Künstliche Blutgefäße durch 4D-Druck und molekulare Selbstorganisation: „Mikro-Origami“ aus Bayreuth
Feinstrukturierte Blutgefäße werden in Zukunft möglicherweise im Druck hergestellt werden können. Die Grundlagen hierfür erforscht der Chemiker und Materialwissenschaftler Prof. Dr. Leonid Ionov mit einer Arbeitsgruppe an der Universität Bayreuth. Das Ziel: Dünne Polymerschichten sollen so strukturiert werden, dass durch eine räumliche Selbstorganisation ihrer Moleküle Gefäße in den verschiedensten Größen und Strukturen entstehen. Ein 4D-Drucker, der die Zeit als vierte Dimension einbezieht, soll die Schichten erzeugen und in die nötigen Ausgangspositionen bringen. Das kürzlich gestartete Vorhaben wird von der VolkswagenStiftung aus dem Programm „Experiment!“ mit 120.000 Euro gefördert.
„Trotz der enormen Fortschritte in der Implantationsmedizin gibt es für die Herausforderung, feinste Blutgefäße mit hoher Präzision in den jeweils benötigten Strukturen herzustellen, noch keine befriedigende Lösung. In unserem Projekt verfolgen wir daher einen neuen Ansatz, der zwei wissenschaftliche Arbeitsgebiete kombiniert: Die Polymerwissenschaften erforschen die Fähigkeit von Molekülen, sich unter definierten Bedingungen in neuen räumlichen Strukturen zu organisieren, und haben dabei beeindruckende Resultate erzielt. Parallel dazu sind Techniken und Anwendungen des 4D-Drucks zunehmend verfeinert worden. Deshalb wollen wir jetzt Polymerschichten drucken, die so strukturiert sind und miteinander wechselwirken, dass daraus von selbst Gefäßstrukturen entstehen, wie sie in der Medizin benötigt werden“, sagt Projektleiter Ionov.
Charakteristisch für Blutgefäße sind sogenannte „Kreuzungen“, bei denen sich zwei Gefäße zu einem neuen Gefäß verbinden. Diese Strukturelemente können mit den bisherigen Techniken des 3D-Drucks nicht mit der nötigen Präzision reproduziert werden. Indem die Bayreuther Forscher die Druck-Programmierung nicht nur auf räumliche Strukturen, sondern auch auf die Zeit als vierte Dimension ausrichten, wollen sie eine molekulare Selbstorganisation ermöglichen, die solche Kreuzungen erzeugt – ohne dass die Verbindungen zwischen den jeweiligen Gefäßen undicht sind. Die Wissenschaftler bezeichnen ihr Vorhaben auch als „Mikro-Origami“. Der Name spielt auf die japanische Faltkunst an, die allein durch die in ihrer zeitlichen Abfolge definierten Papierfaltungen die unterschiedlichsten Figuren und Muster hervorbringt.
Das von der VolkswagenStiftung geförderte Projekt will zunächst ergründen, ob der neue Ansatz zur künstlichen Herstellung feinstrukturierter Blutgefäße prinzipiell in der angestrebten Weise funktioniert. Deshalb geht es zurzeit noch nicht um die Frage, welche polymeren Materialien für Anwendungen im lebenden Organismus optimal geeignet sind. Wenn sich die Forschungsarbeiten als erfolgreich erweisen, stehen die Bayreuther Wissenschaftler vor einer weiteren Herausforderung: polymere Materialien zu finden, die nicht allein die nötigen Potenziale zur Selbstorganisation aufweisen, sondern auch im Organismus keine Abstoßungsreaktionen oder Infektionen hervorrufen.