Depression
Beruhigendes Ergebnis großer Metaanalyse: Antidepressiva wirken besser als eine Scheinbehandlung
Original Titel:
Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a systematic review and network meta-analysis.
MedWiss – Zusammenfassend fand die systematische Recherche und Analyse, dass alle untersuchten Antidepressiva besser gegen unipolare Depressionen erwachsener Patienten wirkten als ein Scheinmedikament. Die Mittel zeigten in Placebo-kontrollierten Studien nur geringe Unterschiede in Wirksamkeit und Verträglichkeit. Im direkten Vergleich dagegen tauchten größere Unterschiede zwischen den Medikamenten auf. Generell dient die detaillierte Untersuchung somit der informierten Wahl zwischen möglichen Behandlungsalternativen.
Unipolare Depressionen werden neben Psychotherapien mit Antidepressiva behandelt. Grundlegend klingt dieser Satz banal, bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings ein Problem: wie soll man aus den Mengen möglicher Medikamente eine Wahl treffen? Hier zählt einerseits die Erfahrung des behandelnden Arztes, andererseits mögliche Begleiterkrankungen und weitere Umstände. Vor allem aber sollte die wissenschaftliche Evidenz zählen, die darüber informieren könnte, welche Medikamente besonders gut wirken, oder besonders gut vertragen werden. Forscher rund um Psychiater Prof. Cipriani von der University of Oxford untersuchten nun in einer systematischen Übersichtsstudie (Review) und einer sogenannten Netzwerk-Metaanalyse, welche typischerweise verschriebenen Antidepressiva eine verlässliche Wirksamkeit bei einer unipolaren Depression zeigten.
Systematische Analyse von Wirksamkeit und Verträglichkeit vieler Antidepressiva
Dazu durchsuchten sie verschiedene wissenschaftliche Datenbanken wie das Cochrane Zentralregister für kontrollierte Studien, CINAHL, Embase, LILACS-Datenbank, MEDLINE, MEDLINE In-Process, PsycINFO, die Webseiten verschiedener regulatorischer Agenturen sowie internationale Register für kontrollierte Studien mit Daten bis zum 8. Januar 2016. Ausschließlich Studien mit Doppelblindverfahren und randomisiertem Design wurden berücksichtigt. Das heißt, dass in diesen Untersuchungen Kontrollmittel im Vergleich zu dem jeweiligen Antidepressivum getestet wurden, und dass weder Patient noch behandelnder Arzt jeweils wussten, welches Mittel zufällig dem jeweiligen Patienten zugeordnet worden war.
Für bessere Vergleichbarkeit wurden nur solche Untersuchungen analysiert, in denen die jeweiligen Mittel mit einem Placebo verglichen wurden. Um auch gut vergleichbare Patientengruppen zu analysieren, wurden nur Untersuchungen mit Patienten mit einer unipolaren Depression eingeschlossen. Maximal bis zu 20 % der Patienten sollten unter einer Bipolaren Störung, psychotischen Depressionen oder einer behandlungsresistenten Depression leiden. Auch schwere Begleiterkrankungen sollten in höchstens 20 % der Fälle vorkommen.
Die Forscher fanden 28 552 Veröffentlichungen zu dem Thema. Dabei wurden 522 Studien beschrieben, mit insgesamt Daten von über hunderttausend erwachsenen Patienten (116 477). Die Betroffenen litten unter mittelschwerer bis schwerer unipolarer Depression.
Über hunderttausend Patienten in 522 Untersuchungen: welche Antidepressiva wirken besser?
Beruhigend für Patienten mit einer Depression: sämtliche 21 Antidepressiva wirkten besser als ein Placebo.
Die Verträglichkeit der Mittel unterschied sich dagegen stärker: lediglich Agomelatin und Fluoxetin schnitten im Studienvergleich besser als das Placebo ab – zumindest brachen Patienten, die mit diesen Medikamenten behandelt wurden, seltener die Behandlung ab, als Kontrollpatienten, die nur eine Scheinbehandlung erhielten. Clomipramin dagegen führte zu mehr Behandlungsabbrüchen als das Placebo der jeweiligen Studien.
Alle Antidepressiva wirken besser als eine Scheinbehandlung
Verglichen die Forscher sogenannte Head-to-head-Untersuchungen, in denen Wirkstoffe direkt miteinander verglichen wurden statt mit einem Placebo, zeigten sich Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin wirksamer als andere Antidepressiva. Die am wenigsten wirksamen Mittel in diesen direkten Medikamentenvergleichen waren Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon. Im direkten Vergleich mit Blick auf die Verträglichkeit schienen besonders Agomelatin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin und Vortioxetin besser akzeptiert als andere Antidepressiva. Die meisten Abbrüche gab es dagegen mit den Mitteln Amitriptylin, Clomipramin, Duloxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon und Venlafaxin.
Verträglichkeit und Wirksamkeit variieren vor allem im direkten Vergleich
Wesentliches Element bei einer systematischen Analyse ist auch die Einschätzung, wie verlässlich die Daten sind. Dazu wird eine Voreingenommenheit (Bias) eingeschätzt, das sogenannte Bias-Risiko. Darunter fallen solche Themen wie Beteiligung einer der Arzneimittelfirmen an einer Studie oder finanzielle Interessen der Autoren, aber auch generelle Aspekte wie z. B. fehleranfälliges Design der Untersuchung durch beispielsweise zu geringe Teilnehmerzahlen. Im Vergleich zeigten die meisten Studien allerdings eher gemäßigte problematische Tendenzen: bei nur 9 % (46 Untersuchungen) der insgesamt 522 Studien wurde ein hohes Risiko für eine Voreingenommenheit gefunden, bei der Mehrzahl dagegen (380 Untersuchungen, 73 %) fand sich ein moderates Voreingenommenheitsrisiko. Immerhin fast jede 5. Studie (96 Untersuchungen, 18 %) galt als risikoarm und brachte damit eher vertrauenswürdige Daten ein. Die Gesamtlage der Daten war trotzdem nicht sehr gut: die Stärke der Evidenz stuften die Forscher nur als moderat bis sehr niedrig ein. Eine solche Einschätzung wird einerseits durch die gefundene mögliche Voreingenommenheit für ein bestimmtes Ergebnis erklärt, kann aber auch durch sehr geringe Effekte in den Messungen zustande kommen.
Moderat vertrauenswürdige Daten mit geringer Aussagekraft
Zusammenfassend fand die systematische Recherche und Analyse, dass alle untersuchten Antidepressiva besser gegen unipolare Depressionen erwachsener Patienten wirkten als ein Scheinmedikament. Die Mittel zeigten in Placebo-kontrollierten Studien nur geringe Unterschiede in Wirksamkeit und Verträglichkeit. Im direkten Vergleich dagegen tauchten größere Unterschiede zwischen den Medikamenten auf. Generell dient die detaillierte Untersuchung somit der informierten Wahl zwischen möglichen Behandlungsalternativen.
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