PACAP und Kynureninsäure: Zusammenhänge zwischen Allergien und Migräne bringen neue Therapieoptionen zu Tage
Original Titel:
Kynurenic acid inhibits the electrical stimulation induced elevated PACAP expression in the TNC.
Diese aktuelle Studie zeigte ein neues Behandlungsziel bei Migräne, nämlich das PACAP, das eventuell dem CGRP mit seinen Triptanen, CGRP-Antikörpern und Ähnlichem ebenbürtig sein könnte. Die Studie zeigt zudem zwei Erkrankungen, Allergien und Migräne, als neurologisch und biochemisch eng verbunden auf. Schließlich deuten diese Zusammenhänge aber auch auf Möglichkeiten zur Selbsthilfe, die eventuell vorbeugend manche der Symptome verbessern könnten. Weitere Studien zum Einsatz von Kynureninsäure, PACAP-Hemmern oder auch MK-801 werden nun folgen müssen, um über die Selbsthilfe hinaus Migräne besser stoppen zu können.
Bei der Migräne, deren eigentliche Ursache noch unbekannt ist, wird unter anderem das trigeminovaskuläre System aktiviert. In der Folge wird unter anderem das sogenannte PACAP freigesetzt (kurz vom englischen pituitary adenylate cyclase-activating polypeptide). Schon früher berichteten Tuka und Kollegen im Fachjournal Cephalalgia (2013), dass dieses spezielle Eiweiß im Blut von Migränepatienten, ganz ähnlich zum bereits besser bekannten CGRP (Angriffspunkt von Triptanen und den neuen biotechnologischen Antikörpern), deutlich Migränephasen anzeigt.
PACAP wird, wie CGRP, von den Zellen des trigeminovaskulären Systems abgegeben
Okragly und Kollegen (2017 im medizinwissenschaftlichen Journal Cephalalgia erschienen) berichteten kürzlich aber auch, dass PACAP von den Mast-Zellen der Hirnhaut dann freigesetzt wird, wenn diese zu einer typischen Allergiereaktion gebracht wurden, bei der sie auch Histamin freisetzen. Dies Studie zeigte damit, wie Migräne und Allergien biologisch miteinander zusammenhängen. Auch wir berichteten bereits früher in der Studienzusammenfassung ‚Niesen zur Migräneprävention‘ von Überschneidungen von Migräne und Allergien. Dazu gibt es auch interessante Zahlen: Ozturk und Kollegen (2013 in der Fachzeitschrift Pakistan Journal of Medical sciences veröffentlicht) fanden in ihrer Studie, dass die Hälfte der Patienten mit allergischem Schnupfen auch unter Migräne litt. In einer Kontrollgruppe ohne Allergien litt dagegen nur knapp jeder 5. Mensch unter Migräne. Bei Menschen mit Allergien war in dieser Studie demnach die Migränehäufigkeit viermal höher als bei Menschen ohne Allergie.
Aber zurück zu PACAP: das Eiweiß wird von den Zellen des Trigeminussystems freigesetzt, wenn wir allergisch reagieren, aber eben auch während einer Migräne. Dr. Körtési und seine Kollegen ungarischer Universitäten untersuchten nun einen neuen Ansatz zur Behandlung der Migräne.
Wie könnte die Freisetzung des PACAP unterbunden werden?
Dazu lösten die Forscher bei Ratten die Freisetzung von PACAP durch eine elektrische Stimulierung des Trigeminusganglions aus. Vorher waren die Tiere entweder mit Kynureninsäure, seiner synthetisch hergestellten Form, einer Substanz namens MK-801 oder einem Placebo (Salzwasser) vorbehandelt worden. MK-801 ist eigentlich ein Medikament aus der Schizophrenie-Therapie, wurde allerdings auch in einigen Studien als wirksamer PACAP-Hemmer beschrieben. Die Menge des freigesetzten PACAP wurde dann nach der Stimulierung gemessen.
Die Stimulation des Trigeminussystems führte zu deutlich erhöhten PACAP-Werten – in Übereinstimmung mit früherer Forschung. Jedoch waren diese erhöhten Werte deutlich gesenkt, wenn die Tiere vorher Kynureninsäure, die synthetisch hergestellte Kynureninsäure oder MK-801 erhalten hatten. Damit konnten die Forscher deutlich zeigen, dass PACAP, das vermehrt bei einer Migräne freigesetzt wird, mit Hilfe von Kynureninsäure reduziert werden kann. In einer weiteren aktuellen Studie (Greco und Kollegen, 2016 in Cephalalgia erschienen) wirkte die Kynureninsäure auch akut lindernd bei Tieren, die schmerzüberempfindlich waren und unter Migräne litten.
Wozu hilft dieses neue Wissen konkret? Wir berichteten schon früher über den Kynurenin-Stoffwechsel – dabei allerdings mit Fokus auf der Alzheimererkrankung. Dass der Kynureninsäure-Nervenschutz nun auch bei der Migräne zum Tragen kommt, scheint überraschend. Jedoch finden sich neurologische Erkrankungen notwendig regelmäßig an den Dreh- und Angelpunkten Nervenschutz, Energieversorgung und Stabilisierung der Blutgefäße im Gehirn wieder. Die Kynureninsäure scheint bei diesen Kernthemen bedeutsam zu sein.
Kynureninsäure gegen Migräne
In der früheren Alzheimerstudie schien die Menge an nervenschützender Kynureninsäure in unserem Blut im Vergleich zur Menge einer nervenschädigenden Substanz eine wesentliche Rolle zu spielen. Beide sind dabei aus der für uns essentiellen Aminosäure Tryptophan hergestellt. An der Grundsubstanz Tryptophan besteht kein Mangel: Haferflocken, Hähnchen, Ei, Kakao und Walnüsse können als Quellen dafür dienen. Wichtiger scheint, dass wir beeinflussen, ob mehr Nervenschutz (Kynureninsäure) oder Nervenschaden daraus entsteht. Sport konnte bei Tieren zumindest dazu beitragen, die Verarbeitung des Tryptophans besonders in die Richtung des Nervenschutzes zu verlagern.
Sport + Haferflocken für Nervenschutz und gegen Kopfschmerz
Damit zeigt sich mit dieser aktuellen Studie nicht nur ein neues Behandlungsziel bei Migräne, nämlich das PACAP, das eventuell dem CGRP mit seinen Triptanen, CGRP-Antikörpern und Ähnlichem ebenbürtig sein könnte. Die Studie zeigt zudem zwei Erkrankungen, Allergien und Migräne, als neurologisch und biochemisch eng verbunden auf. Schließlich deuten diese Zusammenhänge aber auch auf Möglichkeiten zur Selbsthilfe, die eventuell vorbeugend manche der Symptome verbessern könnten. Weitere Studien zum Einsatz von Kynureninsäure, PACAP-Hemmern oder auch MK-801 werden nun folgen müssen, um über die Selbsthilfe hinaus Migräne besser stoppen zu können.
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