Wer sich jünger fühlt, gestaltet seine Arbeit selbstbestimmter

Die späte Laufbahnentwicklung ist ein Thema von immer grösserer Relevanz. Eine Studie von Berner Forschenden des Instituts für Psychologie zeigt, dass das subjektive Alter – also wie alt sich jemand fühlt – die aktive Gestaltung der Arbeitsaufgaben stärker beeinflusst als das tatsächliche Alter. In der «späten» Karriere ist es für die Arbeitnehmenden ausserdem von zunehmender Bedeutung, sinnstiftende Arbeit zu leisten.

Die generelle Lebenserwartung steigt, und viele Menschen wollen und können länger arbeiten. Unternehmen sind aufgrund dieser sich ändernden Demographie in Zukunft vermehrt auf motivierte und produktive ältere Mitarbeitende angewiesen, um den Bedarf an erfahrenem und fachlich versiertem Personal zu decken. Eine sinnstiftende und zu den Fähigkeiten und Bedürfnissen des Individuums passende Arbeit kann dessen physische und kognitive Fertigkeiten und Fähigkeiten erhalten. Zudem erfüllt die Arbeit auch wichtige soziale und persönliche Bedürfnisse im Alter.

Laufbahnentwicklung von älteren Menschen

Die Laufbahnentwicklung von älteren Arbeitnehmenden ist ein relativ junges Forschungsfeld. Noemi Nagy, Claire Johnston und Andreas Hirschi vom Institut für Psychologie an der Universität Bern untersuchten nun motivationale und persönliche Veränderungen von älteren Arbeitnehmenden. Diese Faktoren können eine positive Laufbahnentwicklung begünstigen. Ein Fokus lag dabei auf den individuellen Unterschieden des Alterungsprozesses, da dieser von Person zu Person unterschiedlich verlaufen kann. Der Einbezug der subjektiven Wahrnehmung und Einschätzung des eigenen Alters neben der Berücksichtigung des chronologischen – also tatsächlichen – Alters ist ein vielversprechendes neues Forschungsfeld.

Subjektiv wahrgenommenes Alter beeinflusst Arbeitsverhalten stark

In einer über ein Jahr dauernden Studie untersuchten die Arbeits- und Organisationspsychologinnen und -psychologen der Universität Bern die Verhaltensweisen von 485 ältereren Berufstätigen – durchschnittlich 54 Jahre alt – aus Deutschland. Besonderes Augenmerk richteten die Forschenden auf das sogennannte Job Crafting. Dabei handelt es sich um die aktive und individuelle Gestaltung der Arbeit durch die Arbeitnehmenden, um eine grössere Passung zwischen den Arbeitsinhalten und den persönlichen Fähigkeiten und Präferenzen zu erzielen. «Wir konnten zeigen, dass die subjektive Wahrnehmung des Alters stärker mit der proaktiven Verhaltensweise des Job Crafting zusammenhängt als das chronologische, tatsächliche Alter», erklärt Noemi Nagy. Das subjektive Alter hatte zudem – über den aktuellen Gesundheitszustand und die Autonomie bei der Arbeit hinaus – eine signifikante Vorhersagekraft für eine aktivere Gestaltung der eigenen Arbeit, also dem Job Crafting. «Ältere Arbeitnehmende, die sich jünger fühlten, sind vermehrt initiativer bei der Gestaltung der eigenen Arbeit», so Nagy. Dieser Befund ist auch deshalb relevant, da es theoretische und empirische Belege dafür gibt, dass das subjektive Alter beeinflusst werden kann und damit das Potenzial hat, den Alterungsprozess von älteren Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift «European Journal of Work and Organizational Psychology» publiziert.

Selbstbestimmtes Verhalten verleiht der Arbeit Sinn

Die Autorinnen und Autoren der Studie konnten zudem aufzeigen, dass die aktive Gestaltung der eigenen Arbeit bei den befragten Personen positiv mit dem erlebten Sinn bei der Arbeit zusammenhing. «Teilnehmende, die aktives Job Crafting betrieben, gaben öfter an, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist», sagt Nagy. Im Alter nehmen die Mitarbeitende ihre verbleibende Lebenszeit als kürzer wahr und priorisieren daher eher emotional sinnvolle Ziele. Daher ist es in der späten Karriere von zunehmender Bedeutung, persönlich sinnvolle Arbeit zu leisten. Wie die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, ist Job Crafting ein geeignetes Instrument für ältere Arbeitnehmende, um ihre Arbeitsplätze an ihre Präferenzen und Bedürfnisse anzupassen und so mehr Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit zu erleben.

Publikationsdetails:

Nagy, N., Johnston, C. & Hirschi, A. (2019), «Do we act as old as we feel? An examination of subjective age and job crafting behaviour of late career employees.», in: European Journal of Work and Organizational Psychology, 28, 3, 373-383. http://dx.doi.org/10.1080/1359432X.2019.1584183