Screening auf Depression: Nutzen bleibt fraglich
Grundlage für Einführung der Reihenuntersuchung fehlt / Keine Stellungnahmen zum Vorbericht erhalten
Bei knapp 12 % aller Erwachsenen in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens eine Depression diagnostiziert. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat untersucht, ob es für Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Screenings Vor- oder Nachteile haben könnte, wenn beispielsweise Hausärztinnen und Hausärzte regelhaft einen Test anhand eines Fragebogens anbieten, der Hinweise auf eine Depression geben kann. Ein Vorteil könnte darin bestehen, dass die Diagnose frühzeitig gestellt und eine Therapie begonnen werden kann. Der jetzt publizierte Abschlussbericht bestätigt die vorläufigen Ergebnisse: Nutzen und Schaden sind weiterhin unklar. Somit fehlt weiterhin die wissenschaftliche Grundlage, um eine solche Reihenuntersuchung einzuführen.
Screening kann prinzipiell auch schaden
Eine (unipolare) Depression verläuft meist in Episoden: Es kann Phasen mit wenigen oder keinen Beschwerden geben, gefolgt von Phasen, in denen die Symptome, vor allem Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit, erneut auftreten oder sich verstärken können.
Ein Nutzen des Screenings könnte darin bestehen, dass die Erkrankung früher erkannt und dann auch besser behandelt werden kann. So ließe sich etwa verhindern, dass sich die Betroffenen dauerhaft aus dem sozialen Leben zurückziehen oder arbeitsunfähig werden.
Einen Schaden könnte das Screening verursachen, wenn der Test ein sogenanntes falsch-positives Ergebnis ergibt, also eine Depression anzeigt, die Betroffenen aber gar nicht erkrankt sind. Der Befund könnte sie emotional unnötig belasten. Womöglich haben sie unter den Nebenwirkungen von Medikamenten zu leiden, die sie gar nicht brauchen.
Keine neuen Erkenntnisse
Für den Abschlussbericht standen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dieselben Studien zur Verfügung wie für den Vorbericht: Aus den insgesamt sieben prospektiv geplanten Interventionsstudien ließen sich keine belastbaren Aussagen ableiten. Denn entweder unterschieden sich die Ergebnisse zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern des Screenings gar nicht oder die Unterschiede waren zu gering, um medizinisch relevant zu sein. Bei den fünf aus Japan stammenden Studien sind die Ergebnisse ohnehin kaum auf den deutschen Versorgungskontext übertragbar.
Nur wenige westliche Länder haben Screening eingeführt
Dass einige Gremien und Fachgesellschaften in den USA ein Screening auf Depressionen empfehlen, sieht Ressortleiter Stefan Sauerland nicht als Widerspruch: „In kaum einem westlichen Land sucht man aktiv mittels Screening nach Depressionen, weil die Datenlage hierfür nicht ausreicht.“ Die Empfehlung in den USA beziehe sich zudem nicht auf das Screening allein, sondern auf eine Gesamtstrategie, die sicherstellt, dass alle Personen mit einem „positiven“ Testergebnis auch angemessen medizinisch versorgt werden können.
„Im Übrigen gibt es auch zu Nutzen und Schaden der zurzeit stark propagierten Screening-Apps bislang keine Evidenz“, stellt Stefan Sauerland fest.
Wie bei der Publikation von vorläufigen Ergebnissen üblich, hatte das Institut auch zu diesem Vorbericht um Stellungnahmen gebeten, dieses Mal aber keine erhalten.
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