Ist die Anwendung von Biologika bei stillenden Müttern unbedenklich?

Original Titel:
Exposure Concentrations of Infants Breastfed by Women Receiving Biologic Therapies for Inflammatory Bowel Diseases and Effects of Breastfeeding on Infections and Development

MedWiss – Obwohl in den meisten Fällen Biologika, die die Mutter bekam, in der Muttermilch in geringen Mengen nachweisbar waren, schien sich dieses nicht auf die Entwicklung und das Infektionsrisiko der Neugeborenen auszuwirken. Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler in der vorliegenden Studie.


Patienten mit einer chronischen Darmentzündung müssen oft dauerhaft Wirkstoffe einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Neben den klassischen Immunsuppressiva stehen heutzutage auch die sogenannten Biologika zur Verfügung. Es handelt sich dabei um Wirkstoffe, die aus lebenden Zellen gewonnen werden. Zu ihnen gehören Infliximab, Adalimumab, Golimumab (in Deutschland nur für Colitis ulcerosa zugelassen), Vedolizumab und Ustekinumab (in Deutschland nur für Morbus Crohn zugelassen). Da diese Wirkstoffe oft dauerhaft angewendet werden müssen und häufig Frauen im mittleren Alter von einer chronischen Darmerkrankung betroffen sind, ist es wichtig zu wissen, wie sich die Wirkstoffe bei stillenden Müttern auf das Neugeborene auswirken. Diese Thematik wird kontrovers diskutiert und die entsprechenden Daten zu der Sicherheit sind begrenzt. Aus diesem Grund untersuchten Wissenschaftler aus den USA, ob sich Biologika in der Muttermilch von stillenden Frauen, die mit diesen behandelt wurden, nachweisen lassen. Des Weiteren wollten sie herausfinden, ob sich eine Biologika-Therapie der Mutter auf die Infektionsanfälligkeit und die Entwicklung des Säuglings auswirken.

Wissenschaftler untersuchten die Muttermilch von stillenden Frauen mit einer chronischen Darmentzündung und die Entwicklung der Neugeborenen

Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten die Wissenschaftler Frauen mit einer chronischen Darmentzündung und ihre Babys. Sie sammelten die Muttermilch von 72 Frauen, die eine Therapie mit Biologika erhielten. Die Muttermilch-Proben untersuchten sie auf die Wirkstoffe, die die Frauen bekamen. So kontrollierten die Wissenschaftler, ob 1, 13, 24 oder 48 Stunden nach der Medikamenten-Gabe dieses in der Muttermilch zu finden war. Bei manchen Frauen konnten sie dieses auch nach 72, 96, 120 und 168 Stunden noch testen. Des Weiteren erfassten die Forscher mithilfe spezieller Fragebögen, die die Mütter ausfüllten, den Entwicklungsstand der Kinder. 824 Mütter mit einer chronischen Darmentzündung füllten einen solchen Fragebogen aus. Darunter waren sowohl Mütter, die während der Schwangerschaft keine Biologika bekamen, als auch Mütter, die während ihrer Schwangerschaft mit diesen Wirkstoffen behandelt wurden (228 bekamen Infliximab, 136 Adalimumab, 1 Golimumab, 6 Ustekinumab und 84 andere Biologika, die in Deutschland nicht zugelassen sind). 620 von ihnen stillten. Zusätzlich protokollierten die Wissenschaftler, wie häufig welcher Säugling von Infektionen betroffen war.

Biologika waren in der Muttermilch zu finden

Bei der Analyse der Muttermilch stellten die Wissenschaftler fest, dass diese in vielen Fällen die eingesetzten Biologika enthielt. 29 Frauen wurden mit Infliximab behandelt. Bei 19 von ihnen konnte Infliximab in der Muttermilch nachgewiesen werden (maximale Konzentration: 0,74 μg/ml). Bei Adalimumab waren es 2 von 21 Frauen, bei denen der Wirkstoff in der Muttermilch gefunden wurde (maximale Konzentration: 0,71 µg/ml). Von den 6 Frauen, die mit Ustekinumab behandelt wurden, war der Wirkstoff bei 4 Frauen in der Muttermilch nachweisbar (maximale Konzentration: 1,57 µg/ml). Nur eine Frau wurde mit Golimumab behandelt. Bei ihr konnte in der Muttermilch kein Golimumab gefunden werden.

Eine Biologika-Therapie der Mutter schien sich nicht auf Infektionen und die Entwicklung der Neugeboren auszuwirken

Was das Auftreten von Infektion und den Entwicklungsstand nach 12 Monaten betraf, konnten keine nennenswerten Unterschiede zwischen gestillten und nicht gestillten Säuglingen beobachtet werden. Ebenso konnten diesbezüglich keine Unterschiede zwischen gestillten Kindern, deren Mütter Biologika, klassische Immunsuppressiva oder beides in Kombination bekamen, und gestillten Kindern, deren Mütter nicht mit diesen behandelt wurden, sondern keine Medikamente oder Steroide oder Mesalazin nahmen, festgestellt werden.

Frisch gebackene Mütter, die während der Schwangerschaft mit den Biologika Infliximab, Adalimumab und Ustekinumab behandelt wurden, wiesen geringe Konzentrationen dieser Substanzen in ihrer Muttermilch auf. Kinder von Müttern, die mit Biologika, klassischen Immunsuppressiva oder beidem behandelt wurden, hatten jedoch kein höheres Risiko für Infektionen. Auch in der Entwicklung nach 12 Monaten konnten keine Unterschiede zu Kindern festgestellt werden, die gar nicht gestillt wurden, oder zu Kindern, deren Mütter nicht diese Wirkstoffe bekamen. Den Ergebnissen zur Folge scheinen Frauen, die Biologika bekommen, nicht auf das Stillen verzichten zu müssen. Weitere Studien über einen längeren Zeitraum und mit größeren Datenmengen sind jedoch nötig, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Das gilt besonders für die neueren Biologika Ustekinumab, Golimumab und Vedolizumab, da nur wenige Frauen, die an der Studie teilnahmen, mit diesen Wirkstoffen behandelt wurden (Ustekinumab: 6 Frauen, Golimumab: 1 Frau und Vedolizumab: keine Frau).

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