Schalter für die Regeneration von Nervenzell-Isolierschicht entdeckt

Ein internationales Forscherteam hat einen Mechanismus entdeckt, der die Regeneration der Isolierschicht von Nervenzellfortsätzen steuert. Diese Isolierung, auch Myelinscheide genannt, ist entscheidend für eine schnelle Signalübertragung zwischen den Zellen. Schäden an der Myelinscheide, wie sie bei Multipler Sklerose vorkommen, können die Funktion des Nervensystems stark beeinträchtigen. In der Zeitschrift „Glia“ beschreibt das Team um Dr. Annika Ulc, Dr. Simon van Leeuwen und Prof. Dr. Andreas Faissner von der Ruhr-Universität Bochum, die Ergebnisse gemeinsam mit Kollegen aus Edinburgh, Münster und Hannover. Der Artikel wurde online am 18. November 2018 veröffentlicht.

„Wir hoffen, einen Ansatzpunkt gefunden zu haben, um die Reparatur des Myelins pharmakologisch beschleunigen zu können“, sagt Andreas Faissner, Leiter des Bochumer Lehrstuhls für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie.

Komplexer Herstellungsmechanismus

Die Myelinscheide wird von bestimmten Zellen des Nervensystems gebildet, den Oligodendrozyten. „Die Herstellung der Isolierschicht erfordert komplexe Veränderungen der Zellgestalt und ihrer Fortsätze“, erklärt Faissner. Das Forscherteam beschäftigte sich in der vorliegenden Arbeit mit molekularen Schaltern, die die Zellgestalt kontrollieren. Die Bochumer Gruppe kooperierte zu diesem Zweck mit dem Centre for Regenerative Medicine, University of Edinburgh, dem Institut für Neuropathologie am Uniklinikum Münster und der Abteilung für Zelluläre Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Verlangsamte Regeneration ohne Regler Vav3

In ihrer Studie belegten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine besondere Rolle des Signalmoleküls Vav3. Dieses regelt die Aktivität von anderen Molekülen, die wie molekulare Schalter bestimmte Signalprozesse aktivieren oder deaktivieren. Die Forscher zeigten, dass in Oligodendrozyten, die den Regler Vav3 nicht besitzen, auch die Aktivität der molekularen Schalter verändert war. Sie untersuchten außerdem, wie sich das Fehlen von Vav3 auf die Regeneration der Myelinscheide in kultivierten Zellen auswirkte, deren Isolierschicht beschädigt worden war. Das Ergebnis: Ohne Vav3 bildete sich die neue Myelinschicht langsamer wieder aus als in Zellkulturen mit Vav3. Diese Resultate bestätigten sich auch in Versuchen mit Mäusen, denen Vav3 fehlte und die ebenfalls eine verlangsamte Regeneration des Myelins aufwiesen.

Die Signalmechanismen der hier untersuchten molekularen Schalter vom Typ Rho-A sind relativ gut erforscht. „Zusammen mit dem Wissen um die Bedeutung des Reglers Vav3 könnte es künftig möglich sein, die molekularen Schalter gezielt so zu steuern, dass die Regeneration der Myelinscheide beschleunigt werden kann“, so Faissner.

Förderung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte die Arbeiten im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 642, der bis 2016 an der RUB gefördert wurde und dessen Sprecher Prof. Dr. Klaus Gerwert war. Weitere Förderung der DFG kam durch die Projekte FA 159/24-1, ZE 994/2 sowie das Exzellenzcluster Rebirth (EXC 62/3) und das Schwerpunktprogramm SPP1757. Außerdem wurden die Arbeiten vom Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NRW unterstützt.

Originalpublikation:

Annika Ulc, Andre Zeug, Juliane Bauch, Simon van Leeuwen, Tanja Kuhlmann, Charles ffrench-Constant, Evgeni Ponimaskin, Andreas Faissner: The guanine nucleotide exchange factor Vav3 modulates oligodendrocyte precursor differentiation and supports remyelination in white matter lesions, in: Glia, 2018, DOI: 10.1002/glia.23548