foodwatch-Marktstudie: Immer noch zu viel Zucker in Limo & Co. DDG fordert Softdrink-Steuer und bezahlbare gesunde Ernährung
Handelsketten und Lebensmittelhersteller werben aktuell mit reduzierten Zuckergehalten für ihre Produkte. Wie oft die Verbraucher damit hinters Licht geführt werden, hat die gemeinsame Marktstudie von foodwatch und dem AOK-Bundesverband jetzt aufgedeckt. Demnach enthalten 58 Prozent von 600 untersuchten Getränken mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter – nach wie vor viel zu viel. „Es hat sich nichts verändert, trotz aller Ankündigungen der Industrie“, beklagt Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Wir brauchen klare Anreize in Form einer Softdrink-Steuer, flankiert von weiteren politischen Maßnahmen zur Verhältnisprävention.“ Andernfalls würden die Gesundheitskosten explodieren.
Übergewicht ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2. Alle Anstrengungen der vergangenen Jahre, den rapiden Anstieg der Erkrankung zu stoppen, haben sich als unwirksam erwiesen. Die Zahl der diagnostizierten Diabetespatienten in Deutschland liegt aktuell bei knapp sieben Millionen Menschen – und täglich kommen rund 1.000 Neuerkrankte hinzu. Besonders sozial schwache und bildungsferne Schichten sind betroffen, darunter immer häufiger Kinder.
„Da aus übergewichtigen Kindern leider allzu häufig kranke Erwachsene werden, muss die Regierung endlich handeln“, betont Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Präsident der DDG. „Sonst werden die Kosten für die Sozialkassen bald explodieren“, warnt Müller-Wieland. Durch Diabetes und seine Folgekrankheiten entstehen derzeit in Deutschland pro Jahr bereits Kosten von rund 35 Milliarden Euro für Behandlung, Pflege, Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung.
Weg von der Verhaltens-, hin zur Verhältnisprävention
Um einen Trend bei den Erkrankungszahlen herbeizuführen, bedarf es eines Wandels von der Verhaltens- zur Verhältnisprävention. Die DDG fordert deshalb eine Mehrwertsteuerbefreiung für gesunde Lebensmittel bei gleichzeitiger Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für ungesunde, kalorienverdichtete Lebensmittel. „Wenn wir wollen, dass sich die breite Bevölkerung gesund ernährt, müssen solche Konzepte her, flankiert von einem Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet, verbindliche Standards für die Verpflegung in Kitas und Schulen sowie eine tägliche verpflichtende Stunde Schulsport“, sagt Barbara Bitzer.
Freiwillige Maßnahmen reichen nicht aus
Die DDG-Geschäftsführerin reist in der kommenden Woche nach New York zu den Vereinten Nationen, um mit internationalen Experten über den Kampf gegen Übergewicht und die Folgekrankheiten zu beraten. Deutschland hat bislang wenig dazu beizutragen. „Seit Anfang des Jahres arbeitet die Bundesregierung an der Nationalen Reduktionsstrategie“, berichtet Barbara Bitzer. „Die DDG sitzt hier gemeinsam mit Verbraucherministerin Julia Klöckner und den großen Playern der Lebensmittelindustrie an einem Tisch. Aber über Empfehlungen werden wir wohl wieder nicht hinauskommen“, bedauert die DDG-Geschäftsführerin.
Frankreich, Ungarn, Mexiko und andere Länder haben hingegen eine Zuckersteuer eingeführt, die sich positiv auf den Rückgang von Adipositas auswirkt. Großbritannien und Irland etwa haben eine Softdrink-Steuer erlassen. Betroffen von der Steuer sind ausschließlich Getränke, denen mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter zugeführt wurde. Ein Großteil der Hersteller hat daraufhin den Zuckergehalt in ihren Softdrinks reduziert – der Marktführer Coca-Cola bei den Produkten Fanta und Sprite etwa von 6,9 beziehungsweise 6,6 Gramm auf 4,6 beziehungsweise 3,3 Gramm.