Hoffnung auf ein Leben ohne Tabletten
Alternative Therapien gegen Bluthochdruck – Informationsangebote zum Welt-Hypertonie-Tag am Freitag, 17. Mai 2019, am Uni-Klinikum Erlangen
Bluthochdruck (Hypertonie) gilt als ‚stumme Krankheit‘, die wegen ihrer unspezifischen Symptome wie Schwindel, Übelkeit, Schlaflosigkeit und Ohrensausen häufig nicht erkannt wird. Oft stellt man erst bei der Diagnose Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes auch den schon lange bestehenden Bluthochdruck fest. Die Medizinische Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie (Direktor: Prof. Dr. Mario Schiffer) des Universitätsklinikums Erlangen lädt anlässlich des Welt-Hypertonie-Tags zu einer Informationsveranstaltung ein. Am Freitag, 17. Mai 2019, von 13.00 bis 16.00 Uhr, können Interessierte ihren Blutdruck messen lassen und Informationsgespräche mit Ärzten im Foyer des Internistischen Zentrums, Ulmenweg 18, führen. Auch über die neue Behandlungsmethode der Renalen Denervation, also der Verödung der Nierennerven, als therapeutische Alternative bzw. Ergänzung zur Medikamenteneinnahme gegen Hypertonie wird dabei informiert.
Blutdruck messen, Tablette einnehmen – erst nach dieser morgendlichen Routine genießt Reinhard Drebinger seinen Frühstückskaffee. Das Hantieren mit der Manschette des Blutdruckmessgeräts ist für den agilen Senior seit drei Jahrzehnten fester Teil des Tagesbeginns. Schon 1988 wurde bei dem damals 44-Jährigen ein deutlich erhöhter Blutdruck festgestellt. Die offizielle Grenze für Hypertonie liegt bei 140/90 mmHg – und seine Werte lagen deutlich darüber. Symptome verspürte Reinhard Drebinger zwar keine, er wusste aber, dass es in seiner Familie eine erbliche Vorbelastung zu erhöhten Blutdruck- und Cholesterinwerten gibt. Nachdem er zur Blutdrucksenkung bereits die allgemeinen Änderungen seines Lebensstils mit mehr Bewegung und einer massiven Ernährungsumstellung ausgeschöpft hatte, muss der kaufmännische Angestellte bis heute regelmäßig seine Medikamente gegen Bluthochdruck einnehmen. An jedem Morgen –- seit mehr als dreißig Jahren.
Studienprogramm erprobt alternative Therapie
Jetzt könnte sich daran etwas ändern: Die Teilnahme an dem umfassenden Studienprogramm zur Therapie der Hypertonie am Uni-Klinikum Erlangen ermöglichte dem 75-Jährigen vor sechs Monaten eine so genannte Renale Denervation. Prof. Dr. Roland Schmieder, Leiter der Klinischen Forschungsstation (CRC) für Hypertonie und Gefäßmedizin der Medizin 4 des Uni-Klinikums, erläutert dieses neue Therapieverfahren gegen Bluthochdruck: „Bei dem minimalinvasiven Eingriff wird das Nervengeflecht um die Nierenarterie mit Kathetern punktuell verödet. Das verhindert die Ausschüttung von schädlichen Hormonen, die den Blutdruck erhöhen.“
Der Eingriff war für Reinhard Debringer keine große Sache: Nach der üblichen Beobachtungszeit konnte er das Uni-Klinikum am nächsten Tag verlassen. Spürbare körperliche Veränderungen nimmt er seither nicht wahr. Positiv verändert haben sich jedoch seine Blutdruckwerte – und zwar um zehn Zähler nach unten bei beiden Messwerten. „Das spricht dafür, dass die Gefäße des Patienten gut reagieren“, freut sich Roland Schmieder bei der halbjährlichen Kontrolluntersuchung. „Ein positiver Therapieeffekt kann frühestens drei Monate nach dem Eingriff festgestellt werden“, betont der Hypertonieexperte. „Bei den leichteren Fällen ist eine Senkung der Messwerte um 10 mm Hg möglich. Das klingt nach nicht viel, entspricht aber einer verringerten Medikamenteneinnahme von einer bis anderthalb Wirksubstanzen, sprich: er braucht pro Tag ein bis zwei Tabletten weniger einzunehmen.“
Patienten profitieren von interdisziplinärer Betreuung
Bei schweren Fällen bewirkt die Renale Denervation sogar eine Senkung von bis zu 20 mmHg, weiß Prof. Schmieder, der die interdisziplinäre Ausrichtung des Schwerpunkts am Uni-Klinikum Erlangen betont. „Die gesamte Therapie der Hypertonie erfolgt durch ein Ärzteteam aus Nephrologen, Kardiologen, Neurologen und Radiologen. Wir können in Erlangen weiterhin für unsere Patienten Therapiemöglichkeiten im Rahmen eines umfassenden Studienprogramms anbieten, die im süddeutschen Raum einmalig sind.“ Die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen ist deshalb so wichtig, weil Bluthochdruck zu Erkrankungen der Herzkranzgefäße führen, eine Herzmuskelverdickung oder eine Herzinsuffizienz hervorrufen kann, aber auch Wegbereiter für Schlaganfall und Demenz ist. Nach mehr als 100 Eingriffen der Renalen Denervation am Uni-Klinikum Erlangen, die von der Radiologie vorgenommen werden, ist der erfahrene Hypertonieforscher von der Wirksamkeit dieser Therapie mehr als überzeugt. „Wir untersuchen jetzt vor allem die Frage: Welche Patienten profitieren davon am meisten?“
Teilnahme noch bis Sommer 2020 möglich
Sicher noch bis zum Sommer 2020 läuft am Uni-Klinikum das Studienprogramm, bei dem die Experten des Radiologischen Instituts (Direktor: Prof. Dr. Michael Uder) und der Medizin 4 des Uni-Klinikums Erlangen die Patienten interdisziplinär betreuen. In dieser Zeit besteht auch noch die Möglichkeit, Bluthochdruckpatienten in das Studienprogramm einzuschließen. „Jeder Hypertoniepatient kann sich dafür bei uns melden“, betont Prof. Schmieder. „Wenn neue positive Studienergebnisse zum Jahresende 2020 vorliegen, kann mit der behördlichen Erlaubnis für diese alternative Behandlungsform gerechnet werden“, blickt der Experte in die nahe Zukunft. „Bis dahin bleibt dieses Verfahren Studienteilnehmern vorbehalten.“
Auch Reinhard Drebinger hofft, dank der positiven Auswirkungen des Eingriffs bald völlig auf seine Blutdrucktabletten verzichten zu können. „Jetzt habe ich neue Hoffnung auf ein Leben ohne Medikamente“, lächelt der 75-Jährige.