Immunsystem ist bei der Entstehung eines Grünen Stars maßgeblich
Arbeitsgruppe am Knappschaftskrankenhaus forscht zur Glaukom-Früherkennung
Eine der gefährlichsten Augenerkrankungen, das Glaukom, verläuft bei vielen Betroffenen aufgrund seiner Symptomarmut über lange Zeit unbemerkt. Die Diagnostik ist für den Augenarzt oft nicht ganz einfach, wenn neben dem wichtigsten Risikofaktor, einem erhöhten Augeninnendruck, weitere klinische Zeichen fehlen. Eine Forschungsgruppe der Augenklinik am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum versucht daher, andere Krankheitsmechanismen zu entschlüsseln, um frühzeitig einen Glaukomverdacht abklären zu können und hat bei ihren Untersuchungen nun den Einfluss des Immunsystems nachweisen können. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ (Nature Publishing Group) publizierte Arbeit mit dem Titel „S100B immunization triggers NFκB and complement activation in an autoimmune glaucoma model“ beschäftigt sich mit einer Beteiligung des Komplementsystems, einer der Säulen der menschlichen Immunabwehr, an der Entstehung des Grünen Stars.
Beim Glaukom sterben Sinneszellen in der Netzhaut des Auges und im Sehnerv ab. Zu den Mechanismen, die zum Zelluntergang führen, gehören unter anderem Durchblutungsstörungen und der Einfluss von Giftstoffen (Toxinen) auf die sensiblen Sinneszellen (Ganglienzellen). Die Arbeitsgruppe des Forschungslabors der Augenklinik Bochum um Dr. Sabrina Reinehr und Priv.-Doz. Dr. Stephanie Joachim konnte in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie (Ruhr-Universität Bochum) zeigen, dass es in einem experimentellen, ausschließlich mit Autoimmunmechanismen arbeitenden Glaukommodell auch ohne erhöhten Augeninnendruck zu einer Aktivierung des Komplementsystems kommt. Diese frühe und simultane Aktivierung von Komponenten des Komplementsystems sowohl in der Retina (Netzhaut) als auch im Sehnerv trat auf, bevor ein eigentlicher Schaden an den beim Glaukom betroffenen Zelltypen festgestellt werden konnte. Dies spricht dafür, dass das Komplementsystem bei der Entstehung des Glaukoms maßgeblich beteiligt wäre. Diese Erkenntnis ist eine Abkehr beziehungsweise eine Erweiterung der bisher vorherrschenden Sichtweise über die Ursachen des Grünen Stars, bei der man primär dem erhöhten Augeninnendruck eine krankmachende (pathogene) Wirkung zugesprochen hat.
Diese vielversprechenden Ergebnisse könnten zu neuen Therapiestrategien für die Glaukomerkrankung führen. So wäre die Unterdrückung des Komplementsystems ein denkbarer Ansatz. Es könnte so möglicherweise gelingen, die Degeneration von Sinneszellen in der Netzhaut und im Sehnerv aufzuhalten. Dies würde die bisherige Glaukomtherapie, die fast ausschließlich in einer medikamentösen oder operativen Senkung des Augeninnendrucks besteht, sinnvoll ergänzen. Und die Zahl der Patienten, die davon profitieren können, ist hoch: Allein in Deutschland geht man von rund einer Million Menschen mit Glaukom oder erhöhtem Augendruck aus – bei unbekannter Dunkelziffer.