Durch Karikaturen Gesichter besser erkennen
Psychologen der Universität Jena entwickeln Training zur Verbesserung des Gesichtsgedächtnisses
(Jena) „Der kommt mir bekannt vor – aber woher?“ Nicht selten schießt das vor allem älteren Menschen durch den Kopf, wenn sie einer anderen Person begegnen. Denn wenn im Alter das Gedächtnis nachlässt, dann leidet auch die Gesichtserkennung. Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben deshalb ein Training entwickelt, mit dem Senioren möglicherweise ihrem Gesichtsgedächtnis auf die Sprünge helfen können. Das Besondere dabei: Die Wissenschaftler setzen dabei fotorealistische Karikaturen ein.
Für ihre Studie zeigten die Jenaer Forschenden 24 Seniorinnen und Senioren zwischen 61 und 76 Jahren zwölfmal innerhalb von vier Wochen verschiedene dreidimensionale Gesichter, zu denen sich die Probanden Namen und verschiedene Zusatzinformationen einprägen mussten. Dabei kamen vor allem Karikaturen zum Einsatz, die möglicherweise die Gesichtserkennung fördern. „Bei Karikaturen werden bestimmte charakteristische Merkmale eines Gesichts hervorgehoben, was ihre Wiedererkennung vereinfacht“, sagt Prof. Dr. Stefan Schweinberger von der Universität Jena. Für ihre Arbeit haben die Psychologen gemeinsam mit Medizinern und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik und dem Netzwerk 3Dsensation dreidimensionale Modelle menschlicher Gesichter am Computer erstellt und diese auch zu digitalen Karikaturen umgestaltet.
Gute Nachricht für alte Gehirne
Vor und nach den Trainingswochen erstellten die Jenaer Psychologen ein Elektroenzephalogramm (EEG) der Probanden, um mögliche positive Entwicklungen zu beobachten. „Eine solche Untersuchung liefert eine exzellente zeitliche Auflösung, durch die wir besonders sogenannte ereigniskorrelierte Potenziale identifizieren können, die spezifische Aspekte der Gesichtswahrnehmung reflektieren“, erklärt Schweinberger. „Das sind bestimmte Bereiche auf dem EEG, die wir bestimmten Funktionen zuordnen können. Wir sehen also an bestimmten Wellenlinien, wann das Gehirn Gesehenes verarbeitet und beispielsweise Gesichter zuordnet.“ Der Prozess des Erkennens etwa finde in den ersten 500 Millisekunden, nachdem man etwas gesehen hat, statt.
Erfolg ihres Trainings nachgewiesen
Somit konnten sie auch einen Erfolg ihres Trainings nachweisen. Denn zum einen erinnerten sich die Senioren an die während der Studie verwendeten Gesichter über den Verlauf des Trainings zunehmend besser. „Zum anderen konnten wir zudem am EEG eine deutliche trainingsinduzierte Entwicklung beobachten und zeigen, dass sich auch im Alter solche Prozesse wie die Gesichtserkennung verbessern lassen“, berichtet Stefan Schweinberger. Die sogenannte kortikale Plastizität, die sich auch in der Fähigkeit des Gehirns zeige, Bereiche für Aufgaben heranzuziehen, für die sie eigentlich nicht vorgesehen sind, funktioniere also auch im fortgeschrittenen Alter noch. „Das ist eine gute Nachricht für alte Gehirne“, sagt der Jenaer Psychologe.
Auch wenn sich an den Ergebnissen der Studie keine Langzeitwirkung des Trainings, sondern nur ein Trend ablesen lässt, so ist das Team der Universität Jena überzeugt, dass seine Herangehensweise alten Menschen helfen kann, ihr Gesichtsgedächtnis dauerhaft aufzufrischen. Weitere Studien zur Entwicklung eines intensiveren und alltagstauglicheren Trainings sind jetzt notwendig.
Originalpublikation:
10. Limbach, J. M. Kaufmann, H. Wiese, O. W. Witte, S. R. Schweinberger (2018): Enhancement of face-sensitive ERPs in older adults induced by face recognition training, Neuropsychologia, https://doi.org/10.1016/j.neuropsychologia.2018.08.010