Migräne

Behandlungen von Verhalten (behaviorale Therapie) können Migränepatienten vielseitig helfen

Original Titel:
Behavioral Approaches for Primary Headaches: Recent Advances

Zusammenfassend zeigte sich, dass Behandlungen, die auf das Verhalten der Kopfschmerzpatienten abzielen, durchaus wirksam sein können. Ein wichtiger Effekt war dabei die Stärkung der Selbstwirksamkeit von Patienten, mit der auch die medikamentöse Therapie unterstützt werden kann. Verhaltensbehandlungen haben typischerweise weniger Nebenwirkungen als medikamentöse Behandlungen. Damit sind sie für verschiedene Lebenslagen wie Kindheit oder Schwangerschaft von großer Bedeutung, in denen die Medikamentenwahl aus Sicherheitsgründen eingeschränkt ist. Aber auch für Patienten mit mehreren Erkrankungen und entsprechend mehreren einzunehmenden Medikamenten können solche Behandlungen, zur Vermeidung von Wechselwirkungen, eine gute Hilfe sein. Mindestens bieten sich diese Methoden aber als ergänzende Maßnahmen an. Immerhin sind viele Migränebehandlungen nur unzureichend wirksam. Da zählt jede kleine zusätzliche Verbesserung.


Behandlungen des Verhaltens, sogenannten behaviorale Therapien, werden immer mehr als wirksam bei dem Management primärer Kopfschmerzen erkannt. Als ‚primär‘ zählen Kopfschmerzen, die keine klare körperliche Ursache wie beispielsweise eine Kopfverletzung, Tumor oder Ähnliches haben. Dazu zählen Spannungskopfschmerzen, Clusterkopfschmerz und die Migräne. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern mit solchen Kopfschmerzen können Behandlungen, die auf das Verhalten der Patienten zielen, wirksam sein. Aber wie durchgängig wirksam diese Behandlungserfolge sind, ist nicht ganz klar. Dazu führten Neurologe Dr. Raggi und Kollegen des italienischen Neurological Institute der C. Besta IRCCS Foundation nun eine Übersichtsstudie durch, in der sie Studien zu Verhaltensbehandlungen bei Erwachsenen und Heranwachsenden mit primären Kopfschmerzen ermittelten. Speziellen Fokus legten sie dabei auf neuere Behandlungen.

Welche behavioralen Therapien gibt es?

Wie in einer weiteren Studie (Puledda und Shields, 2018 im Fachjournal Neurotheraputics erschienen) aktuell beschrieben, stehen derzeit viele Methoden zur Verhaltensbehandlung bei Kopfschmerzen zur Verfügung. Dazu gehören Entspannungsmethoden, Biofeedback (also eine Rückkopplung von Körpersignalen) oder kognitive Verhaltenstherapie. Häufig gehört zu den Behandlungen auch eine Aufklärung über mögliche Ursachen von Kopfschmerzen. Ein anderes wesentliches Ziel solcher Methoden ist es, den Patienten deutlicher ihre Symptome aufzuzeigen. Damit kann einerseits der Umgang damit verbessert werden, andererseits können zum Teil auch mögliche Auslöser (Trigger) besser erkannt werden. Zu den Entspannungstechniken gehören die progressive Muskelrelaxation, autogenes Training und Meditation. Biofeedbacktraining nutzt dagegen elektronische Geräte, die den Patienten Reaktionen des Körpers leichter feststellen lassen. Muskelanspannung, Blutdruck und Herzfrequenz können beispielsweise auf Stressreaktionen im Körper deuten – ein häufiger Auslöser für Migräne. Erkennen Patienten solche Signale früher, können sie eventuell besser den Stressauslösern aus dem Weg gehen oder Gegenmaßnahmen ergreifen. Die kognitive Verhaltenstherapie konzentriert sich dagegen auf Symptome der Kopfschmerzen, aber auch auf psychische und emotionale Symptome von Stress und unterstützt im Umgang damit. Immer mehr wird auch die Bedeutung von Schlaf und Schlafhygiene erkannt – auch hierzu gibt es vermehrt Behandlungen. Inzwischen haben auch verschiedene Untersuchungen auf den Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Migräne hingewiesen, mit teils guten Erfolgen von Behandlungen zur Gewichsabnahme bei Übergewicht und Migräne.

Kann die Behandlung des Verhaltens Migräne lindern?

Dr. Raggi und Kollegen durchsuchten nun die medizinwissenschaftliche Datenbank SCOPUS nach wissenschaftlichen Veröffentlichung in denen Verhaltensbehandlungen für Kopfschmerzerkrankungen untersucht wurden. Dabei wurden sowohl rein beobachtende Studien als auch solche berücksichtigt, in denen eine Kontrollmethode (z. B. eine Scheinbehandlung) getestet wurde. Studien aus dem Zeitraum von Januar 2010 bis Oktober 2017 wurden zur Analyse herangezogen.

Übersicht der Studien aus den letzten 8 Jahren

Die Forscher fanden 22 Veröffentlichungen, mit insgesamt 2110 Studienteilnehmern. In den meisten Studien wurden kognitive Verhaltenstherapien als eine wesentliche Methode beschrieben. Unabhängig vom jeweiligen Behandlungsansatz berichteten die meisten Studien eine Senkung der Kopfschmerzhäufigkeit um 35 %. Besonders fanden viele Untersuchungen aber auch Verbesserungen in kopfschmerzbedingter Einschränkung (wie beispielsweise mit dem MIDAS-Fragebogen ermittelt wird) und in der Lebensqualität der Betroffenen. Auch begleitende Symptome wie Depressionen und Ängste konnten häufig mit den Verhaltensbehandlungen verbessert werden. Die Patienten steigerten auch oft ihre ‚Selbstwirksamkeit‘: sie hatten also nach der Behandlung das Gefühl, selbst ihre Krankheit beeinflussen zu können. Schließlich zeigte sich in der Analyse auch, dass die behandelten Patienten verlässlicher ihre jeweiligen Medikamente einnahmen. Mit den ergänzenden Therapien konnte demnach auch oft eine Verbesserung der Nutzung der medikamentösen Therapie erreicht werden.

Verhaltensbehandlungen stärken die Selbstwirksamkeit und bessern Symptome und Lebensqualität

Zusammenfassend zeigte sich also, dass Behandlungen, die auf das Verhalten der Kopfschmerzpatienten abzielen, durchaus wirksam sein können. Ein wichtiger Effekt war dabei die Stärkung der Selbstwirksamkeit von Patienten, mit der auch die medikamentöse Therapie unterstützt werden kann. Verhaltensbehandlungen haben typischerweise weniger Nebenwirkungen als medikamentöse Behandlungen. Damit sind sie für verschiedene Lebenslagen wie Kindheit oder Schwangerschaft von großer Bedeutung, in denen die Medikamentenwahl aus Sicherheitsgründen eingeschränkt ist. Aber auch für Patienten mit mehreren Erkrankungen und entsprechend mehreren einzunehmenden Medikamenten können solche Behandlungen, zur Vermeidung von Wechselwirkungen, eine gute Hilfe sein. Mindestens bieten sich diese Methoden aber als ergänzende Maßnahmen an. Immerhin sind viele Migränebehandlungen nur unzureichend wirksam. Da zählt jede kleine zusätzliche Verbesserung.

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