Diabetes-Medikament liefert neuen Therapieansatz bei Herzinsuffizienz
In der EMPA-REG OUTCOME-Studie führte die Gabe von Empagliflozin bei Patienten mit Diabetes mellitus und hohem kardiovaskulären Risiko zu einer signifikanten Reduktion der kardiovaskulären Mortalität, der Gesamtmortalität und der Hospitalisierungsrate bei Herzinsuffizienz. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind derzeit unverstanden. Aufgrund neuerer klinischer Daten, die auch nach Adjustierung für sekundäre Risikofaktoren ein verbessertes kardiovaskuläres Outcome zeigen, stellt sich die Frage nach weiteren, noch unbekannten Wirkmechanismen, deren Erforschung von höchster klinischer Relevanz ist.
Die vorliegende Arbeit belegt erstmals in breiten experimentellen Versuchsreihen im humanen Myokard von Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF), Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) und gesunden Probanden (NF), dass Empagliflozin direkte günstige Effekte auf das menschliche Herz ausübt. Diese Ergebnisse konnten in-vitro und in-vivo in verschiedenen Tiermodellen reproduziert und bestätigt werden. Um mögliche direkte kardiale Effekte von Empagliflozin zu untersuchen und systemische Einflüsse auszuschließen, wurden isolierte Trabekel aus menschlichen Herzen von Patienten mit HFrEF präpariert und Kontraktilitätsmessungen durchgeführt. Empagliflozin senkte in klinisch relevanten Konzentrationen die in diesen Präparaten exzessiv erhöhte diastolische Spannung signifikant. Die systolische Kraft wurde nicht verändert. Interessanterweise waren diese Effekte unabhängig von einer diabetischen Erkrankung. Weitere Kontraktilitätsmessungen von murinen Papillarmuskeln von diabetischen und nicht-diabetischen Mäusen bestätigten diese Beobachtungen.
Um die zugrundeliegenden Mechanismen aufzuklären, wurde die zelluläre Ca2+-Homöostase untersucht, welche ein starker Regulator der kardialen Kontraktilität ist. Hierzu wurden humane ventrikuläre Kardiomyozyten aus explantierten Herzen frisch isoliert und mittels Epifluoreszenzmikroskopie unter Verwendung von Fura-2 untersucht. Jedoch hatte Empagliflozin keine Effekte auf die Ca2+-Transientenamplitude oder die diastolische Ca2+-Konzentration.
Aufgrund der vorteilhaften Effekte auf die diastolische Funktion des HFrEF-Myokard, fokussierten wir uns auch auf HFpEF-Gewebe. Mögliche Effekte auf den kontraktilen Apparat wurden mittels demembranisierter (skinned) Kardiomyozyten aus Biopsien von Patienten mit HFpEF und NF-Patienten evaluiert. Kardiomyozyten von Patienten mit HFpEF zeigten eine pathologisch erhöhte passive Steifigkeit der Myofilamente. Interessanterweise wurde die passive Steifigkeit im erkrankten Phänotyp signifikant durch Empagliflozin gesenkt. Die totale Ca2+-aktivierte Kraft der Präparationen war nicht verändert. Diese Ergebnisse konnten in ZSF1-Ratten, die einen HFpEF-Phänotyp ausbilden, bestätigt werden. Durch die Untersuchung der Gesamtphosphorylierung der regulatorischen Proteine der Myofilamente und Titin konnten diese Befunde weiter mechanistisch aufgeklärt werden. Typischerweise ist HFpEF mit einer pathologisch reduzierten Gesamtphosphorylierung der Myofilamente assoziiert. Während im Myokard von Patienten oder ZSF1-Ratten mit HFpEF die Gesamtphosphorylierung von Troponin I, Myosin binding protein C und Titin auch in unseren Untersuchungen pathologisch vermindert waren, wurde durch Empagliflozin die GesamtPhosphorylierung derselben Proteine signifikant erhöht/wiederhergestellt. Diese günstigen Effekte auf die Myofilament-Funktion könnten die Verbesserung der diastolischen Funktion durch Empagliflozin erklären.
Um unsere Ergebnisse in einem in-vivo Modell zu validieren, wurden ZDF-Ratten, die eine diastolische Dysfunktion bestehend aus einer pathologisch verlängerten isovolumetrischen Relaxationszeit (IVRT) zeigen, echokardiographisch untersucht. Empagliflozin hatte keine Effekte auf die Ejektionsfraktion der Tiere. Jedoch führte die akute Behandlung mit Empagliflozin zu einer signifikant verbesserten diastolischen Funktion, bestehend aus einer Verkürzung der IVRT und einer erhöhten E/A-Ratio.
Diese Arbeit liefert mit einer Verbesserung der diastolischen Funktion erstmalig den Nachweis von direkten, Diabetes-unabhängigen Effekten von Empagliflozin auf das insuffiziente menschliche Herz. Diese konnte durch günstige Einflüsse von Empagliflozin auf die Funktion der Myofilamente mechanistisch aufgeklärt und in einem in-vivo System validiert werden. Seit der EMPA-REG OUTCOME-Studie werden die möglichen Mechanismen der Mortalitätsreduktion durch Empagliflozin und vor allem die Frage, inwiefern Patienten mit Herzinsuffizienz von Empagliflozin profitieren könnten, stark und kontrovers diskutiert. Weiterhin mangelt es an Therapieansätzen zur Behandlung einer diastolischen Dysfunktion. Diese Arbeit bietet somit eine translationale Grundlage für die weitere klinische Überprüfung der Substanz und hat möglicherweise direkte klinische Implikationen für die Untersuchung neuer Therapiestrategien bei Patienten mit Herzinsuffizienz bzw. diastolischer Dysfunktion.
Publikation:
Steffen Pabel, Stefan Wagner, Hannah Bollenberg, Philipp Bengel, Árpád Kovács, Christian Schach, Petros Tirilomis, Julian Mustroph, André Renner, Jan Gummert, Thomas Fischer, Sophie Van Linthout, Carsten Tschöpe, Katrin Streckfuss‐Bömeke, Gerd Hasenfuss, Lars S. Maier, Nazha Hamdani, Samuel Sossalla: Empagliflozin directly improves diastolic function in human heart failure. European Journal of Heart Failure (Oct. 2018). doi.org/10.1002/ejhf.1328.