Neuer Enzymtest unterstützt Therapiewahl bei Leukämie
Bessere Vorhersage von Therapieerfolg bei chronisch lymphatischer Leukämie / EnFin GmbH präsentiert neuen Enzymtest / Erfolgreiche Entwicklung von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Heidelberg
Mit Hilfe eines neuen, von Heidelberger Wissenschaftlern entwickelten Enzymtests lässt sich besser als bisher vorhersagen, ob ein Patient von einer Standard-Chemoimmuntherapie profitieren kann oder eher eine andere, teurere Behandlung erhalten sollte. Die Methode der EnFin GmbH – einer Ausgründung von Mitarbeitern des Universitätsklinikums Heidelberg – basiert auf Schlüsselenzymen des Tumorstoffwechsels, deren Aktivität mit dem Test errechnet wird. Die Ergebnisse einer ersten klinischen Studie wurden aktuell in der Fachzeitschrift „EBioMedicine“ publiziert.
Bis zu einem Viertel der Patienten spricht nicht ausreichend auf Standardtherapie an
Die Chemoimmuntherapie (CIT) gilt derzeit als Standardtherapie bei chronisch lymphatischer Leukämie (CLL), bei der es zur übermäßigen Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) kommt. Auch wenn ein Großteil der Patienten von der üblichen Therapie profitieren kann, spricht bis zu einem Viertel der Patienten nicht ausreichend darauf an. Als einziger Hinweis auf ein unzureichendes Ansprechen lassen sich bislang im Vorfeld einer Therapie DNA-Veränderungen im Gen TP53 nachweisen, was allerdings nur bei drei bis acht Prozent der Patienten gelingt. Hier setzt der von den Gruppen um Dr. Georg Gdynia vom Pathologischen Institut und Dr. Leopold Sellner von der Medizinischen Klinik V des Universitätsklinikums Heidelberg entwickelte Test an: Um in Zukunft besser abschätzen zu können, ob bei einem Patienten eine Standardbehandlung erfolgversprechend ist, oder ob doch eher eine andere, wenn auch teurere Therapie in Betracht gezogen werden sollte, entwickelten die Wissenschaftler unter dem Dach der Klinikums-Ausgründung EnFin GmbH ein Vorhersagetool auf der Basis des Stoffwechsels von Tumorzellen.
Individueller Stoffwechsel als Motor des Tumorwachstums
Die Idee für den Enzymtest basiert auf Unterschieden im Stoffwechsel von gesunden Zellen und Tumorzellen. Dieses Phänomen hatte der Nobelpreisträger, Biochemiker und Mediziner Otto Warburg schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts beschrieben, es fand jedoch lange weniger Beachtung als genetische Faktoren.
Gesunde Zellen benötigen für ihr Wachstum Sauerstoff und Nährstoffe wie Glucose, die in Zellbausteine und Energieträger umgewandelt werden. „Aggressive Krebszellen sind in der Lage, auch in sauerstoffarmen (hypoxischen) Nischen zu wachsen, indem sie ihren Stoffwechsel radikal umstellen“, sagt Dr. Georg Gdynia. Als Schlüsselenzyme dieses anaeroben Abbaus von Glucose gelten Pyruvatkinase (PKM2) und Laktatdehydrogenase (LDH), die nicht nur Schaltstellen der veränderten Stoffwechselwege sind, sondern auch zur Freisetzung von Zwischenprodukten führen, die Immunzellen unterdrücken und das Ansprechen auf Chemotherapeutika unterbinden.
Sechsfach bessere Vorhersage
In der neu veröffentlichten Studie untersuchten die Wissenschaftler bei 96 CLL-Patienten die Enzymaktivität von PKM2 und LDH der Leukämiezellen unter standardisierten sauerstofffreien Bedingungen. Die Ergebnisse setzten sie in Bezug zum Ansprechen der Patienten auf die Standardtherapie und Veränderungen im Gen TP53. Hierbei fanden sie, dass ein schlechtes Ansprechen häufiger mit veränderten Enzymaktivitäten einherging als mit Veränderungen im Gen TP53.
Die Ergebnisse dieser für die Zulassung des Tests relevanten Studie geben Anlass zur Hoffnung; weitere klinische Studien sind derzeit im Gange. „Unser Softwarealgorithmus zur Berechnung der Erfolgsaussichten einer Therapie ist lernfähig“; sagt Dr. Georg Gdynia. Das heißt, je mehr Analysen durchgeführt werden, desto besser wird die Prognose. „Mit dem Test lassen sich schon jetzt fast sechsfach mehr Patienten herausfinden, die von einer Standardtherapie voraussichtlich nicht profitieren, als es bisher mit der TP53-Analyse alleine möglich ist“, sagt er. Mit dem einfach in die klinische Diagnostik integrierbaren Test lassen sich Entscheidungen zur individuellen Behandlung im Rahmen der personalisierten Therapie gut unterstützen. Die Forscher rechnen mit Zulassung bis zum Ende des Jahres und arbeiten bereits an der Weiterentwicklung der Methode für andere Tumorarten.
Über die EnFin GmbH – die Ausgründung des Universitätsklinikums Heidelberg entwickelt neue Diagnosemarker und Behandlungsstrategien für verschiedene Krebsarten
Die EnFin GmbH („Energetic Fingerprinting“) ist ein Start-up Unternehmen als Ausgründung des Universitätsklinikums Heidelberg. Das Team um Dr. Georg Gdynia entwickelte den weltweit ersten Test zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit von Metastasierung sowie Möglichkeiten zur Vorhersage des Therapieansprechens bei verschiedenen Krebserkrankungen. Dr. Gdynia erhielt mehrfach Auszeichnungen für seine Forschung, unter anderem den Landesforschungspreis für angewandte Forschung (2016) und den Novartis-Preis der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (2016).
Literatur
G. Gdynia et al., Distinct Activities of Glycolytic Enzymes Identify Chronic Lymphocytic Leukemia Patients with a more Aggressive Course and Resistance to Chemo-Immunotherapy, EBioMedicine. 2018 Jun; 32: 125-133.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352396418301956
Weitere Informationen im Internet
EnFin: https://www.enfin-labs.de
Über EnFin: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Presse.9667.0.html
Video zum Zellstoffwechsel:https://www.youtube.com/watch?v=P-rYKKhJ2PU