Simulation der Arteriosklerose eröffnet neue Perspektiven
Forscher des Universitätsklinikums Frankfurt haben mithilfe eines Computermodells entdeckt, was auf molekularer Ebene zum Vorranschreiten der Koronaren Herzerkrankung beiträgt. Die Erkenntnis könnte zukünftig für die Therapie genutzt werden.
Die Koronare Herzerkrankung (KHK), als Auslöser so bedeutender Erkrankungen wie Herzinfarkt und Herzinsuffizienz bekannt, ist die häufigste Todesursache in Industrienationen weltweit. Die durch KHK herbeigeführten Veränderungen der Herzkranzgefäße sind bisher nicht medikamentös rückbildbar – die bestehenden Therapie bewirken allenfalls, dass die Erkrankung langsamer voranschreitet. Ursächlich für die KHK ist die Arteriosklerose, ein Prozess, in dem Fette, Kalk und abgestorbene Zellen in der Gefäßwand anreichern und langsam die Arterie verengen.
Durch die Darstellung früher zellulärer Reaktionen über ein Rechnermodell, die sogenannte computerbasierte Modellierung, ist es Forschern nun gelungen, einen neuen Stoffwechselweg zu identifizieren. Dieser wird durch oxidierte Phospholipide (oxPAPC) aktiviert. Bei der Koronaren Herzerkrankung kommen diese Substanzen, eine Art „ranziges Fett“, ebenfalls vor und fördern ihr Fortschreiten. Im Mittelpunkt der Entdeckung steht MTHFD2, welches ein Schlüsselenzym der Aminosäureproduktion ist. Das heißt, es steuert die biochemische Herstellung von Aminosäuren, die wiederum wichtige Bestandteile von Proteinen sind. Die Beteiligung des neuentdeckten Stoffwechselweges bei der Entstehung der Koronaren Herzerkrankung war bisher nicht bekannt und öffnet neue therapeutische Möglichkeiten. Die Studie wurde im Juni 2018 im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
Den Prozess der Arteriosklerose verstehen
„Die Wirkung von pro-atherogenen, also Arteriosklerose auslösenden, Lipiden auf das Endothel, das die Gefäße innen auskleidet, wird seit vielen Jahren untersucht. Bisher war jedoch unbekannt, dass das Enzym MTHFD2 und der Aminosäurestoffwechsel eine wichtige Rolle in der Reaktion des Endothels auf Lipide spielen“, so Prof. Ralf Brandes, Direktor des Instituts für Kardiovaskuläre Physiologie am Fachbereich Medizin der Goethe-Universität und Seniorautor der Studie.
„Das Besondere an dieser Arbeit ist, dass wir nicht nur einen wichtigen neuen Stoffwechselweg im Blutgefäßsystem identifiziert haben, sondern auch, dass wir nur durch computerbasierte Modellierung der endothelialen Reaktion auf Lipide auf diesen Weg gestoßen sind“, so Brandes.
Computer sagen Krankheitsentwicklung voraus
Das internationale Forscherteam setzt sich – neben Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Frankfurt, die knapp über die Hälfte der Beteiligten darstellen – besonders aus Bioinformatikern der Icahn School of Medicine in Mount Sinai, New York zusammen. Die Experten führten eine computergestützte Analyse von Daten zum Erbgut und der Genexpression, also der Art wie ein Gen zum Ausdruck kommt, von menschlichen Endothelzellen durch. Auf deren Basis sagten sie vorher, dass MTHFD2 ein Schlüsselenzym ist in der endothelialen Reaktion auf Lipide und hierüber den Aminosäurestoffwechsel reguliert. Die computerbasierte Vorhersage wurde anschließend in Zellkulturversuchen, Tierexperimenten und klinischen Proben überprüft und bestätigt. In der Tat fanden sich vielfältige Hinweise, dass dieser Stoffwechselweg auch bei Gefäßerkrankungen und erhöhten Blutfetten beim Menschen aktiv ist.
Stressreaktion der Gefäßverkleidung trägt zur Krankheitsentstehung bei
Kern der Beobachtung ist, dass MTHFD2 an der Spitze einer Stressreaktion des Endothels steht (Abb.). Diese endet in der Freisetzung von Botenstoffen, besonders Adenosintriphosphat (ATP), um einen Gefahrenzustand zu signalisieren. MTHFD2 wird dabei benötigt, um zunächst die Aminosäure Glycin zu synthetisieren, die dann wiederum für die Bildung von Adenosin benötigt wird, dem Ausgangsprodukt von ATP. ATP, das innerhalb der Zelle als Energiequelle benutzt wird, erzeugt außerhalb der Zelle eine entzündliche Reaktion und löst damit adäquate Reaktionen auf einen Gefahrenzustand aus. „Die Entzündung befördert das Fortschreiten der Arteriosklerose maßgeblich. MTHFD2 könnte also ein wichtiger Ansatzpunkt für neue pharmazeutische Therapien werden, da es an der Spitze der endothelialen Reaktionskette steht“, erklärt Juliane Hitzel den Nutzen der Entdeckung für die medizinische Behandlung. Die Biochemikerin hat als Doktorandin und Erstautorin das Projekt maßgeblich durchgeführt.
Pressemitteilung der Universitätsklinik Frankfurt
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