Erste Therapie beim Enddarmkrebs erfolgreich – Kann auf eine Operation erstmal verzichtet werden?

Original Titel:
Long-term outcomes of clinical complete responders after neoadjuvant treatment for rectal cancer in the International Watch & Wait Database (IWWD): an international multicentre registry study

Nicht selten erhalten Patienten mit einem Enddarmkrebs vor einer geplanten Operation eine Therapie, um die Ausgangssituation für die Operation zu verbessern (neoadjuvante Therapie). Ist der Tumor nach dieser Therapie bereits komplett verschwunden, kann in Erwägung gezogen werden, erst einmal auf die Operation zu verzichten und den Krankheitsverlauf engmaschig zu kontrollieren. Ein internationales Forscherteam sammelte Daten von Patienten, bei denen so vorgegangen wurde. Sie fanden heraus, dass, wenn der Krebs an derselben Stelle wiederkehrte, dies in den allermeisten Fällen innerhalb der ersten 2 Jahre geschah und fast immer die Darmwand betroffen war.


Die Operation bildet den Grundstein der Darmkrebs-Behandlung und wird in allen Stadien der Erkrankung angewandt. Viele Patienten erhalten vor der Operation jedoch eine Chemotherapie oder Strahlentherapie oder eine Kombination aus beidem, um den Tumor zu verkleinern, sodass er leichter zu entfernen ist. In diesem Fall ist von einer neoadjuvanten Therapie die Rede. Nicht selten schlägt diese Therapie vor einer Operation so gut an, dass der Tumor bereits mit dieser Maßnahme verschwindet. Es stellt sich dann die Frage, ob die Patienten trotzdem vorsorglich operiert werden sollten, um einen Krankheitsrückfall zu verhindern, oder ob diesen Patienten eine Operation mit ihren ganzen Nebenwirkungen erspart werden kann. Es gibt bereits einige Hinweise darauf, dass Patienten mit einem Enddarmkrebs bedenkenlos erstmal abwarten können, bevor sie sich einer Operation unterziehen, nachdem eine vorangegangene Therapie dafür gesorgt hat, dass der Tumor verschwunden ist. Eine Voraussetzung für das Abwarten sind jedoch regelmäßige engmaschige Kontrollen, um im Falle eines Krankheitsfortganges unverzüglich eingreifen zu können. Die Studie, die zeigten, dass die entsprechenden Patienten keinen Nachteil durch die abwartende Haltung hatten, waren bisher jedoch eher klein, was bedeutet, dass sie nur wenige Studienteilnehmer umfassten. Ein internationales Forscherteam mit Wissenschaftlern aus den Niederlanden, Portugal, Brasilien und England wollte nun mit einer größer angelegten Studie überprüfen, ob den Patienten tatsächlich das „Abwarten und Beobachten“ empfohlen werden kann. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in einer der bestangesehensten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet.

Forscher sammelten Daten von Enddarmkrebs-Patienten, die nach einer erfolgreichen neoadjuvanten Therapie zunächst auf eine Operation verzichteten

Für ihre Studie sammelten die Wissenschaftler zwischen 2015 und 2017 Daten von 1009 Patienten mit Enddarmkrebs, bei denen nach einer neoadjuvanten Therapie zunächst auf eine Operation verzichtet wurde. Die Patienten stammten aus 15 verschiedenen Ländern und wurden engmaschig kontrolliert. Zu den protokollierten Daten gehörten allgemeine Informationen zu den Personen, Informationen darüber, welche Art der neoadjuvanten Therapie sie erhalten hatten, Untersuchungsergebnisse von bildgebenden Verfahren und Informationen über den Krankheitsverlauf. All diese Daten speisten die Wissenschaftler in eine spezielle Datenbank ein. Für ihre Analyse verwendeten sie anschließend jedoch nur die Daten von den 880 Patienten, bei denen nach einer neoadjuvanten Therapie kein Tumor mehr gefunden wurde. Die Patienten wurden im Mittel 3,3 Jahre lang begleitet.

Ein lokaler Krankheitsrückfall trat in den meisten Fällen innerhalb der ersten zwei Jahren auf

Bei der Analyse der Daten kamen die Wissenschaftler zu folgenden Ergebnissen: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor innerhalb von 2 Jahren an der gleichen Stelle erneut auftrat, lag bei 25 %. Auffällig war, dass die allermeisten lokal wiederkehrenden Tumore (88 %) innerhalb der ersten 2 Jahre entdeckt wurden. Fast all diese Tumore (97 %) befanden sich in der Darmwand.

Die meisten Patienten überlebten länger als 5 Jahre

Bei insgesamt 71 Patienten (8 %) traten Metastasen auf – also Absiedlungen von Krebszellen in weiter entfernt liegende Körperregionen. In solchen Fällen ist eine Heilung zwar nicht mehr möglich, das Überleben kann jedoch durch Medikamente verbessert werden. Insgesamt überlebten die allermeisten Patienten mehr als 5 Jahre. Das allgemeine 5-Jahres-Überleben lag nämlich bei 85 % und das krebsspezifische 5-Jahres-Überleben bei 94 %.

Die Wissenschaftler erstellten somit eine große Datenbank, die Daten von Patienten mit Enddarmkrebs beinhaltete, die nach einer neoadjuvanten Therapie nicht gleich operiert wurden, sondern deren Krankheitsverlauf durch engmaschige Kontrollen erstmal beobachtet wurde. Mit Hilfe dieser Datenbank fanden die Wissenschaftler heraus, dass, wenn der Krebs an derselben Stelle wiederkehrte, dies in den allermeisten Fällen innerhalb der ersten 2 Jahre geschah und fast immer die Darmwand betroffen war. Dies bedeutet, dass Darmspiegelungen besonders wichtig sind, um einen wiederkehrenden Tumor schnellstmöglich entdecken zu können. Diese sollten vor allem in den ersten zwei Jahren in kleineren Zeiträumen stattfinden, wenn sich ein Patient für die „Abwarten und Beobachten“-Methode entscheidet.

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