Switch zur Manie bei antidepressiver Behandlung der Bipolaren Störung: was erhöht das Risiko und was schützt davor?

Original Titel:
Clinical and psychopathological features associated with treatment-emergent mania in bipolar-II depressed outpatients exposed to antidepressants

Verschiedene Formen der Bipolaren Störung, die bereits eine Schwankung zwischen depressiv und manisch andeuten (zyklothym und gemischte Phasen), scheinen einen Switch nach Behandlung mit Antidepressiva etwas wahrscheinlicher zu machen. Wirklich sicher ist jedoch nur, dass Betroffene mit einer gleichzeitigen Behandlung mit Lithium oder Neuroleptika der zweiten Generation seltener einen Switch durchstehen müssen. Dies kann unter anderem auch darauf deuten, dass eine Behandlung mit Antidepressiva ohne gleichzeitig Phasenprophylaxe (wie Lithium) generell riskant ist. Viele der neueren Neuroleptika werden zudem konkret gegen Manien oder psychotische Symptome eingesetzt, könnten dadurch also die Switchgefahr auch reduzieren. Weitere Studien, die auch längerfristig größere Patientengruppen beobachten, sollten eine genauere Unterscheidung der Switch-Patienten ermöglichen – und damit individuell eine Risikovorhersage und besserer individualisierte Behandlung ermöglichen.


Ein behandlungsbedingter affektiver Switch ist bei der Bipolaren Störung ein ernstes Problem: durch die Behandlung beispielsweise einer Depression mit Antidepressiva kann es dabei zu einem plötzlichen Stimmungsumschwung kommen, der den Patienten aus einer Depression rapide in eine manische Phase katapultiert. Der Switch ist dabei nicht nur grundlegend alles andere als das gewünschte Behandlungsergebnis, er kann auch zusätzlich lebensgefährdend sein.

Switch zur Manie: von energielos-todtraurig zu ungezügeltem Handlungsdrang

Wer mit düstersten, manchmal suizidalen Gedanken und Hoffnungslosigkeit einen plötzlichen Energieschub erlebt, kann durchaus die Gedanken spontan in die Tat umsetzen. Der Switch stellt also eine wesentliche Gefahr bei der Depressionsbehandlung einer Bipolaren Störung dar. Dr. Fornaro, Experte für die Bipolare Störung an der Columbia University in New York in den USA, und Kollegen ermittelten nun die Häufigkeit von behandlungsbedingt ausgelösten Manien in einer ausgewählten Gruppe akut depressiver Patienten mit der Bipolaren Störung Typ 2. Bei dieser Variante der Bipolaren Störung treten besonders ausgeprägte Depressionen auf.

Wie häufig tritt der lebensgefährdende Switch auf?

Für diese Untersuchung wurden die klinischen und symptomatischen Aspekte von behandlungsbedingten Manien, also einem affektiven Switch zur Manie nach Behandlung mit Antidepressiva, nachträglich bei 91 Patienten erfasst und analysiert. Die Forscher bestimmten zuerst, welche Faktoren besonders mit einem Switch zusammenzuhängen schienen – also worin sich Patienten, bei denen eine behandlungsbedingte Manie auftrat, von anderen Patienten unterschieden. Zu diesen bedeutsamen Elementen gehörte die Behandlung mit Antipsychotika der zweiten Generation (auch atypische Neuroleptika genannt) sowie die Behandlung mit Lithium. Aber auch bestimmte Muster der Erkrankung selbst schienen wichtig zu sein: Patienten mit und ohne Switch unterschieden sich darin, ob sie eine zyklothyme/reizbare/hyperthyme Persönlichkeit hatte, ob eine rapid-cycling Form der Bipolaren Störung vorlag, oder ob depressive Symptome in einer mit manischen Elementen gemischten Form festzustellen waren. Als zyklothym bezeichnet man leichte manische und depressive Schwankungen, die über dem normalen Niveau liegen. Hyperthym ist eine dauerhaft verstärkte Stimmungslage, die entweder eher auf der manischen oder der depressiven Seite des Spektrums liegen kann. Beim rapid-cycling wechseln manische und depressive Phasen deutlich schneller ab als normalerweise bei der Bipolaren Störung, mit mindestens vier Wechseln im Jahr.

Welche Rolle spielen zyklothyme oder rapid-cycling Bipolare Störung und Behandlungsarten?

Mit diesen Faktoren konnte die Mehrzahl der Patienten, die einen Switch durchmachten (88,6 % der Switch-Patienten, 35 der 91 Patienten insgesamt), ermittelt werden. Statistisch war diese Unterscheidung aufgrund der geringen Patientenzahl allerdings nicht signifikant. Die Behandlungsarten erlaubten allerdings eine rechnerisch verlässliche Vorhersage: sowohl Patienten, die mit Lithium behandelt wurden als auch die, die Neuroleptika einnahmen, hatten jeweils ein um den Faktor 2,4 verringertes Risiko für einen Wechsel in eine Manie, wenn sie ein Antidepressivum erhielten. Auch die Zahl der vorherigen psychiatrisch bedingten Krankenhausaufenthalte deutete klar messbar auf die Patienten, die eher zum Wechsel in eine Manie tendierten.

Behandlungsarten und Persönlichkeitsstruktur als Faktoren des Switch-Risikos

Limitiert ist diese rückblickende (post-hoc) Analyse allerdings durch einen Mangel an systematischen Behandlungsdokumentationen (und Erinnerungslücken der Patienten) sowie der relativ niedrigen Zahl der Patienten. Dr. Fornaro und Kollegen führten allerdings zusätzlich (Fornaro et al. 2018 im Fachjournal Bipolar disorder erschienen) eine Übersichtsanalyse über frühere Studien (Meta-Analyse genannt) durch, in der sie die Daten von mehr als 10 000 depressiven Patienten mit der bipolaren Störung betrachteten. Hierbei zeigte sich, dass fast ein Drittel der Patienten in mehreren der großen Studien durch Antidepressiva einen Switch in eine Manie erlitten. Schützend trat hier auch wieder besonders die Behandlung mit Lithium hervor.

Lithium kann vor Switch schützen

Verschiedene Strukturen der Bipolaren Störung, die bereits eine Schwankung zwischen depressiv und manisch andeuten (zyklothym und gemischte Phasen), scheinen also einen Switch nach Behandlung mit Antidepressiva etwas wahrscheinlicher zu machen. Wirklich sicher ist jedoch nur, dass Betroffene mit einer gleichzeitigen Behandlung mit Lithium oder Neuroleptika der zweiten Generation seltener einen Switch durchstehen müssen. Dies kann unter anderem auch darauf deuten, dass eine Behandlung mit Antidepressiva ohne gleichzeitig Phasenprophylaxe (wie Lithium) generell riskant ist. Viele der neueren Neuroleptika werden zudem konkret gegen Manien oder psychotische Symptome eingesetzt, könnten dadurch also die Switchgefahr auch reduzieren. Weitere Studien, die auch längerfristig größere Patientengruppen beobachten, sollten eine genauere Unterscheidung der Switch-Patienten ermöglichen – und damit individuell eine Risikovorhersage und besserer individualisierte Behandlung ermöglichen.

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