Vorbeugung angebracht: Schlaganfall nach gestörter Gehirndurchblutung kann Migränepatienten vor allem mit Aura stärker betreffen
Original Titel:
Vulnerability to Infarction During Cerebral Ischemia in Migraine Sufferers
MedWiss – Zusammenfassend fand die Untersuchung, dass eine Migräneerkrankung wahrscheinlich das individuelle Risiko für einen Hirninfarkt oder ischämischen Schlaganfall infolge einer mangelhaften Durchblutung des Gehirns erhöht. Davon sind besonders Patienten mit Aura betroffen. Beruhigend: dabei schien nicht mehr Gehirngewebe insgesamt betroffen zu sein als bei Betroffenen ohne Migräne. Die Autoren legen eine gezieltere Vorbeugung von Schlaganfällen sowie Früherkennung von Durchblutungsstörungen des Gehirns bei Migränepatienten nahe, um daraus folgende Gehirnschäden zu verhindern. Vorbeugend gelten die Klassiker des gesunden Lebens als wesentlich: nicht Rauchen, ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Ausdauersport, Verbesserung von Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten und ein gesundes Gewicht sorgen für gute Chancen, einen Hirninfarkt zu vermeiden.
Wie hoch ist das Risiko für einen Schlaganfall für Migränepatienten? Diese Frage geht vielen Patienten durch den Kopf – eine Studie italienischer Experten rund um den Neuroradiologen Prof. Pezzini untersuchte daher nun, wie anfällig Menschen mit Migräne dafür sind. Dahinter steht, dass die Überreizbarkeit des Gehirns (eine sogenannte cerebral hyperexcitability) das Gehirngewebe für eine mangelhafte Blutversorgung anfälliger machen könnte – wenn ein Gewebe sehr aktiv ist, benötigt es schließlich auch viel Energie und Sauerstoff, also einen verlässlichen Zustrom frischen Bluts. Migräne ist eine Erkrankung, bei der das Gehirn auf bestimmte Reize oder Wiederholungen von Reizen stark überreagiert. Wird nun ein Blutgefäß im Gehirn blockiert und in der Folge Gehirngewebe nicht durchblutet, stirbt eventuell besonders hoch aktives Gewebe schneller ab.
Schlaganfall nach Durchblutungsblockade – ein Problem besonders bei Migränepatienten?
In einer Multizentrenstudie mit einer Patientengruppe, die akut einen Schlaganfall mit mangelhafter Blutzufuhr in Teilen des Gehirns erlitten hatte, ermittelten die Forscher die Häufigkeit einer Migräneerkrankung. Die Patienten wurden alle optimal für ihren Schlaganfall behandelt (z. B. mit der sogenannten Tomographie-gestützten Perfusion und Reperfusionstherapie). Analysiert wurde anschließend, wie viel des betroffenen Gehirngewebes gerettet werden konnte, wie groß der Infarkt (also das verlorene Gehirngewebe) schließlich war, und ob diese Faktoren in Zusammenhang mit einer eventuellen Migräneerkrankung standen. Rund um das Infarktgewebe liegt vor einer Behandlung die sogenannte Penumbra – definiert als das Gewebe, das mangelhaft versorgt und somit stark gefährdet, aber noch zu retten ist. Die Penumbra lässt sich als Schnittstelle zwischen zerstörtem und gesundem Gehirngewebe mithilfe zweier bildgebender Verfahren erkennen, bei denen eines den mangelnden Blutfluss sichtbar macht, das andere aktives Gewebe anzeigt. Diesen Unterschied zwischen den beiden Verfahren, der das noch zu rettende Gewebe andeutet, nennt man mismatch, also nicht zusammenpassend. In der Studie nun wurde ermittelt, wie häufig der no-mismatch vorkam, dass also keine noch rettbare Penumbra zu erkennen war.
Wie häufig kann noch Gewebe in der schlecht durchbluteten Region gerettet werden?
