Der Medikamenteneinnahme auf der Spur
Assistenzprofessorin Andrea Burden untersucht die Sicherheit von Medikationen, um die Patientenversorgung zu verbessern. Für ihre Forschung nutzt die Wissenschaftlerin Erfahrungen aus der Kriminologie.
«Wenn ich die Stelle bekomme, holen wir uns eine Katze». Das sagte Andrea Burden zu ihrem Mann, als sie ihre Bewerbung für eine Assistenzprofessur am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften (D-CHAB) der ETH Zürich einreichte. Und es klappte mit der Bewerbung: Seit Mai leitet die 35-jährige Wissenschaftlerin die Professur für Pharmakoepidemiologie am D-CHAB. «Ich hatte zeitgleich ein Angebot von einer anderen Hochschule», erzählt Burden. «Ich habe mich jedoch für die ETH Zürich entschieden, da ich hier meine eigene Forschungsgruppe aufbauen und das Fachgebiet der Pharmakoepidemiologie etablieren kann».
Bereits arbeiten zwei Doktoranden in ihrer Gruppe, und sie hat ihren Forschungsbereich mit dem, wie sie selbst sagt, fast unaussprechlichen Namen in der Schweiz schon bekannter gemacht. Neben der Tätigkeit an der ETH Zürich ist sie einen Tag pro Woche an der Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsspitals Zürich (USZ) anzutreffen. Dort tauscht sie sich aus mit Ärztinnen, Apothekern und Klinikpersonal. Das USZ erhofft sich, dass Burdens Forschung weitere Studien darüber ermöglichen, wie Arzneimittel künftig wirkungsvoller bei Patienten eingesetzt werden können. Die ETH wiederum möchte mit dieser Zusammenarbeit ihren thematischen Schwerpunkt «Medizin und Medizintechnologie» weiter ausbauen, indem sie die klinische Ausbildung und Weiterbildung von Pharmazeutinnen an der ETH fördert.
Arbeiten mit Gesundheitsdaten
Mit der Pharmakoepidemiologie – oder «Pharmakoepi», wie es Andrea Burden abkürzt, – untersuchen Wissenschaftler die Wirksamkeit von Medikamenten bei ausgewählten Gruppen von Patienten. Daten des öffentlichen Gesundheitswesens, von Spitälern, Apotheken oder Altersheimen dienen ihr als Grundlage für ihre Forschung.
Zurzeit beschäftigt sich Burden damit, welche Arzneimittel am besten bei chronischen Krankheiten wie Osteoporose und rheumatischer Arthritis wirken. Sie möchte herausfinden, auf welchem Weg die passende Medikation den richtigen Patienten erreicht, um die erwünschte Wirkung zu maximieren und potenziell schädliche Nebenwirkungen zu minimieren. Ziel ist es, die Patientenversorgung zu verbessern mit Forschung, die auch in die Klinik, die Apotheken und die Politik einfliesst.
«Das Wichtigste für meine Arbeit ist eine zuverlässige und einheitliche Datenbasis», sag Burden. Für ihre Forschung erwies sich ihr Heimatland Kanada mit seinem öffentlichen Gesundheitssystem, das die gesamte Krankengeschichte jedes Einzelnen erfasst, als ideal. So oder so entscheidend sei jedoch, die richtigen Daten für die jeweilige Fragestellung auszuwählen, zumal je nach Land die Daten nach unterschiedlichen Parametern von verschiedenen Quellen erhoben würden – von Krankenhäusern über Apotheken bis hin zu Versicherungsgesellschaften. Darüber hinaus gibt es Datenschutzbestimmungen, die den Zugang erschweren.
