Herpesviren im Gehirn eröffnen neue Wege für die Behandlung der Alzheimerdemenz
Original Titel:
Multiscale Analysis of Independent Alzheimer’s Cohorts Finds Disruption of Molecular, Genetic, and Clinical Networks by Human Herpesvirus.
Diese neue Studie legt nahe, dass die Alzheimerdemenz eventuell die Folge eines überaktiv gewordenen Abwehrsystems ist. Die Analyse der Gene in der aktuellen Studie zeigte, dass die Abwehr eventuell gegen bestimmte Herpesviren aktiviert wird. Damit eröffnen sich neue Perspektiven auf Behandlungsoptionen bei einer Alzheimerdemenz. Beispielsweise könnten möglicherweise antivirale Medikamente bei Patienten mit einer frühen Alzheimererkrankung helfen, wenn diese eine hohe Herpesvirusmenge im Gehirn aufweisen. Eine erste Studie dieser Art hat aktuell im Februar 2018 in den USA begonnen. Ein weiterer, aber riskanter Ansatz ist der, die Abwehrzellen des Gehirns zu bremsen, um eine Überreaktion auf den Virusinfekt zu verhindern. Endlich scheinen also wirklich neue Wege zu einer tatsächlichen Therapie der Alzheimererkrankung erkennbar zu sein.
Wodurch genau die Alzheimerdemenz auslöst wird, ist nicht klar. Virusinfekte stehen allerdings im Verdacht, zum Beginn und auch dem Fortschreiten der Erkrankung beizutragen. Es ist allerdings sehr schwierig, einen solchen Verdacht auch zu untermauern. Nur weil ein Mensch sowohl mit einem Virus infiziert war und an Alzheimerdemenz erkrankt ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass der Virus schuld an der Alzheimererkrankung ist.
Forscher unter Leitung von Prof. Dudley, Direktor des Institute for Next Generation Healthcare der Icahn School of Medicine in New York, untersuchten nun Gene, also die Bauvorlagen für Eiweißstoffe, im Gehirn, die auf einen Virusinfekt deuten könnten. Diese Untersuchung führten sie an Gehirngewebe von bereits verstorbenen Menschen durch, die in fortgeschrittenem Alter an der Alzheimerdemenz erkrankt waren. Die Ergebnisse verglichen sie mit Untersuchungen am Gehirngewebe gesunder Kontrollpersonen, die in ähnlichem Alter verstorben waren. Dadurch konnten sie Muster aufdecken, die eher bei Alzheimerpatienten zu finden waren als bei Menschen, die nicht unter dieser Erkrankung gelitten hatten.
Genvergleiche im Gehirn von Alzheimerpatienten und gleichaltrigen Kontrollpersonen
Allgemein fanden sich viele Gene von Viren auch in den Gehirnen gesunder Personen. Besonders zwei Herpesviren fielen aber bei den Untersuchungen der Alzheimerpatienten auf. Die sogenannten humanen (Menschen befallende) Herpesviren 6A (kurz HHV-6A) und 7 (HHV-7) waren besonders häufig bei Menschen zu finden, die unter der Alzheimerdemenz gelitten hatten, seltener aber bei den Kontrollpersonen. Dieses Ergebnis wurde in zwei unterschiedlichen Gruppen Patienten und Kontrollen an unterschiedlichen Orten der Welt bestätigt. Die genetischen Muster deuteten auch darauf, dass bereits bekannte Alzheimerrisikogene auch die Erkrankung bzw. den Befall des Gehirns mit den Herpesviren wahrscheinlicher machte.
Alzheimerrisikogene erhöhten die Wahrscheinlichkeit für Herpesinfekt des Gehirns
Dabei zeigte sich auch, dass die Gene der Viren gewissermaßen mit Alzheimerrisikogenen zusammenarbeiten konnten – und so vermutlich das Risiko der betroffenen Person, an der Demenz zu erkranken, weiter erhöhten. Die Menge an Virenbelastung hing nämlich mit bestimmten Kontrollmechanismen des Gehirns zusammen, die bei einer Alzheimererkrankung als kritisch gelten. Allerdings reichen Herpesviren im Gehirn nicht aus, um eine Alzheimerdemenz zu entwickeln. Werden die Viren aktiv und vermehren sich, stößt dies möglicherweise verschiedene Prozesse an, die dann zu der Ansammlung von Alzheimerplaques und den bekannten Symptomen der Alzheimererkrankung führen. Zu diesen Prozessen könnte eine Immunreaktion gehören.
Alzheimerdemenz: eine Abwehrantwort gegen Viren?
Dieses neuere Konzept versteht die Betaamyloid-Eiweißstoffe als Teile eines alten Abwehrsystems des Gehirns, die durch die Herpesinfektion aktiviert werden. Die Plaques aus Betaamyloid könnten demnach wie die Perlen einer Auster sein: sie umhüllen gefährliche Eindringlinge, um das Gehirn zu schützen. Soscia und Kollegen zeigten sogar (2010 im Fachjournal PLOS One erschienen), dass Betaamyloid tatsächlich im Labor Mikroorganismen wie Viren wirksam bekämpfen kann.
Neue Wege zur Behandlung der Alzheimererkrankung
Demnach ist die Alzheimerdemenz eventuell die Folge eines überaktiv gewordenen Abwehrsystems. Die Analyse der Gene in der aktuellen Studie zeigte nun, dass die Abwehr eventuell gegen bestimmte Herpesviren aktiviert wird. Damit eröffnen sich neue Perspektiven auf Behandlungsoptionen bei einer Alzheimerdemenz. Beispielsweise könnten möglicherweise antivirale Medikamente bei Patienten mit einer frühen Alzheimererkrankung helfen, wenn diese eine hohe Herpesvirusmenge im Gehirn aufweisen. Eine erste Studie dieser Art mit dem Wirkstoff Valacyclovir hat aktuell im Februar 2018 in den USA begonnen. Ein weiterer, aber riskanter Ansatz ist der, die Abwehrzellen des Gehirns zu bremsen, um eine Überreaktion auf den Virusinfekt zu verhindern. Endlich scheinen also wirklich neue Wege zu einer tatsächlichen Therapie der Alzheimererkrankung erkennbar zu sein.
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