Aus eins mach zwei – neues genetisches Werkzeug für die Krebsforschung entwickelt
Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und vom Universitätsklinikum Heidelberg entwickelten auf der Basis der Genschere CRISPR-Cas ein neues genetisches Werkszeug: Sie bauten das System so um, dass es Gene gleichzeitig aktivieren oder aber inaktivieren kann. Die Methode soll dabei helfen, das komplexe Zusammenspiel von Genen bei der Entstehung von Krebs zu entschlüsseln.
Krebserkrankungen liegen immer Veränderungen der genetischen Information zugrunde. Mithilfe moderner Techniken der Hochdurchsatz-Sequenzierung konnten die Erbgutveränderungen, die in den verschiedenen Krebsarten auftreten, größtenteils identifiziert werden. „Teilweise finden wir in einem individuellen Tumor eines Patienten hundert verschiedene Mutationen. Die Herausforderung für uns ist dann, aus dieser Vielfalt diejenigen Mutationen herauszufiltern, die essentiell für das Tumorwachstum sind“, erklärt Darjus Tschaharganeh, der eine am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am Pathologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg angesiedelte Helmholtz Junior-Gruppe leitet.
Mit seinem Team hat Tschaharganeh es sich zur Aufgabe gemacht, die sogenannten „Driver“-Mutationen, die das Tumorwachstum antreiben, von den „Passenger“-Mutationen, die darauf keinen Einfluss haben, zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist insbesondere wichtig, da therapeutische Interventionen möglichst gegen die „Driver“-Mutationen gerichtet werden sollen.
Für ihre Untersuchungen führen die Wissenschaftler gezielt Mutationen herbei und beobachten die Auswirkungen auf die Zellen. Insbesondere interessieren sie sich dafür, welche funktionellen Auswirkungen die Kombination mehrerer Mutationen in einer Zelle hat.
Erbgutveränderungen lassen sich typischerweise in zwei Gruppen unterteilen: Die eine Form inaktiviert Gene, die andere Art dagegen verstärkt die Aktivierung einer Erbanlage. „Wir haben leider schnell festgestellt, dass es mit den gängigen genetischen Methoden nicht einfach ist, solche Untersuchungen durchzuführen: Entweder ermöglichen die Verfahren die Inaktivierung oder aber die Aktivierung eines Gens. Sie können aber nicht gleichzeitig ein Gen aktivieren und ein anderes inaktivieren. Aber genau dieses Muster sehen wir in Tumoren“, erklärt Marco Breinig, der Erstautor der Studie.
Die Forscher hatten daher die Idee, sich die Genschere CRISPR-Cas zunutze zu machen und entsprechend umzubauen. Dazu fusionierten sie das Protein Cas12a – den „Scheren“-Teil von CRISPR-Cas – mit einem Proteinkomplex (VPR), der das Ablesen von Genen verstärken kann. Das daraus resultierende Fusionsprotein, Cas12a-VPR, funktioniert nun nicht nur als Genschere, sondern verstärkt zusätzlich auch die Expression von Genen.
„Wir konnten mit dem neuen System Gene aktivieren und gleichzeitig andere Erbanlagen inaktivieren, in Zellen von Menschen und von Mäusen. Damit haben wir die Situation imitiert, wie wir sie in Tumorzellen vorfinden“, beschreibt Anabel Schweitzer, Ko-Autorin der Arbeit. „So haben wir endlich die Möglichkeit, die Wechselwirkung mutierter Gene bei der Entstehung von Krebs und auch von anderen Krankheiten untersuchen zu können“, erklärt Tschaharganeh.
Marco Breinig, Anabel Y. Schweitzer, Anna M. Herianto, Steffie Revia, Lisa Schaefer, Lena Wendler, Ana Cobos Galvez, Darjus F. Tschaharganeh: Multiplexed orthogonal genome editing and transcriptional activation by Cas12a
Nature Methods 2018, DOI: 10.1038/s41592-018-0262-1