Niedrig-Risiko-Prostatakrebs: Wann Eingreifen statt Beobachten? – Die erste Biopsie gibt Hinweise
Original Titel:
Prognostic influence of 5 alpha reductase inhibitors in patients with localized prostate cancer under active surveillance
Patienten mit einem Niedrig-Risiko-Prostatakrebs haben die Möglichkeit, den Krebs erstmal engmaschig kontrollieren und beobachten zu lassen, bevor sie sich einer Behandlung unterziehen. Forscher fanden nun heraus, dass Patienten, bei denen mehr als zwei Gewebeproben bei der ersten Biopsie vom Krebs befallen waren, ein sehr viel höheres Risiko dafür hatten, dass die Erkrankung weiter fortschritt. Für diese Patienten schien das bloße Beobachten demnach nicht geeignet zu sein. Die Einnahme von 5α-Reduktase-Hemmern hatte hingegen keinen Einfluss auf das Risiko für einen Krankheitsfortgang.
Aufgrund des PSA (prostataspezifisches Antigen)-Tests wird ein Prostatakrebs immer häufiger schon im frühen Stadium oder in einer milderen Form entdeckt. Für die Patienten, die ein niedriges Risiko dafür haben, dass die Krankheit schwer verläuft, besteht die Möglichkeit, zunächst erst abzuwarten und den Tumor regelmäßig kontrollieren zu lassen, statt direkt mit einer Therapie zu beginnen. Das Risiko für einen schweren Verlauf wird mithilfe von verschiedenen Parametern eingeschätzt. Dazu zählen der PSA-Wert bei der Diagnose, die Tumorausbreitung und die Aggressivität des Tumors (bestimmt durch den Gleason-Score). Doch wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Eigenschaften des Tumors während der Beobachtungszeit ungünstig verändern oder dass die Erkrankung fortschreitet? Und spielen 5α-Reduktase-Hemmer – Wirkstoffe, die für die Behandlung von Prostatavergrößerungen und vererbtem Haarausfall eingesetzt werden – dabei eine Rolle?
68 Niedrig-Risiko-Patienten entschieden sich zunächst gegen aktives Einschreiten und ließen den Krebs regelmäßig kontrollieren
Diese Fragen stellte sich ein Wissenschaftsteam aus der Türkei. Die Wissenschaftler untersuchten 69 Patienten, bei denen es noch keine Anzeichen dafür gab, dass sich der Prostatakrebs bereits in andere Körperregionen ausgebreitet hat. Alle Patienten zählten zu den Niedrig-Risiko-Patienten. Das bedeutet, dass ihr PSA-Wert höchstens bei 15 ng/ml lag, dass der Gleason-Score höchstens 6 war, dass die PSA-Dichte (Verhältnis von PSA-Wert zu Prostatavolumen) höchstens 0,20 war, dass der Tumor auf die Prostata begrenzt war und dass höchstens drei der entnommenen Gewebeproben Krebszellen aufwiesen. Damit der Patient zu der Niedrig-Risiko-Gruppe gehörte, mussten alle genannten Bedingungen erfüllt sein. Alle 69 Niedrig-Risiko-Patienten hatten sich dafür entschieden, noch nicht sofort einzugreifen, sondern erstmal abzuwarten und den Krebs regelmäßig kontrollieren zu lassen. Die regelmäßigen Kontrollen liefen wie folgt ab: in den ersten 2 Jahren wurde alle 3 Monate der PSA-Wert gemessen und halbjährlich eine rektale Tastuntersuchung durchgeführt. Nach den 2 Jahren wurde der PSA-Test nur noch alle 6 Monate durchgeführt. Außerdem wurde die Biopsie, also die Gewebeprobeentnahme, jährlich – oder wenn es Auffälligkeiten gab – wiederholt. Kam es zu einem Fortschreiten der Erkrankung, wurde eine Therapie (eine Strahlentherapie oder die operative Entfernung der Prostata) empfohlen. Das war dann der Fall, wenn der Gleason-Score anstieg, wenn sich die Anzahl an krebsbefallenen Gewebeproben bei der erneuten Biopsie erhöhte oder wenn die Gewebeproben der wiederholten Biopsie einen größeren Anteil an Krebszellen aufwiesen. Die Analyse der Daten ergab, dass dies bei etwa jedem 3. Patienten (22 Patienten, 32 %) nach einer mittleren Beobachtungszeit von 25 Monaten der Fall war.
Wiesen bei der ersten Biopsie mehr als zwei Gewebeproben Krebszellen auf, war das Risiko für einen Krankheitsfortgang erhöht
Um den Einfluss von 5α-Reduktase-Hemmern zu untersuchen, wurden die Patienten, je nachdem ob sie diesen Wirkstoff einnahmen oder nicht, in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt. 42 % der Patienten (29 Patienten) machten von diesem Wirkstoff Gebrauch, während die restlichen 58 % (40 Patienten) das nicht taten. Der mittlere Beobachtungszeitraum der Patienten, die 5α-Reduktase-Hemmer bekamen, lag bei 39 Monaten und bei den anderen Patienten bei 23,5 Monaten. Bei beiden Patientengruppen kam es etwa gleich häufig zu einem Fortschreiten der Erkrankung, welche eine Therapie nötig machte (mit 5α-Reduktase-Hemmer: 34,5 %; ohne 5α-Reduktase-Hemmer: 30 %). Die Anwendung von 5α-Reduktase-Hemmern schien somit keinen Einfluss auf das Krankheitsfortschreiten zu haben. Stattdessen konnten statistische Analysen zeigen, dass die Anzahl der von Krebs befallenen Gewebeproben bei der ersten Biopsie einen Einfluss auf das Risiko für das Fortschreiten der Erkrankung hatte. Patienten, bei denen mehr als zwei Gewebeproben, die während der ersten Biopsie entnommen wurden, Krebszellen aufwiesen, hatte ein etwa 11-mal so hohes Risiko für einen Krankheitsfortgang wie die Patienten, bei denen nur eine oder zwei Proben betroffen waren.
Patienten, bei denen mehr als zwei Gewebeproben bei der ersten Biopsie vom Krebs befallen waren, hatten somit ein sehr viel höheres Risiko dafür, dass die Erkrankung weiter fortschritt. Die Autoren regen an, dass diesen Patienten das Abwarten und Beobachten nicht empfohlen werden sollte. Die Einnahme von 5α-Reduktase-Hemmern hatte hingegen keinen Einfluss auf das Risiko für einen Krankheitsfortgang.
© Alle Rechte: HealthCom