dieser Studie weitergeführt.
In der ersten Behandlungswoche erhielten 33 Patienten ein Placebo und jeweils 11 Patienten erhielten Esketamin in niedriger (28 mg) und mittlerer (56 mg) sowie 12 Patienten in hoher (84 mg) Dosierung. Die Behandlung erfolgte zweimal pro Woche. In der zweiten Behandlungswoche wurden 28 der bisher mit Placebo behandelten Patienten neu einer der vier Behandlungsmuster zugeteilt. Diese 28 Patienten litten alle unter mäßig bis schweren Symptomen. 4 übrige Patienten mit milden Symptomen erhielten zum Vergleich weiter das Placebo. In der zweiten Woche erhielten insgesamt 34 Patienten aus der ursprünglichen Esketamingruppe sowie 22 Patienten aus der ursprünglichen Placebogruppe das neue Medikament.
In der anschließenden optionalen und offenen Weiterbehandlungsphase wurde die Anwendungshäufigkeit von zweimal pro Woche auf wöchentlich und schließlich auf einmal in zwei Wochen reduziert. Die Wirksamkeit der Behandlung wurde mit Hilfe der Montgomery-Åsberg Depressionsbewertungsskala (MADRS) ermittelt. Dabei wurden Veränderungen der depressiven Symptome nach der ersten Behandlungswoche bzw. der zweiten Behandlungswoche im Vergleich zum Vorbehandlungszeitraum untersucht.
67 Patienten, Behandlung von zweimal wöchentlich auf alle zwei Wochen
Bei den 67 behandelten Patienten im mittleren Alter von 45 Jahren (38 Frauen) bewirkte Esketamin in allen Dosierungen eine Verbesserung der depressiven Symptome im Vergleich zum Placebo. Mit der niedrigsten Dosierung sank der MADRS-Wert um etwa 4 Punkte, mit der mittleren Dosis um 6 Punkte und mit der höchsten Dosierung um 9 Punkte. Die Wirkung war damit auch messbar und deutlich abhängig von der Dosierung. Die Verbesserungen der depressiven Symptome blieben dabei auch in der anschließenden offenen Behandlungsphase stabil, obwohl die Anwendung seltener stattfand.
Unerwünschte Ereignisse, also mögliche Nebenwirkungen, traten nur bei 3 von 56 (5 %) mit Esketamin behandelten Patienten in einer der ersten zwei Behandlungswochen auf. Die Patienten, die ausschließlich Placebo erhalten hatten, gaben keine Nebenwirkungen an. In der offenen Behandlungsphase nahmen 57 Studienteilnehmer weiter Esketamin ein bzw. wurden von Placebo auf das Medikament umgestellt. Von diesen Patienten brach eine Teilnehmerin (2 %) die Studie aufgrund unerwünschter Ereignisse ab: sie erlitt einen Kreislaufzusammenbruch, Kopfschmerzen sowie ein sogenanntes dissoziatives Syndrom, wie es beispielsweise auch im Rahmen von Panikattacken auftreten kann. Zusätzlich wurde in diesem Fall eine sogenannte ektopische Schwangerschaft erkannt. Typische unerwünschte Ereignisse in der offenen Behandlungsphase waren Schwindel (22 Patienten, 39 %), Geschmacksveränderungen (13 Patienten, 23 %), Übelkeit (9 Patienten, 16 %), Kopfschmerzen (8 Patienten, 14 %) und Schläfrigkeit (6 Patienten, 11 %). 14 der 57 Patienten (25 %) berichteten von vorübergehenden dissoziativen Symptomen. Typischerweise waren die an den Behandlungstagen auftretenden Symptome vorübergehend und eher mild.
Wirksam antidepressiv, auch in seltener und niedrigdosierter Anwendung
In dieser ersten klinischen Studie mit intranasal angewandtem Esketamin zeigte sich also eine schnelle antidepressive Wirkung bei Patienten mit behandlungsresistenter Depression. Die Wirkung war dosisabhängig und langanhaltend: mit reduzierter Anwendungshäufigkeit (einmal pro zwei Wochen) konnte die antidepressive Wirkung über 2 Monate aufrechterhalten werden. Esketamin stellt damit eine vielversprechende Behandlungsalternative bei Depressionen dar, die bisher nicht mit Antidepressiva behandelt werden können. Weitere Studien zu Langzeitwirkung und zur Wirksamkeit bei Suizidalität werden derzeit durchgeführt.
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