Mit Testosteron gegen Depressionen

Original Titel:
Association of Testosterone Treatment With Alleviation of Depressive Symptoms in Men. A Systematic Review and Meta-analysis

MedWiss – Mit einer systematischen Literaturrecherche untersuchten Forscher aus Deutschland, Schweden und der Schweiz, die antidepressive Wirkung von Testosteron bei Männern. Der Effekt scheint dosisabhängig zu helfen: höhere Dosierung könnte also besser wirken. Um klare Behandlungsoptionen zu bieten, werden allerdings bessere Untersuchungen benötigt, die gezielt noch offene Fragen beantworten. Grundlegend sollte aber bei bisher erfolgloser antidepressiver Behandlung eventuell auch mal der Hormonspiegel erkrankter Männer gemessen werden.


Testosteron, sozusagen das ‚Männerhormon‘ schlechthin, ist ein neurologisch wirksames Steroid – es ist also naheliegend, dass es auch auf die Stimmung wirken könnte. Mit zunehmendem Alter nimmt die körpereigene Produktion von Testosteron bei Männern ab. Gleichzeitig fanden manche Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen Testosteron-Spiegel und depressiven Symptomen. Bei Nagetieren wie Ratten konnte tatsächlich die Produktion des Glücksbotenstoffs Serotonin mit Hilfe von Testosteron gesteigert werden. Können Depressionen bei Männern also auch mit Testosteron behandelt werden? Dieser Frage gingen nun Forscher aus Deutschland, Schweden und der Schweiz nach.

Glücklicher mit Männerhormon?

In einer systematischen Literaturrecherche in den medizin-wissenschaftlichen Datenbanken PubMed/Medline, Embase, Scopus, PsychINFO und dem Cochrane Controlled Trials Register ermittelten sie dazu klinische Studien, in denen betroffene Männer zufällig entweder mit einem Scheinmedikament (Placebo) oder mit Testosteron behandelt wurden. Studien mit Veröffentlichungsdaten bis März 2018 wurden eingeschlossen. Die Daten aus diesen Studien fassten sie in einer Metaanalyse zusammen.

Ziel war es vor allem, die Wirkung von Testosteron auf depressive Symptome zu ermitteln. Dies wurde mit dem Wirkungsgrad auf die Symptome (Unterschied in den Symptomen vor und nach der Behandlung), der Häufigkeit des Wirkungseffekts (Anteil der Patienten mit mindestens einer Halbierung der depressiven Symptome) und der Akzeptanz der Behandlung bestimmt. Hier wurde die Akzeptanz als der Anteil der Patienten, die die Behandlung abbrachen, definiert.

Systematische Literaturrecherche: wie gut und wie oft lindert Testosteron Depressionen?

Die Forscher fanden 7690 Veröffentlichungen zu den verschiedenen vorher bestimmten Schlüsselbegriffen. Davon wurden 469 thematisch passende Untersuchungen genauer daraufhin bewertet, ob sie randomisiert-kontrolliert, mit betroffenen Männern durchgeführt worden waren und den sonstigen (z. B. qualitativen) Einschlusskriterien entsprachen. Insgesamt konnten schließlich 27 Studien mit zusammen 1890 Männern mit Depressionen analysiert werden.

Im Gesamtüberblick zeigte sich daraus ein messbarer Effekt: Testosteron konnte im Vergleich zum Placebo klar depressive Symptome lindern. Dabei war es für die Akzeptanz der Behandlung unerheblich, ob die jeweiligen Teilnehmer mit dem Scheinmedikament oder dem Hormon behandelt wurden. Die Wirksamkeit von Testosteron zeigte sich besonders bei den Teilnehmern, die zu Beginn kaum Schwankungen in ihren depressiven Symptomen zeigten und eine höhere Dosierung des Hormons erhielten.

Messbare Wirkung des Männerhormons, aber viele offene Fragen

Die bisherige wissenschaftliche Datenlage deutet also auf eine antidepressive Wirkung von Testosteron bei Männern hin. Der Effekt scheint dosisabhängig zu helfen: eine höhere Dosierung könnte also besser wirken. Bei vielen der Untersuchungen wurde allerdings die Hormonlage der Männer nicht vor der Behandlung bestimmt. Ebenso war nicht immer die Depression das Kernthema und Behandlungsziel der Untersuchungen. Zusätzlich könnten weitere Faktoren die Depressionslinderung bedingt haben. Auch ist unklar, welche langfristigen Effekte eine Erhöhung des Testosteronspiegels bei Männern hat.

Um also klare Behandlungsoptionen zu bieten, werden bessere Untersuchungen benötigt, die gezielt Männer mit einer Depressionserkrankung hormonell behandeln und somit die noch offenen Fragen beantworten. Grundlegend sollte aber bei bisher erfolgloser antidepressiver Behandlung eventuell auch mal der Hormonspiegel erkrankter Männer gemessen werden.

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