Stetige Veränderung als Konstante
Als junges Mädchen hatte sich Andrea Burden nie träumen lassen, dass sie eines Tages in der Wissenschaft tätig sein würde. «Meine Eltern haben keine akademische Ausbildung und erwarteten diesbezüglich auch nichts von mir», berichtet sie. Ihre Eltern hätten ihr jedoch gezeigt, wie man das Leben beherzt anpackt, kritisch über alles nachdenkt und aus jeder Situation das Beste macht. So baute ihr Vater nicht nur das Haus in Scarborough, einem Stadtteil von Toronto, wo sie aufwuchs, eigenhändig, sondern orientierte sich auch beruflich immer wieder neu. Nach der Entlassung aus der kanadischen Luftwaffe habe er Computer repariert und dann in den Verkauf gewechselt. Auch die Laufbahn ihrer Mutter verlief nach ähnlichem Muster. Sie nahm erst eine Stelle an im Sicherheitsbereich des Toronto-Zoos, stieg bald auf und wechselte in die Zentrale des Zoodirektors.
Offen für stetige und spontane Veränderungen ist auch Andrea Burden. Als ihre High School-Lehrerin die begabte Schülerin darauf ansprach, weshalb sie sich nicht für die Universität statt für eine Lehre bewerben wolle, ging sie sofort darauf ein. «Wie es so typisch für Teenager ist, hatte ich mir bis dahin kaum Gedanken über meine Zukunft gemacht,» erzählt sie freimütig. «So habe ich mich spontan für ein Bachelorstudium in Psychologie und Soziologie an der Universität von Toronto beworben».
Masterarbeit in Kriminologie
Mit Erfolg: Schritt für Schritt legte sie die Basis für ihre heutige Arbeit. Ihre Bachelorarbeit machte sie bei David Nussbaum, einem Psychologieprofessor mit Schwerpunkt Kriminologie, dessen Arbeit sie begeisterte. In ihrer Masterarbeit führte sie ihre Forschung darüber, wie mangelnde Impulskontrolle bei der Entscheidungsfindung mit Verbrechen und Sucht zusammenhängt, fort.
Diese führte sie dann für ihre Doktorarbeit an das Departement für pharmazeutische Wissenschaften. Suzanne Cadarette, Pharmakoepidemiologie-Professorin an der Fakultät für Pharmazie in Toronto, schlug Andrea Burden vor, ihre Erfahrungen mit Entscheidungsprozessen zu nutzen, um zu untersuchen, warum manche Menschen Medikamente regelmässig einnehmen und andere nicht. Dieses Wissen könnte helfen, Apothekerinnen im Umgang mit Patienten zu schulen.
Nach ihrer Doktorarbeit wurde Burden mit einem Postdoc-Stipendium des kanadischen Instituts für Gesundheitsforschung ausgezeichnet – und stand nun vor der Frage, wo sie ihre wissenschaftliche Karriere in Pharmaepidemiologie fortsetzen sollte. «Meine Freunde dachten, ich würde in die Vereinigten Staaten gehen», sagt die Wissenschaftlerin. Doch sie überraschte alle mit ihrer Entscheidung: «Ich wollte meinen eigenen Kulturkreis verlassen und Neues über mich und die Welt erfahren». Ihre Wahl fiel schliesslich auf das Maastricht University Medical Centre (MUMC).
Ein prägender Entscheid
Eine Entscheidung, die ihrem Leben erneut eine ganz andere Richtung geben sollte. Kaum in Maastricht angekommen, lernte sie in einem Niederländisch-Sprachkurs ihren heutigen Mann kennen. «Anders als geplant werde ich nicht so bald nach Kanada zurückkehren. Er kommt aus Italien, weshalb wir wahrscheinlich in Europa bleiben.». Auch die Hochzeit im Sommer 2018 feierte das Paar nahe seiner Heimatstadt Lecco am Comersee.
Und was ist aus der Katze geworden? «Bisher nichts. Noch immer lebt keine Katze in meinem Haushalt», sagt die tierliebende Andrea Burden. «Ich hoffe aber, dass ein solcher Vierbeiner bald bei mir einziehen kann.»