Rheumatoide Arthritis: Gentests sagen Erfolgsaussichten der Therapie mit Biologika voraus
Eine frühzeitige Behandlung mit dem Immunblocker Methotrexat kann bei der rheumatoiden Arthritis die Zerstörung der Gelenke nicht immer verhindern. Ob der zusätzliche Einsatz eines modernen Medikaments aus der Gruppe der Biologika sinnvoll ist, könnte in Zukunft durch Gentests ermittelt werden. Dies zeigen neue Studienergebnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift „Clinical and Experimental Rheumatology“ vorgestellt wurden, worauf die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) hinweist.
Mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland leiden unter entzündlichem Gelenkrheuma (rheumatoide Arthritis (RA)). Am Anfang der Erkrankung, die meist nach dem 50. Lebensjahr beginnt, stehen Schmerzen und Schwellungen einzelner Gelenke, die sich in den Morgenstunden kaum bewegen lassen. Die Erkrankung wird durch eine Fehlreaktion des Immunsystems ausgelöst. Medikamente, die das Immunsystem bremsen, können eine Zerstörung der Gelenke verhindern.
Die meisten Patienten werden heute zunächst mit Methotrexat (MTX) behandelt. Der Immunblocker allein ist aber oft nicht in der Lage, die Zerstörung der Gelenke aufzuhalten. „Da einmal entstandene Schäden nicht repariert werden, kommt es darauf an, möglichst von Anfang an die richtige Strategie zu finden“, erläutert Professor Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und Mitautor der Studie.
Die Kombination von Methotrexat mit dem Biologikum Adalimumab, einem TNF-Blocker, hatte sich in einer vorhergehenden Studie, der OPTIMA-Studie, als gute Wahl in der Therapie von Patienten mit frühen Stadien der rheumatoiden Arthritis erwiesen. Diese Studie hatte gezeigt, dass Adalimumab die Ergebnisse von Methotrexat verbessern kann – allerdings nicht bei allen Patienten. „Biologika sind sehr teuer, weshalb sie erst bei Versagen einer alleinigen Therapie mit MTX eingesetzt werden“, erläutert Professor Schulze-Koops, Bereichsleiter Rheumaeinheit am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Bisher gab es keinen Anhaltspunkt vorauszusagen, bei welchen Patienten Biologika wirken und bei welchen nicht.“ Die Gewissheit, dass Adalimumab den Schutz der Gelenke verbessert, wäre laut dem Rheumaexperten ein wichtiges Argument für den frühzeitigen Einsatz des Biologikums. Zugleich wäre es wichtig, die Patienten zu erkennen, bei denen die Substanz keinen hinreichenden klinischen Effekt zeigt, damit bei ihnen diese Therapie nicht eingesetzt würde. Professor Schulze-Koops und weitere Forscher haben deshalb in einer Studie geprüft, ob Gentests hier einen Anhaltspunkt liefern könnten.
Die Rheumaforscher haben dafür die Gene von 1.032 Patienten analysiert, die an der OPTIMA-Studie teilgenommen hatten. Die Analyse ergab, dass drei Gene den Erfolg der Behandlung mit Biologika auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Professor Schulze-Koops und das Forschungsteam untersuchten zunächst das humane Leukozyten-Antigen HLA DBR1. „HLA DBR1 ist ein zentraler Bestandteil des Immunsystems, und bestimmte Varianten erhöhen das Risiko, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken“, so der Experte. Bei all diesen Varianten des HLA DRB1 ist ein kurzer Abschnitt der Proteinsequenz identisch, sie heißen daher „shared epitope“.
Jeder Mensch besitzt zwei HLA-DR Gene, eines von der Mutter, eines vom Vater. Varianten des „shared epitopes“ können in keinem der elterlichen Gene, in einem der elterlichen Gene oder in beiden vererbten Genen vorliegen. Die Studie ergab nun, dass die Wirkung von Adalimumab mit Methotrexat umso besser war, je mehr HLA DBR1-Genvarianten der Patient hatte. Auf den Erfolg einer Behandlung mit Methotrexat allein hatte die Zahl der „shared epitope“-Kopien keinen Einfluss. „Der Nachweis von mehreren „shared epitope“-Kopien spricht deshalb für eine frühzeitige Behandlung mit Adalimumab. Bei Fehlen einer „shared epitope“-Variante hat die Zugabe von Adalimumab zum Methotrexat offensichtlich keinen klinischen Effekt“, sagt Professor Schulze-Koops.
Ein weiteres Argument liefert der zweite Gentest. Er weist eine Variante im Gen „FcγRIIb“ nach. Sie steigert die Chance, dass es unter der Behandlung mit Adalimumab rasch zu einer Besserung, Remission genannt, kommt. Patienten mit einer Variante im dritten untersuchten Gen haben weniger Glück: Eine Mutation in „IL4R“ zeigt an, dass es unter der Behandlung mit Methotrexat allein wahrscheinlich zu einem Fortschreiten der Gelenkzerstörung kommt. „Eine zusätzliche Behandlung mit Adalimumab konnte dies in der Studie verhindern“, berichtet Professor Schulze-Koops, der deshalb auch diesen Gentest gerne bei seinen Patienten anwenden würde.
„Die Gentests könnten die Behandlungskosten senken und den Einsatz von Adalimumab in der Frühphase der rheumatoiden Arthritis bei den Patienten, bei denen ein therapeutischer Effekt erwartet werden kann, vertretbar machen“, fasst der Rheumatologe die Ergebnisse der Studie zusammen. Professor Schulze-Koops zeigt sich zuversichtlich: „Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer personalisierten, patientenorientierten Präzisionsmedizin.“
Originalpublikation:
Skapenko A, Smolen JS, Kavanaugh A, Arora V, Kupper H, Schulze-Koops H. Genetic markers associated with clinical and radiographic response in adalimumab plus methotrexate-treated rheumatoid arthritis patients in OPTIMA. Clinical and Experimental Rheumatology 2019 Apr 9. (Epub ahead of print)
Weitere Informationen:
https://dgrh.de/Start/DGRh/Presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen/2019/Pre…