In die Studie aufgenommen wurden 61 Patienten mit Migräne (34 Männer, 55,7 %). Diese Patienten waren im Mittel 52 Jahre alt. 44 der Patienten litten unter Migräne ohne Aura, 17 Patienten an Migräne mit Aura. Zum Vergleich wurden 61 Patienten ohne Migräne-Historie aufgenommen. Die Häufigkeit des no-mismatch-Befunds war deutlich größer bei Patienten mit Migräne (17 Betroffene, 27,9 %) als bei Patienten ohne Migräne (7 Betroffene, 11,5 %). Anders herum betrachtet: bei etwa drei Viertel der Patienten mit Migräne konnte eine Penumbra gefunden werden, die noch zu rettendes Gewebe enthielt. Bei Patienten ohne Migräne zeigten dagegen etwa 90 % der Patienten die Penumbra. Bei den Migränepatienten hatten besonders häufig die Menschen mit Aura den no-mismatch-Befund (6 Patienten mit Aura, 35,3 %). Patienten ohne Aura waren dagegen statistisch nicht unterscheidbar von den Patienten, die nie unter Migräne gelitten hatten.
Im Vergleich zeigte sich damit ein messbarer Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und dem no-mismatch-Befund, der anzeigt, dass in dem durch Schlaganfall unterversorgten Gehirngewebe keine zu rettenden Strukturen erkennebar sind. Die Wahrscheinlichkeit für Patienten mit Migräne war dabei im Mittel um das 2,65-fache erhöht, für Patienten mit Aura im Mittel um das 5,54-fache. Im Schnitt waren die geretteten Regionen bei den Migräne-Patienten mit Aura auch kleiner als bei Patienten ohne Aura oder als bei Patienten ohne Migräne. Die Größe der betroffenen Gebiete, also des an den Infarkt verlorenen Gehirngewebes, unterschied sich allerdings insgesamt nicht zwischen den Patientengruppen dieser Studie.
Größeres Risiko bei Migräne mit Aura, keine zu rettende Region im mangeldurchbluteten Gebiet zu finden – allerdings kein größerer Verlust an Gehirngewebe
Die Autoren vermuten, dass Patienten mit Migräne anfälliger für die Schäden durch die mangelnde Durchblutung sind und dadurch schneller das gesamte betroffene Areal ‚verhungert‘. Allerdings gibt es auch andere Hypothesen, wie in der Veröffentlichung beschrieben wird, die eine bessere Kompensierung von mangelnder Durchblutung bei Migränepatienten annehmen – und dadurch kleiner Infarkte nach einer Durchblutungsstörung bei Migränepatienten erwarten. Frühere Studien schienen solche Effekte auch anzudeuten, allerdings fanden sich in dieser Untersuchung keine Hinweise auf unterschiedliche Infarktgrößen. Tatsächlich schien sich in einer großen Untersuchung der Schlaganfälle bei Frauen (Rist et al., 2010 in der medizinwissenschaftlichen Zeitschrift Circulation erschienen) die daraus folgende Beeinträchtigung bei Migränepatientinnen und Frauen ohne Migräne nicht zu unterscheiden.
Vorbeugung von Durchblutungsstörungen für Migränepatienten sinnvoll
Zusammenfassend fand die Untersuchung, dass eine Migräneerkrankung wahrscheinlich das individuelle Risiko für einen Hirninfarkt oder ischämischen Schlaganfall infolge einer mangelhaften Durchblutung des Gehirns erhöht. Davon sind besonders Patienten mit Aura betroffen. Beruhigend: dabei schien nicht mehr Gehirngewebe insgesamt betroffen zu sein als bei Betroffenen ohne Migräne. Die Autoren legen eine gezieltere Vorbeugung von Schlaganfällen sowie Früherkennung von Durchblutungsstörungen des Gehirns bei Migränepatienten nahe, um daraus folgende Gehirnschäden zu verhindern. Vorbeugend gelten die Klassiker des gesunden Lebens als wesentlich: nicht Rauchen, ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Ausdauersport, Verbesserung von Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten und ein gesundes Gewicht sorgen für gute Chancen, einen Hirninfarkt zu vermeiden.
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