Schützender Faktor bei SMA gefunden – Neue therapeutische Option durch Gen-Analyse entdeckt
Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine der schwerwiegendsten neurodegenerative Erkrankungen. Einer Forschungsgruppe um Prof. Dr. Brunhilde Wirth, Direktorin des Instituts für Humangenetik an der Uniklinik Köln, ist es nun gelungen, Calcineurin-like EF-hand Protein 1 (CHP1) Reduktion, als einen neuen schützenden Faktor gegen (SMA) zu identifizieren. Die Ergebnisse dieser Studie wurden nun (28.06.2018) im renommierten Wissenschaftsmagazin Brain veröffentlicht.
SMA ist die zweit häufigste autosomal-rezessive Erbkrankheit und die häufigste Ursache für genetisch-bedingte Säuglingssterblichkeit. In der europäischen Population ist etwa jeder 35. Krankheitsträger und etwa 30.000 Menschen sind allein in Europa und den USA von SMA betroffen, wobei etwa 60 Prozent die besonders schwere Form der Krankheit ausprägen, welche zu einem sehr frühen Tod führt.
Die Krankheit wir durch den Verlust des SMN1-Gens verursacht, welches die Grundlage zur Herstellung des SMN Eiweißes ist. Das SMN Eiweiß hat essentielle Funktionen in allen Zellen im Körper, ist aber vor allem für das Überleben der Motoneuronen, die Nervenzelle die den Muskel innervieren und deren Stimulierung die Muskelkontraktion hervorruft, unabdingbar.
Ein Hauptmerkmal der Krankheit ist der fortschreitende Verlust von Motoneuronen, deren Verlust die für die SMA typische Muskeldegeneration und -schwäche verursacht.
Frühe pathologische Merkmale der Krankheit sind die verminderte Größe und Reife der neuromuskulären Endplatten, die Synapsen zwischen Motoneuron und Muskeln welche für die Signalübertragung vom Nerv zum Muskel verantwortlich sind. In der schwersten Form der SMA sind jedoch auch weitere Organe betroffen.
In vorangegangenen Studien konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Wirth bereits Plastin 3 (PLS3) als genetischen krankheitsschützenden Faktor bei Menschen finden, die trotz genetischer Anlage für SMA, die Krankheit nicht entwickeln. Eva Janzen, Doktorandin im Labor Wirth zusammen mit Natalia Mendoza-Ferreira und Seyyedmohsen Hosseinibarkooie ebenfalls Doktorandin bzw. Postdoktorand im Labor Wirth haben ein neues Gen, CHP1, identifiziert, welches mit PLS3 interagiert, und in verschiedenen SMA zellulären untersucht sowie in Modellorganismen den protektiven SMA-Wert durch CHP1-Reduktion nachgewiesen.
In schwer betroffenen SMA Patienten ist eine Antisense-Oligonukleotid (ASO)-Therapie, welche zu einem leichten Anstieg an SMN Protein führt, unzureichend um die Krankheit vollständig zu heilen. Ein zweiter Wirkstoff, der die ASO-Therapie unterstützt, stellt somit einen hoch interessanten therapeutischen Ansatz dar. Um der Situation in schwer betroffenen ASO-behandelten SMA Patienten möglichst nahe zu kommen, wurden schwer betroffene SMA Mäuse mit SMN-ASO (SpinrazaTM) behandelt, dies führte zu einer Verdopplung der Überlebensspanne. Zusätzliche CHP1-Reduktion in Kombination mit SpinrazaTM führte zu einer weiteren 1.6-fachen Lebensverlängerung und zusätzlich zu einer Verbesserung der Hauptkrankheitsmerkmale.
Der ergänzende protektive Einfluss der CHP1-Reduktion konnte auf die erhöhte Aktivierung des Enzyms Calcineurin, welches einen Anstieg der neuronalen Endozytose bewirkt, zurückgeführt werden. Die Endozytose ist ein essentieller Prozess in jeder Zelle jedoch besonders wichtig in der neuromuskulären Synapse bei dem Recycling des Neurotransmittels Acetylcholin. Des Weiteren konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass in SMA Zellen die Calcineurin-Aktivität vermindert ist und somit sehr wahrscheinlich zur verminderten Endozytose beiträgt.
Zusammenfassend konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die CHP1-Reduktion ein neuer schützender Faktor für die SMA ist und dass die CHP1-Reduktion die SpinrazaTM-Behandlung unterstützt. Mit Blick auf die Zukunft ist die CHP1-Reduktion eine vielversprechende therapeutische Option für SMA Patienten in Kombination mit der bereits FDA und EMA-zugelassenen SpinrazaTM-Behandlung.