Antikörperkombination erreicht langanhaltende Viruskontrolle in HIV-Patienten
Eine neue Generation breit-neutralisierender Antikörper bietet einen neuartigen Ansatz zur Behandlung der HIV-Infektion. Die Forschungsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Köln und Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), hat eine Kombination solcher Antikörper nun erstmals erfolgreich bei HIV-infizierten Personen getestet. Die Ergebnisse der gemeinsam mit der Rockefeller University in New York und der Forschergruppe Infektiologie der Uniklinik Köln durchgeführten Studie wurden jetzt in zwei Artikeln in den Wissenschaftsmagazinen Nature und Nature Medicine veröffentlicht.
Antiretrovirale Wirkstoffe stellen die Grundlage der effektiven Behandlung der HIV-Infektion dar. Diese müssen in Kombinationen verabreicht werden, da es aufgrund der hohen Wandelbarkeit des Virus bei der Anwendung einzelner Substanzen sehr rasch zur Entwicklung von Resistenzen kommt. Die derzeit verfügbaren Medikamente hemmen wirksam die Vermehrung des Virus, müssen jedoch täglich eingenommen werden.
Im Vergleich zu diesen Präparaten weisen breit-neutralisierende Antikörper deutlich länger Wirkspiegel im Blut auf und können die Viren direkt angreifen. Für zwei dieser Antikörper mit den Bezeichnungen 3BNC117 und 10-1074 konnte in früheren Studien unter Beteiligung der Uniklinik Köln gezeigt werden, dass die Verabreichung eines einzelnen Antikörpers sehr gut verträglich ist und mit einer deutlichen Reduktion der Virusmenge im Blut einhergeht. Vergleichbar mit klassischen antiviralen Medikamenten ist die Gabe eines einzelnen Antikörpers jedoch mit der Entwicklung viraler Resistenzen und somit einer zeitlich begrenzten Wirkdauer verbunden.
In der aktuellen Studie untersuchten die Wissenschaftler daher den Effekt der kombinierten Gabe der beiden Antikörper 3BNC117 und 10-1074 an insgesamt 30 HIV-infizierten Probanden. Die teilweise mehrfachen Infusionen beider Antikörper wurden von allen Studienteilnehmern sehr gut vertragen. In der Gruppe von HIV-infizierten Teilnehmern, die zum Beginn der Studie keine antiviralen Medikamente einnahmen, führte die Kombination der Antikörper zu einer deutlichen und teils mehrere Monate anhaltenden Absenkung der Viruslast.
In einer zweiten Gruppe erfolgte die Verabreichung der Antikörper bei Personen, die ihre zuvor eingenommenen antiviralen Medikamente aussetzten. Während es nach der Unterbrechung einer solchen Behandlung üblicherweise innerhalb weniger Wochen zu einem Wiederanstieg der Viruslast im Blut kommt, war das Virus bei vielen Studienteilnehmern auch noch mehrere Monate nach der letzten Infusion im Blut nicht nachweisbar.
„Die Ergebnisse dieser Studien verdeutlichen, dass Kombinationen von Antikörpern eine langanhaltende Kontrolle von HIV bewirken können“, so Dr. Henning Grüll, Ko-Erstautor beider Arbeiten und Assistenzarzt am Institut für Virologie der Uniklinik Köln. Basierend auf den aktuellen Studienergebnissen, die in Kooperation mit der Rockefeller Universität (Prof. Dr. Michel Nussenzweig; Prof. Dr. Marina Caskey) entstanden sind, werden nun Behandlungsansätze verfolgt, die die tägliche Tabletteneinnahme durch Antikörperinfusionen auch über ein längeres Intervall ersetzen könnten.
„Die erfolgreiche Durchführung beider Arbeiten an der Uniklinik Köln beruht auch auf der guten Zusammenarbeit mit der Forschergruppe Infektiologie (Leitung: Univ.-Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer) und der Infektionsambulanz (Leitung: Priv.-Doz. Dr. Clara Lehmann). Es freut uns sehr, dass wir erneut entscheidende Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sicher und schnell zurück zum Patienten bringen konnten“, so Studienleiter Klein.
Weitere Studien zu breit-neutralisierenden Antikörpern, die zusätzliche Ansätze zur möglichen Anwendung bei der HIV-Infektion untersuchen, werden derzeit in Köln durchgeführt oder befinden sich in der Planungsphase.
Originalpublikationen:
Pilar Mendoza*, Henning Gruell*, Lilian Nogueira, Joy A. Pai, Allison L. Butler, Katrina Millard, Clara Lehmann, Isabelle Suárez, Thiago Y. Oliveira, Julio C.C. Lorenzi, Yehuda Z. Cohen, Christoph Wyen, Tim Kümmerle, Theodora Karagounis, Ching-Lan Lu, Lisa Handl, Cecilia Unson-O’Brien, Roshni Patel, Carola Ruping, Maike Schlotz, Maggi Witmer-Pack, Irina Shimeliovich, Gisela Kremer, Eleonore Thomas, Kelly E. Seaton, Jill Horowitz, Anthony P. West Jr., Pamela J. Bjorkman, Georgia D. Tomaras, Roy M. Gulick, Nico Pfeifer, Gerd Fätkenheuer, Michael S. Seaman, Florian Klein*, Marina Caskey*, Michel C. Nussenzweig*
Combination therapy with anti-HIV-1 antibodies maintains viral suppression
Nature 27 September 2018, DOI: 10.1038/s41586-018-0531-2
Yotam Bar-On*, Henning Gruell*, Till Schoofs, Joy A. Pai, Lilian Nogueira, Allison L. Butler, Katrina Millard, Clara Lehmann, Isabelle Suárez, Thiago Y. Oliveira, Theodora Karagounis, Yehuda Z. Cohen, Christoph Wyen, Stefan Scholten, Lisa Handl, Shiraz Belblidia, Juan P. Dizon, Jörg J. Vehreschild, Maggi Witmer-Pack, Irina Shimeliovich, Kanika Jain, Kerstin Fiddike, Kelly E. Seaton, Nicole L. Yates, Jill Horowitz, Roy M. Gulick, Nico Pfeifer, Georgia D. Tomaras, Michael S. Seaman, Gerd Fätkenheuer, Marina Caskey*, Florian Klein* Michel C. Nussenzweig*
Safety and antiviral activity of combination HIV-1 broadly neutralizing antibodies in viremic individuals
Advance Online Publication (AOP) on Nature Medicine’s website 26 September 2018, DOI: 10.1038/s41591-018-0186-4